Im Nationalpark Eifel laufen die Vorbereitungen für ein Projekt zur Ansiedlung der vom Aussterben bedrohten Flussperlmuschel.
Nationalpark-ProjektWie sich die Flussperlmuschel in der Eifel wieder wohlfühlen soll
Ein Lastwagen mit Saugbagger, den man eher auf einer Großbaustelle vermutet als auf einem Wanderweg mitten in einem Naturschutzgebiet. Arbeiter, die eine Rohr- und Schlauchleitung über eine Wiese zum Fuhrtsbach verlegen. Und dann durch eben jene Schlauchleitung ein Kies-Gemisch in den Bach einleiten. Wird hier etwa Bauschutt entsorgt? Mitten in einem idyllischen Bachtal im Nationalpark Eifel, das im Frühjahr für seine üppige Narzissenblüte bekannt ist?
Die Sorge ist unbegründet, denn was hier in den ansonsten stillen Tälern von Fuhrts- und Perlenbach zwischen Höfen und der belgischen Grenze geschieht, soll dazu beitragen, eine vom Aussterben bedrohte Tierart zu retten. Die Rede ist von der Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera), die nicht nur in Deutschland, sondern europaweit bedroht ist.
Im Perlenbach bei Monschau befindet sich derzeit das letzte Vorkommen in NRW: Vor 200 Jahren zählte alleine dieser Bach in der Eifel noch etwa 50.000 der versteckt im Wasser lebenden Weichtiere – 1980 konnten nur noch 700 Flussperlmuscheln gefunden werden, Tendenz: sinkend. Durch die Wiederherstellung natürlicher Bachläufe und Gewässerstrukturen sollen Nachzuchten der Flussperlmuschel im Fuhrtsbach und Perlenbach nun eine neue Chance bekommen.
Bundesumweltministerium fördert Muschelprojekt im Nationalpark Eifel
Im Rahmen des Bundesprojekts MARA (Margaritifera Restoration Alliance) beteiligt sich der Nationalpark Eifel unter Federführung der Biologischen Station der Städteregion Aachen und gemeinsam mit der Stadt Monschau, dem Wasserwerk Perlenbach und weiteren Verbündeten am Muschelschutz: Nach der erfolgreichen, halb-natürlichen Nachzucht soll sich die Muschel in Eifeler Bächen zukünftig wieder wohlfühlen. Finanziell gefördert wird das Projekt vom Bundesumweltministerium.
„Wir begrüßen dieses einzigartige Projekt der Biologischen Station der Städteregion Aachen sehr und unterstützen die lebensraumverbessernden Maßnahmen für die Flussperlmuschel in der Pflegezone des Nationalparks. Dies ist eine Chance für den Erhalt der letzten Vorkommen der Flussperlmuschel in NRW“, sagt Nationalpark-Leiter Michael Lammertz. Wie schon bei dem Life+-Projekt „Wald-Wasser-Wildnis“ profitierten Natur und Mensch von der erfolgreichen Kooperation zwischen Nationalparkverwaltung und Biologischer Station, freut sich Michael Lammertz.
Bevor die Nachzuchten der Flussperlmuschel allerdings im Nationalpark Eifel in die Freiheit entlassen werden können, wurden zunächst Aktionen zur Verbesserung der Gewässerstruktur durchgeführt: Im Fuhrtsbach nahe Höfen, einem Zufluss des Perlenbachs im Süden des Nationalparks, wurden im Sommer 2024 stellenweise zunächst kleinere Stämme von Erle und Esche als Strömungslenker eingebracht und fixiert. Sie lenken die Strömung, dienen als Auffang für den Kies und unterstützen dadurch langfristig eine naturnahe Entwicklung des Bachs, heißt es vom Nationalpark.
