Wir werden uns also auf Hitze und Jahrhunderte voller Fluten einstellen müssen. Wer Katastrophen verhindern will, muss ihnen vorbeugen, auch wenn das teuer ist.
Hitze und FlutenDer Klimawandel lässt sich bestenfalls bremsen – Vorbeugung ist alternativlos
Wann wird Starkregen zur Katastrophe? Wann wird Hochwasser zur Jahrhundertflut? Unsere Nachbarn in Polen und Tschechien versinken gerade in einem neuen „Jahrhunderthochwasser“, auch Niederösterreich hat den Krisenfall ausgerufen. Mindestens acht Menschen sind in den Fluten bereits gestorben. Im Osten Deutschlands steigen zwar ebenfalls die Wasserstände, im Vergleich aber weniger dramatisch.
Bemisst sich das Ausmaß einer Katastrophe also an der Wassermenge, an den Toten, am Sachschaden? Als vor drei Jahren halb Europa überflutet war, starben mehr als 220 Menschen, davon mindestens 188 in Deutschland. Schon deshalb hat sich die Flut vom Sommer 2021 als Jahrhundertkatastrophe in unser kollektives Gedächtnis gebrannt. Dass wir nun schon wieder von Starkregen und Hochwasser heimgesucht werden, betätigt jene mahnenden Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Protestgruppen, die stets eine Häufung solcher Katastrophen vorhersagten. Zudem vergrößert die sinkende Aufnahmefähigkeit der Böden im Krisenfall den Schaden.
Doch es gibt es weitere Zahlen, die nicht lügen. Eine ist die Teilnehmerzahl an den Demonstrationen für mehr Klimaschutz. In Deutschland erreichte sie ihren Höhepunkt vor gut fünf Jahren und damit, Achtung: VOR der Ahrtal-Katastrophe. Im Juli 2019 setzten rund 1,4 Millionen Menschen auf den Straßen von mehr als 500 deutschen Orten die Politik heftig unter Druck. Davon kann die „Fridays For Future“-Bewegung, die für diesen Freitag erneut zum Klimastreik aufruft, nur noch träumen - von der Teilnehmerzahl, erst recht aber vom politischen Einfluss.
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Zwar liegen die Grünen als „Klimaschutzpartei“ nur ein paar Prozentpunkte unter dem Ergebnis, mit dem sie im Flutjahr 2021 in die Regierung gewählt wurden, während sich die Werte von SPD und FDP halbiert haben. Doch allein, dass alle anderen Parteien das Klima als Nischenanliegen auf die Grünen ausgelagert haben, zeigt dessen Stellenwert. Zum Gewinnerthema taugt nicht mehr die Warnung vor dem KlimaWANDEL, sondern die vor dem KlimaSCHUTZ. Wer freut sich schon über Auflagen für Gebäude- und Heizungsbauer, über steigende Energie- und Benzinpreise?
Vogel-Strauß-Prinzip bringt mehr Wähler
Im Gegenteil: Während eine CDU-Kanzlerin Angela Merkel noch internationale Klima-Verpflichtungen einging und sich zumindest schämte, sie zu verfehlen, haben nicht nur Europas Konservative erkannt, dass sich mit dem Vogel-Strauß-Prinzip besser punkten lässt. Es bringt mehr Wähler, das Verbrenner-Aus, Umweltstandards und den Umbau der Wirtschaft zu stoppen, als den CO2-Ausstoß. Vor allem dominieren andere Themen, als hätte der Klimawandel keine Folgen für Sicherheit und Migration.
Die neue Klima-Gelassenheit der Wählerschaft ist sogar verständlich: Tatsächlich ist ja die Vorstellung abwegig, eine Bundesregierung könne die Jahrhundertfluten verringern. Und beim Weltklimagipfel lügen die gar nicht so vereinten Nationen einander Jahr für Jahr in die Tasche, während der globale CO2-Ausstoß munter steigt. Fakt ist, dass selbst die härteste - für den Verbraucher im Zweifel schmerzhafte - Klimapolitik die Erderwärmung nicht mehr stoppt oder gar umkehrt, sondern bestenfalls bremst.
Dazu noch eine Zahl: Die Experten vom Deutschen Wetterdienstes haben berechnet, wie sich der Klimawandel auf Starkregen-Ereignisse in Süddeutschland auswirken dürfte. Ihr Warnung: Statt im Mittel alle 42 Jahre drohe nun alle 30 Jahre eine krisenhafte Flut. Drei statt zwei Jahrhundertfluten in einem Menschenleben, das ist zwar beachtlich - löst aber keine Panik im Wahlvolk aus.
Unter dem Strich müssen wir uns deshalb mit zweierlei abfinden: Für die gemeinsame Prävention von Katastrophen, die sich so absehbar und damit so allmählich und zeitversetzt entfalten wie der Klimawandel, ist die Menschheit erstens nicht verfasst. Selbst westliche Demokratien werden immer stärker auf aktuelle Krisen reagieren als an die Enkelgeneration zu denken.
Die Weltgemeinschaft wird das fossile Zeitalter dennoch peu à peu hinter sich lassen, weil sich das als wirtschaftlich und gesundheitlich klüger erweisen wird. Sie wird dafür nur viel mehr Tote und Schäden hinnehmen als sie noch 2015 bei Verabschiedung des 1,5-Grad-Ziels bereit war.
Das heißt, dass wir uns, zweitens, auf Hitze, Dürren, Klimaflüchtlinge und eben auch Jahrhunderte voller Fluten vorbereiten müssen. So wie Städte in den letzten Jahrzehnten fürs Automobil gebaut wurden, müssen sie künftig für den Klimawandel gebaut werden. Denn das ist es, was aus Regen und Hochwasser wirklich Katastrophen macht: Siedlungen im Überflutungsgebiet, billigere Neubauten, betonierte Flächen, ausgetrocknete Moore und bewirtschaftete Wälder. Dem Klimawandel die Wucht zu nehmen, wird Anstrengung und Milliarden kosten, es wird schnelles Umdenken erfordern und unsere Städte und Dörfer genauso verändern wie der Klimaschutz. Je schneller wir das begreifen, desto besser.