Leser diskutieren über Freiwilligkeit und demokratische Legitimation der neuen Sprachregelungen und wie sie sich aufs Deutschlernen auswirken.
Leserbriefe zu Anti-Gender-Initiative„Man muss sich aktiv wehren“

Die Hamburgerin Sabine Mertens hat die Initiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ gegründet.
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Gendern: Sprache ohne ideologischen Schnickschnack bevorzugt
Den als Reportage abgedruckten Text über „Frau Mertens’ Anti-Gender-Revolution“ habe ich als ausgesprochen tendenziös empfunden. Der gesamte Duktus schien darauf ausgelegt zu sein, das Ansinnen von Frau Mertens lächerlich zu machen. Ziemlich zu Beginn war zu lesen: „Ihre Abneigung gegen geschlechtergerechte Sprache ist so groß, dass sie etwas verbieten will, wofür es gar keine Vorschrift gibt.“ Unabhängig davon, dass ich nichts von sinnbefreiten Verboten halte und auch der Meinung bin, dass Frau Mertens teilweise mit ihren Äußerungen über das Ziel hinausschießt, ist es keinesfalls erwiesen, dass Gendersprache „geschlechtergerecht“ ist und faktisch falsch, dass es „gar keine Vorschrift“ gibt.
Hierzu ein paar Beispiele: Anträge an Universitäten im akademischen Alltag, die nicht bearbeitet werden, wenn sie nicht gegendert sind, Studenten, die mit Punktabzug rechnen müssen, wenn ihre Abschlussarbeit nicht „gendergerecht“ formuliert ist, im Einzelfall sogar die Drohung, bei Nicht-Gendern durchzufallen. Dazu kommen Mitarbeiter von Verwaltungen und Unternehmen, die sich „Leitfäden“ unterordnen müssen und und und.
Abgesehen davon suggeriert der Beitrag über Frau Mertens, dass Zustimmung zu ihren Positionen nur aus „sehr konservativem Umfeld“ komme. Das entspricht ebenfalls nicht den Tatsachen. Mich stören die Attitüde des „Bessermenschen“ und die zur Schau gestellte Haltung, die mit dem Verwenden dieser vermeintlich inklusiven Sprachform einhergehen. Darüber hinaus bin ich schlicht ein Freund von klarer, verständlicher Sprache ohne ideologischen Schnickschnack. Alexandra Lingk Rheinbach
Wer übt Zensur: Gender-Befürworter oder -Gegner?
Bemerkenswert an Frau Mertens Kampagne ist die völlige Verdrehung der Tatsachen: Tatsache ist, jede*r darf gendern, muss es aber nicht. Auch der Anlass der Petition besteht wohl darin, die Freiheit der Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung Hamburg zu gendern einzuschränken. Dass Menschen hierzu eine unterschiedliche Meinung haben, sollte in einer Demokratie selbstverständlich sein. Ebenso, diese Meinung überhaupt und frei in der Form zu äußern.
Tatsächlich findet sich gerade bei jenen, die so gerne auf eine angebliche „Sprachpolizei“ mit „totalitärem Anspruch“ und „diktatorischen“ Forderungen verweisen, genau dies: die undemokratische Forderung nach Zensur! Niemand soll widersprechen, niemand soll sie mit einer anderen Ansicht belästigen. Oder im Fall von Frau Mertens die Forderung, jede*r habe so zu sprechen oder zu schreiben, wie sie es für richtig befindet.
Tatsache ist, jede*r darf gendern, muss es aber nicht
Bemerkenswert ist auch, dass dem Verfasser dieser Widerspruch völlig entgeht. Oder vielleicht auch nicht: Ich konnte mich während des Lesens des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor bemüht war, jedes Klischee über Gendern und dessen Befürworter*innen mindestens einmal, besser mehrmals unterzubringen. Um dann die daraus zwangsläufig entstehende Redundanz des Artikels Frau Mertens anzulasten. Carla Rehm Köln
Gendern: „Da muss man sich aktiv wehren“
Die Voreingenommenheit des Autors gegen die Anti-Gender-Initiative von Frau Mertens spricht aus jeder Zeile des Artikels. Er verwechselt sogar, wer wem was verbieten möchte. Es geht hier um eine subtile Zerstörung unserer schönen Sprache. In den meisten Verwaltungen in NRW wird das Gendern vorgeschrieben, im Gegensatz zu Hamburg, wo das noch freiwillig ist. Eine große, schweigende Mehrheit sieht sich gerade Sprachvorschriften ausgesetzt. Die Hoffnung, dass sich das irgendwann totlaufen wird, halte ich für trügerisch. Da muss man sich aktiv wehren.
