Soll man in schwierigen Zeiten Karneval feiern? Trotz Krieg und abstrakter Terrorgefahr? Ja, soll man. Denn Angst und Pessimismus dürfen nicht unseren Alltag bestimmen. Ein Kommentar.
Wegen TerrorgefahrKarneval absagen? Das wäre ein Fehler


Jecken mit ihren Handys stehen am Rand des Rosenmontagsumzugs.
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Angst ist ein mächtiges Gefühl. Angst hält sich nicht an Fakten und interessiert sich nicht für Argumente. Angst kann eine zerstörerische Waffe werden, wenn sie tief in den Alltag kriecht, das Denken vergiftet, die Buntheit der Welt auf Schwarzweiß stellt und die Gesellschaft lähmt und spaltet.
Angst zu verbreiten unter Millionen Karnevalsfreunden - das ist genau das Ziel der abstrakten Anschlagsdrohungen, die Islamisten in den sozialen Medien verbreiten. Die freie Gesellschaft soll in Angst erstarren angesichts der schieren Möglichkeit eines weiteren Terroraktes nach den mörderischen Attacken in Magdeburg, Aschaffenburg oder zuletzt München.
Karneval stellt die Welt von Schwarzweiß auf Bunt
Soll man den Karneval, der auf seinen Höhepunkt zusteuert, deshalb also absagen? Soll man die Rosenmontagsumzüge streichen, die Kostüme und Kamelle im Schrank lassen? Das wäre ein Fehler. Denn Karneval ist das Gegenteil von Angst. Karneval stellt die Welt von Schwarzweiß auf Bunt.
Gewiss bietet die Weltlage Anlass, die Angemessenheit einer feuchtfröhlichen Massenparty zu hinterfragen. Gewiss ist zu bezweifeln, dass sich Donald Trump von fahrbaren Politcartoons aus Pappmaschee beeindrucken lässt. Und gewiss wird auch Wladimir Putin nicht erzittern, wenn er am Rosenmontag in Köln oder Mainz seiner selbst als überdimensionales Papp-Ekel ansichtig wird.
„Fasching ist etwas für die, für die Fasching etwas ist“
Als norddeutscher Faschingsabstinenzler steht man traditionell unter Spaßbremsenverdacht. Der Aphoristiker Wolfgang Reus hat das mal treffend formuliert: „Fasching ist etwas für die, für die Fasching etwas ist.“ Da kann man sich als Niedersachse hundertmal fragen, warum im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wochenlang 70-jährige Biene Majas und rotnasige Scherzkommandanten herumsitzen, die Witzen aus dem Holozän des Humors lauschen und starr ins Nichts blicken wie der Revolutionsrat der Schweizer Garden, festgefroren in Blitzeis.
Aber: Selbst Nichtkarnevalisten müssen anerkennen, dass der Straßenkarneval für jene, die ihn lieben, ein Segen ist. Inmitten einer multipel erschütterten Welt bietet die Massenparty Millionen Menschen die Chance auf wohltuende Ablenkung von der zermürbend komplexen Gegenwart. Und das bedeutet nicht, dass Karnevalisten an der Weltlage vorbeischunkeln. Es bedeutet nur, dass Angst und Pessimismus nicht den Alltag beherrschen.
Der Terror steckt dem Land noch in den Knochen
Gewiss wird mancher Jeck argwöhnisch auf sich nähernde Autos blicken. Der jüngste Terror steckt dem Land in den Knochen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.
Ratsam wird sein, wachsam zu bleiben. Und gewiss ist es klug, in Zeiten eines blutigen Krieges 2500 Kilometer östlich von Deutschland auf allzu martialische Kostüme mit Patronengurten und Spielzeugwaffen zu verzichten. Es wird dem Rheinländer an sich jedoch in den meisten Fällen gelingen, das richtige Fingerspitzengefühl aufzubringen, denn das sind zwei der hervorstechendsten Merkmale dieses fröhlichen Menschenschlags: Empathie und Menschlichkeit.
„FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“
„FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“ lautet das hippieske Motto des Kölner Karnevals, das auch mit dem Wort „LOVE“ spielt. Auf Hochdeutsch übersetzt: „Karneval(szeit) - Wenn Träume wieder blühen“. Es können auch Träume von Frieden und Zuversicht sein, die da wieder blühen.
Die Polizei meldet, dass ihr zwar abstrakte Drohungen, aber keine konkreten Anschlagspläne bekannt seien. Die umfangreichen Sicherheitskonzepte würden noch einmal angepasst. Das Bundeskriminalamt registriert eine „Zunahme von Desinformationskampagnen“ im Umfeld des Karnevals mit dem Ziel, das „subjektive Sicherheitsgefühl“ zu beeinträchtigen. Deshalb aber den ganzen Spaß absagen? Diesen Gefallen sollten wir den Feinden der Freiheit nicht tun.