Der umstrittene IOC-Präsident Thomas Bach beweist mit der Ankündigung, nicht für eine weitere Amtszeit ab 2025 anzutreten, Gespür für den Moment.
Olympia 2024Rauschende Pariser Wochen werden in Thomas Bachs Vermächtnis eingehen
Thomas Bach hat es über Jahrzehnte nicht nur geschafft, in seinem Sinne die Strippen der globalen Sportpolitik zu ziehen. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees hatte immer auch ein besonderes Gespür für den Moment. Und dieses Gespür hat er mit seiner Ankündigung, nicht noch mal für eine neue Amtszeit ab 2025 anzutreten, einmal mehr bewiesen. Da halfen auch die flehentlich vorgetragenen Bittgesuche seiner Fans aus dem auf ihn zugeschnittenen IOC nicht.
Einige Gründe hat Bach, mittlerweile 70 Jahre alt, in seiner Erklärung gleich mitgeliefert. Er verwies auf den digitalen Wandel, für dessen Umsetzung im Weltsport er sich nicht mehr befähigt fühlt. Klar ist aber auch, dass die Olympische Bewegung in dieser Hinsicht vor großen Herausforderungen steht. Und insbesondere Bach zögerte lange, als bereits vor einigen Jahren darüber diskutiert wurde, ob E-Sport nicht ins olympische Programm gehöre. Mittlerweile wird über Olympische E-Sport-Spiele nachgedacht.
Olympische Bewegung steht vor großen Herausforderungen
Diese mit dem olympischen Gedanken zusammenzubringen, überlässt der Tauberbischofsheimer jedoch gern seiner Nachfolge. Bach, dem knallhart kalkulierenden Visionär, wird klar sein, dass die Kraft der Ringe nicht reicht, um jüngere Generationen, für die das Virtuelle längst Lebensrealität ist, noch zu erreichen. Viele echte Sportarten und Disziplinen haben somit ein Attraktivitätsproblem. Praktisch ausgedrückt: Niemand muss mehr einen Marathon ansehen. Dafür gibt es viel schneller zu konsumierende Alternativen. Das klassische Olympia könnte in den nächsten zwei Jahrzehnten massiv an Reichweite verlieren, wenn der Sport nicht ans moderne Konsumverhalten angepasst wird.
Bach weiß aber auch, dass es keinen besseren Zeitpunkt geben kann, als mit den Sommerspielen von Paris im Rücken abzutreten. Die rauschenden Sommerwochen in der französischen Hauptstadt werden in sein Vermächtnis eingehen, auch wenn für die Organisation die Franzosen zuständig waren. Bach war es, der unter massivem öffentlichem Druck am Anfang seiner Präsidentschaft die Reformen angestoßen hat, die nun erstmals in Paris umgesetzt wurden und die Olympia nachhaltiger werden lassen.
Geld- und Umweltvernichtungsspektakel wie in Sotschi oder Peking sind zunächst Vergangenheit. Bach, der zynische Taktiker, kann darauf verweisen, dass er bei der Vergabe der Spiele an diese Städte noch nicht Chef war. Dass er sich – als bereits langjähriges und mächtiges IOC-Mitglied – im Vergabeprozess nicht als Gegner von Spielen in diesen autoritär geführten Staaten präsentiert hat, steht auf einem anderen Blatt.
Thomas Bach wurde zu große Nähe zu Diktatoren vorgeworfen
Mit der Ankündigung seines Rückzugs, der – nicht zu vergessen – genau zu diesem Zeitpunkt nach zwei Amtszeiten von der Olympischen Charta vorgesehen ist, macht Bach es nun nicht wie die immer weiter regierenden, verfemten Mächtigen, zu denen ihm eine allzu große Nähe vorgeworfen wurde.
Denn auch das gehört zu seinem Vermächtnis: Sein lange allzu vertrauter Umgang mit Wladimir Putin, die mangelnde Aufarbeitung des russischen Staatsdopingskandals, die Nähe zu Chinas Staatsführung, sowie sein peinliches Heranschmeißen an Nordkoreas Diktator Kim Jong-un sind dicke Flecken auf der an Flecken nicht armen Weste des IOC-Bosses. Bach hat zugelassen, dass sich das globale Böse über den Glanz der Olympischen Ringe innenpolitisch stärken und außenpolitisch inszenieren konnte.
So wird der Deutsche im höchsten Amt des Weltsports zwiespältige Gefühle hinterlassen: Einerseits hat er die Olympischen Spiele durch eine schwierige Phase geführt und neu aufgestellt, andererseits war er ein eiskalter Machtpolitiker, dessen Bewusstsein der eigenen globalen Wichtigkeit zu oft den Falschen in die Hände gespielt und somit dem Sport geschadet hat.