Gegner des Genderns werden von Befürwortern gerne mit Polemik und weniger mit Argumenten mundtot gemacht. Gerne, indem sie in die reaktionäre Ecke gerückt werden. Auch eine Initiative in die Nähe der AfD zu rücken, ist ein klassisches „Totschlagargument“. Die französische Sprache hat mit der deutschen Sprache manche Gemeinsamkeiten, nicht nur bei der weiblichen Sprachform. Aber die Franzosen lieben ihre Sprache wohl so sehr, dass eine Zerstörung dieser Sprache nicht infrage kommt. Hier ist inzwischen eine Selbstzerstörung unserer schönen Sprache am Werk.
Deutsch ist die einzige Sprache, die sich gerade mit Doppelpunkten, Sternchen, Unter- oder Querstrichen ruiniert
Deutsch ist die einzige Sprache, die sich gerade mit Doppelpunkten, Sternchen, Unter- oder Querstrichen ruiniert. Und niemand wird diese Sprache dann als Fremdsprache lernen können oder wollen. So viel zum Thema Integration. Ich wünsche Frau Mertens viel Erfolg und weitere Initiativen in ganz Deutschland. Dr. Karin Heider Odenthal
Gendern: Gewöhnungseffekt nicht unterschätzen
Das „Gendern“ stört nicht nur durch die Verkomplizierung des Gesagten, sondern lenkt auch vom eigentlichen Inhalt ab, wenn es eben nicht um Unterschiede zwischen Mann und Frau geht, ganz gleich, ob es mit Gendersternchen oder durch weibliche Zusatzformen geschieht. Diese Genderspaltung ist daher kontraproduktiv. Dazu kommen noch stilistische Scheußlichkeiten, wie etwa kürzlich im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu lesen: „Ticketinhaberinnen und Ticketinhaber“. Bei solchen Stilblüten können einem schon die Haare zu Berge stehen!
Der Hinweis von Genderfans auf die Freiwilligkeit dieser Sprache kann nur als Versuch gesehen werden, diese Sprachrevolution herunterzuspielen – angesichts der Tatsache, dass die Kölner OB Reker ihrem Verwaltungsapparat diese Sprachregelung angeordnet hat, dass die Kölner Universität ihren Studenten diese Gendersprache aufzwingt, viele Institutionen und der größte Teil der Medien sich über Nacht dem Gendern verschrieben haben. Durch ständige Berieselung werden sich die Menschen schon daran gewöhnen? Walter Kirchesch Köln
Gendern: Elitär, abgehoben, politisch korrekt?
Der Autor des Artikels verlässt sehr gekonnt die altbewährte Trennung von Kommentar und Bericht. Dass er fürs Gendern ist und damit offenbar eine Gegenposition zu Frau Mertens einnimmt, ist völlig okay, aber an dieser Stelle fehl am Platz. Anstatt die Argumente von Frau Mertens herauszuarbeiten und sie dann womöglich in einem Kommentar anzugreifen, diskreditiert er sie nach Leibeskräften und tappt damit in die Falle, die das rechte Lager gerne aufstellt: Elitär, abgehoben, politisch korrekt. Schade, in der Sache ist der Bericht aufschlussreich und hätte sicher auch eine Diskussion über die demokratische Legitimation des Genderns füttern können. Peter Korall Köln
Gendern erschwert Deutschlernen
Wie wäre es, wenn Schüler erst einmal unsere schöne deutsche Sprache lernen würden, um diese fehlerfrei zu benutzen? Überall und leider oft auch in den Medien sind Fehler deutlich sichtbar. Was sollen dann die Gendersternchen? Also erst lernen, bevor man sich aufregt. Anne Müller Köln