Kies-Lieferung wird bis Ende 2025 noch mehrmals wiederholt
In einem zweiten Schritt folgte nun an insgesamt fünf Stellen der tonnenweise Eintrag von standortgerechtem Kies, der sich im Bach verteilen wird. Dank eines Saugbaggers, der nur die vorhandenen Wege nutzt, konnte der Kies über Schläuche besonders schonend in den Bach geleitet werden. „Dieses Verfahren wird bis Ende des kommenden Jahres noch mehrmals wiederholt und ist zum Schutz der Flussperlmuschel deutschlandweit einzigartig“, informiert die Nationalpark-Pressestelle.
Das Substrat ist essenziell für den Aufwuchs der jungen Muscheln – es bietet später auch den größeren Exemplaren einen Rückzugsraum bei Hochwasser oder Trockenheit. Außerdem profitieren viele andere Arten, wie beispielsweise die Bachforelle, von dieser Maßnahme: Weil sich die mikroskopisch kleinen Muschellarven nur in den Kiemen der Bachforelle entwickeln, kommt diesen Fischen als „Zwischenwirt“ eine besondere Bedeutung beim Vorkommen der Flussperlmuschel zu.
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass eine verringerte Strömungsgeschwindigkeit in den Bächen und die Schaffung von Nebengerinnen einen höheren Wasserrückhalt zur Folge hat – schließlich benötigt das Wasser länger, um die Perlenbachtalsperre zu erreichen. „Das vermindert den Eintrag von Sediment in die Talsperre, der das Stauvolumen reduzieren würde“, so der Nationalpark weiter.
Doch bis tatsächlich die ersten Flussperlmuscheln an Fuhrts- und Perlenbach ausgewildert werden, dauert es noch eine ganze Weile: Zunächst müssen sich die neuen Lebensräume erst entwickeln. „Mitte des Jahres 2027“, so teilt der Nationalpark Eifel mit, könnten die ersten Exemplare ihre neuen Habitate beziehen.
Muschel-Ansiedlung erst im Jahr 2027
Die begehrte Flussperle ernteten Eifeler Perlenfischer jahrhundertelang im Perlenbach. Ihr Produzent ist die Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera. Das halb im Boden eingegrabene Weichtier benötigt saubere, klare und kalkarme Gewässer, wie sie die beiden Bäche im Nationalpark Eifel auch heute noch bieten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bedeckten die knapp 15 Zentimeter großen Muscheln in guten Beständen den Boden des Perlenbaches.
Im Inneren der Muscheln benötigten Perlen zwischen 20 und 25 Jahren, um gerade einmal vier Millimeter groß zu werden. Flussperlen von über 20 Millimeter wurden nur von Muscheln produziert, die 250 Jahre und älter wurden. Perlen dieser Größe waren deshalb extrem selten und wertvoll. Die Maßnahmen sind so angelegt, dass bis zum Ende des Projektes Mitte 2027 erste neue Lebensräume für die Flussperlmuschel zur Auswilderung entstehen werden.
Wandertipp: 10-km-Tour im Fuhrtsbachtal bei Monschau-Höfen
„Man sagt, dass es im Monschauer Land nur wenige Täler gibt, die auf Naturliebhaber zu jeder Jahreszeit eine so große Faszination ausüben wie das Fuhrtsbachtal. Viele bedrohte Pflanzen-, Tier- und Insektenarten sind hier zu finden“, so die Experten der Monschauer Tourist-Info. Das Fuhrtsbachtal zählt zu den Zwischenmooren, die sich durch einen ständig hohen und nur leicht schwankenden Wasserstand auszeichnen. Hier finden sich Moorbirken, Schwarzerlen und Ohrweiden.
Die zehn Kilometer lange Rundwanderung (Wanderung Nr. 61, „Unterwegs in Höfen“) ist mittelschwer und führt durch Wälder bis ins Fuhrtsbachtal und zurück. Start und Ziel ist am Wanderparkplatz Rothe Kreuz direkt am Höfener Wald an der B258.
Ausführliche Touren-Infos gibt es in den gängigen Outdoor-Apps sowie auf der Internetseite der Eifel Tourismus GmbH.