AboAbonnieren

„Etwas Eigenartiges passiert“Eis in der Antarktis geht drastisch zurück – Forscher rätseln über Ursache

Lesezeit 3 Minuten
Ein Eisberg treibt im südlichen Ozean unweit der Antarktis im Ozean. Um ihn herum sind Wellen zu sehen, der Eisberg schimmert bläulich.

Ein Eisberg in der Antarktis treibt im Ozean. Wissenschaftler haben in den vergangenen Wochen einen besorgniserregenden Rückgang der Eisfläche am Südpol festgestellt.

Ein Satellit zeichnet täglich die Eismassen der Antarktis auf. Die neuesten Daten sind extrem beunruhigend.

Ein drastischer Rückgang der Eismasse in der Antarktis beunruhigt Forscher weltweit. Aktuelle Daten aus den vergangenen Wochen zeigen, dass die Eisfläche am Südpol einen historischen Tiefpunkt erreicht hat. Wissenschaftler sprechen von einer „eigenartigen Anomalie“, die nicht nur durch die globale Erderwärmung zu erklären sei. Die Folgen für die Weltmeere könnten dramatisch sein.

„Jeder sollte beunruhigt sein“, erklärt der Wissenschaftler Dr. Will Hobbs, Experte für Meereseis, der britischen Zeitung „The Guardian“. Die derzeitigen Messwerte würde alle Annahmen, die über die Antarktis gesammelt wurden, auf den Kopf stellen. Statt prognostizierten 16,4 Millionen Quadratkilometern Eis gebe es derzeit nur 14,1 Millionen.

Antarktis: Eis geht drastisch zurück – Forscher rätseln über Ursache

Tiefstwerte bei der Eismasse der Antarktis sind nicht völlig neu, erst im vergangenen Jahr hatten Forscher an der südlichen Polkappe neue Negativrekorde bei der Eismasse im Sommer registriert. „Etwas sehr Eigenartiges passiert gerade“, erklärt auch Wissenschaftler Dr. Walt Meier von der University of Colorado dem „Guardian“. Die Werte seien deutlich unter jeglichen Prognosen und Aufzeichnungen, die seit den 1970er-Jahren aufgezeichnet wurden.

Seit 1979 wird die Eisfläche der Antarktis mithilfe eines Satelliten täglich überprüft, die Abweichungen von der erwarteten Eismasse sind dabei seit Juli so groß wie noch nie zwischen 1979 und 2022. Zuletzt hatte es eine ähnlich große Abweichung im Jahr 2016 und 2017 gegeben, allerdings im Dezember. Meier: „Das ist wirklich bemerkenswert. Es gibt Momente, in denen wir auf die Daten schauen und sagen: ‚Wow, das ist seltsam.‘“

Eis-Rückgang in der Antarktis: Folgen könnten dramatisch sein – Wissenschaftler „wirklich beunruhigt“

Die Forscher sind unsicher, welche Ursachen der drastische Rückgang hat. Während der Rückgang bei Treibeis, das sich um die Antarktis bewegt, aufgrund des Klimawandels nahezu entlang der berechneten Modelle verläuft, entwickelt sich die Lage beim deutlich dickeren Meereis dramatischer als angenommen. „Es ist unklar, wie viel Einfluss die Natur und wie viel Einfluss der Mensch darauf hat“, erklärt Meier weiter.

Das Eis der Antarktis sei zahlreichen Einflüssen wie Wind, Lufttemperaturen, Stürmen oder der Temperatur der Ozeane ausgesetzt. Dadurch sei es schwierig herauszufinden, wo die Ursache für den plötzlichen Rückgang liegt. „Wir wissen nur, dass gerade etwas Großes passiert, das mit dem anhaltenden Rückgang seit 2016 zusammenhängt“, erklärt Dr. Andrew Meijers vom British Antarctic Survey.

Drastischer Eis-Rückgang in der Antarktis – Deutscher Forscher stellt Theorie auf

Eine Theorie stammt vom Alfred-Wegener-Institut in München. Der Forscher Alexander Haumann vermutet, dass sich in den vergangenen Jahren die kühlere Wasserschicht an der Meeresoberfläche mit der wärmeren und deutlich salzhaltigeren Wasserschicht darunter vermischt hat. Dadurch sei es deutlich schwieriger, dass sich neues Eis bilde. Gesichert ist diese These aber nicht.

Ein Rückgang der Eisfläche in der Antarktis könnte drastische Folgen für die Weltmeere haben. Sie würden sich schneller erwärmen, der Meeresspiegel würde weiter steigen. Dr. Hobbs, der täglich die Daten des Satelliten überprüft, sagt: „Ich bin wirklich beunruhigt. Auch wenn es derzeit unwahrscheinlich ist: Wenn das der Beginn des Zusammenbruchs eines Systems ist, dann sind sehr viele Menschen betroffen. Wir als Wissenschaftler haben die Verantwortung, das nicht zu vermasseln.“ (shh)