Der BR veröffentlicht ein Video vom Auftritt einer jungen Afghanin in Aschaffenburg bei einer Gedenkfeier. Es verbreitet sich schnell.
Erschütterte Reaktionen„Herzzerreißend“ – Junge Afghanin in Aschaffenburg erregt Aufmerksamkeit
Bei einer Gedenkfeier nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg ist die zwölfjährige Fatima vergangene Woche spontan auf die Bühne gegangen – nun verbreitet sich ein Ausschnitt des Auftritts in den sozialen Netzwerken. Ein 28-jähriger Afghane hatte zuvor Ende Januar in einem Park in Aschaffenburg einen zweijährigen Jungen und einen Mann getötet. Deutschlandweit hatte die Tat für Entsetzen gesorgt – und eine erneute, intensiv geführte Migrationsdebatte ausgelöst.
Bei Fatima löste die Stimmungslage nach der Attacke offenbar das Bedürfnis aus, um Entschuldigung zu bitten. „Ich entschuldige mich bei der Mutter des Kindes“, erklärte die sichtbar aufgewühlte Zwölfjährige auf der Bühne. „Du musst dich nicht entschuldigen, du kannst nichts dafür“, entgegnete die Moderatorin.
Mädchen weint auf Bühne in Aschaffenburg: „Menschen denken, dass ich böse bin“
„Aber Menschen denken, weil ich ein Afghane bin, dass ich böse bin“, lautete Fatimas Antwort, dann brach das Mädchen in Tränen aus. Das Publikum in Aschaffenburg reagierte mit „Nein“-Rufen und Applaus auf den emotionalen Auftritt. „Kein einziger Mensch hier ist böse auf dich“, gab es auch auf der Bühne noch einmal Unterstützung aus dem Organisationsteam.
Die Aufnahme vom Auftritt der Zwölfjährigen, die der Bayerische Rundfunk (BR) am Montag auf Instagram gepostet hatte, verbreitete sich schnell in den sozialen Netzwerken – und hatte mitunter erschütterte Reaktionen zufolge. „Wo sind wir abgebogen, dass Kinder in der Öffentlichkeit versuchen, ihre Herkunft zu entschuldigen“, fragte eine Nutzerin bei Instagram und bekam dafür viel Zuspruch.
Erschütterte Reaktionen: „Das ist beschämend für uns als Gesellschaft“
„Das ist beschämend für uns als Gesellschaft“, kommentierte auch der während der Corona-Pandemie öffentlich bekannt gewordene Arzt Cihan Çelik, der den Ausschnitt auf der Plattform X weiterverbreitet hatte.
„Herzzerreißend“ und „furchtbar“, sei der Auftritt der Zwölfjährigen, schrieb die ehemalige Linken-Chefin Janine Wissler. „Sagt viel über die Stimmung, die gerade geschürt wird“, fügte sie an. Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kommentierte das Video: „Es gibt viele, die genauso empfinden wie dieses Mädchen. Hört endlich auf mit dem Verallgemeinern.“
Afghanen in Deutschland fürchten „traurige Konsequenzen“
Der örtliche afghanische Kulturverein in Aschaffenburg teilt unterdessen die Sorgen des Mädchens. „Man weiß schon: Wenn die Nationalität einmal in den Medien genannt wird, hat das traurige Konsequenzen“, zitierte der BR Jossef Naserie, Vorstand von „Mahdia“, dem „Deutsch-afghanisch ‚schiitischen‘ Kulturverein“ in Aschaffenburg. Viele würden die Tat auf eine ganze Nation beziehen.
Am Freitag hatte der Verein einen großen Kranz zum Gedenken der Opfer am Tatort niedergelegt. „Ich musste so sehr weinen, ich habe Gänsehaut bekommen. Ich stand dort für den getöteten Jungen und den Mann“, sagte Naserie.
Zwölfjährige Fatima: „Ich fühle mich jetzt besser“
Auch die afghanische Community in Deutschland wandte sich nach der Messerattacke in Aschaffenburg an die Öffentlichkeit. „Wir hoffen, dass die Errungenschaften der afghanischen Migrantengemeinschaft in Deutschland nicht durch das kriminelle Verhalten eines Einzelnen oder einiger weniger Personen in den Hintergrund gedrängt werden“, hießt es darin. Der Aschaffenburger Verein unterstützt den Aufruf.
Die zwölfjährige Fatima, die seit drei Jahren mit ihrer Familie in Deutschland lebt und die fünfte Klasse einer Mittelschule besucht, äußerte sich unterdessen noch einmal im BR nach ihrem Auftritt zu ihrer Entschuldigung auf der Bühne.
„Ich war ja noch nie auf einer Bühne … Aber ich musste das sagen“, erklärte das Mädchen. „Weil, wenn ich es nicht gesagt hätte, dann hätten meine Mitschüler oder manche Menschen immer noch mit mir so komisch geredet oder gar nicht mit mir geredet – ignoriert halt“, führte sie aus. „Und ich habe das jetzt gesagt, und manche denken auch nicht so, wie ich dachte“, fügte sie an. „Ich fühle mich jetzt besser.“ (das)