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„Nur ein sehr kleines Zeitfenster“Taucher hoffen auf Luftloch in gesunkener Luxusjacht – Video zeigt rasanten Untergang

Lesezeit 4 Minuten
Ein Team der italienischen Feuerwehr an der Unglücksstelle vor der Stadt Porticello. Die Hoffnungen, noch Überlebende in der gesunkenen Luxusjacht „Bayesian“ zu finden, schwinden.

Ein Team der italienischen Feuerwehr an der Unglücksstelle vor der Stadt Porticello. Die Hoffnungen, noch Überlebende in der gesunkenen Luxusjacht „Bayesian“ zu finden, schwinden.

Ein erster Tauchgang der aus Rom und Sardinien angereisten Spezialisten verlief nach Angaben der Feuerwehr ergebnislos.

Taucher haben am Dienstag die Suche nach den sechs vermissten Insassen einer vor Sizilien gesunkenen Luxusjacht fortgesetzt. Im Einsatz an der in 50 Metern Tiefe am Meeresgrund liegenden Jacht sind Spezialisten der Feuerwehr, die für Tauchgänge auf beengtem Raum ausgebildet sind. Ein erster Tauchgang der aus Rom und Sardinien angereisten Spezialisten verlief nach Angaben der Feuerwehr ergebnislos, weil Möbelstücke den Zugang zum Inneren der Jacht versperrten.

Die mit zehn Besatzungsmitgliedern und zwölf Passagieren besetzte 56 Meter lange Luxusjacht „Bayesian“ war in der Nacht zum Montag in der Nähe von Porticello vor der Küste Siziliens in einem Sturm gesunken. Ursache war eine Wasserhose, eine Art Tornado über dem Meer. 15 Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Eine Leiche wurde geborgen, sechs weitere Insassen des Schiffs werden vermisst. Bei dem Toten handelt es sich Medienberichten zufolge um den Koch.

Jacht-Unglück vor Sizilien: Schwierige Suche nach Überlebenden

Bei der Suche nach den Vermissten ist wegen der Tiefe, in der das gesunkene Schiff liegt, jeder Tauchgang auf zwölf Minuten begrenzt, wie Feuerwehrsprecher Luca Cari berichtete. Zwei Minuten davon sind für das Auf- und Abtauchen vorgesehen. Mehrere der jetzt beteiligten Spezialisten waren nach den Worten von Marco Tilotta vom Tauchteam der Feuerwehr von Palermo bereits am Wrack des Kreuzfahrschiffs „Costa Concordia“ im Einsatz, das 2012 vor der Küste der Toskana gesunken war. Damals waren 32 Menschen ums Leben gekommen.

Die Bemühungen konzentrieren sich laut Tilotta darauf, in die Wohn- und Schlafräume der auf der Seite liegenden Jacht vorzustoßen. „Die Räume im Inneren eines Boots sind sehr beengt“, schilderte Feuerwehrsprecher Cari. „Wenn man auf ein Hindernis stößt, ist es sehr schwierig zu umgehen, genauso schwer ist es, Alternativrouten zu finden.“

Nur noch wenig Hoffnung: „Sie haben nur ein sehr kleines Zeitfenster“

Die Hoffnungen noch Überlebende sind gering, auch wenn es noch eine Restchance gibt, wie der Ingenieur Nick Sloane, der an der Bergung der Costa Concordia beteiligt war, gegenüber „Sky News“ erklärte. „Sie haben nur ein sehr kleines Zeitfenster, um zu versuchen, die Menschen zu finden, die im Inneren des Schiffes festsitzen und hoffentlich ein Luftloch haben, aus dem sie gerettet werden können“, erklärte Sloane. „Man hat maximal zwei bis drei Tage Zeit, um zu versuchen, jemanden herauszuholen.“

Mittlerweile ist unterdessen ein Video aus einer Überwachungskamera aufgetaucht, das belegt, dass die Luxusjacht in kürzester Zeit gesunken ist. Der Besitzer einer Villa in der Gegend hatte zuvor die Aufnahmen seiner Kameras überprüft. „In nur sechzig Sekunden kann man das Schiff verschwinden sehen. Von den etwa zwanzig im Haus installierten Kameras wurde nur eine durch Wind und Regen nicht gestört. Man kann deutlich sehen, was passiert. Es gab nichts, was man für das Boot tun konnte. Es verschwand in kürzester Zeit“, zitierte das „Giornale Di Sicilia“ den Mann.

„In nur sechzig Sekunden kann man das Schiff verschwinden sehen“

An der Rettungsaktion unmittelbar nach dem Unglück war auch der Hamburger Kapitän Karsten Börmer beteiligt, dessen Jacht mit sieben deutschen Gästen nahe Palermo vor Anker lag. „Ich habe gesehen, wie die ‚Bayesian‘ mit ihrem 75 Meter hohen Mast unter dem Sturm zuerst umkippte und dann sank“, berichtete der 69-Jährige im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Szene war schrecklich.“ Nachdem die 15 Überlebenden an Bord seines Schiffes gegangen seien, sei die Suche nach den weiteren Passagieren der „Bayesian“ fortgesetzt worden, sagte Börmer. „Leider vergebens.“

Zu den Vermissten zählen der als „britischer Bill Gates“ bekannte Technologieunternehmer Mike Lynch und dessen 18-jährige Tochter Hannah. Auch ein hochrangiger Manager des Bankhauses Morgan Stanley International, Jonathan Bloomer, und dessen Frau Judy waren dem Versicherungsunternehmen Hiscox zufolge an Bord und werden vermisst. Lynchs Ehefrau Angela Bacares ist dagegen unter den 15 Geretteten, sie kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus.

„Bayesian“ verfügte über höchsten Aluminium-Segelschiffmast der Welt

Italienischen Medienberichten zufolge waren die Passagiere Gäste von Lynch. Der Unternehmer hatte demnach auf der Jacht seinen Freispruch im Prozess um einen Milliardenbetrug gefeiert. Lynch war im Juni in den USA von Betrugsvorwürfen um den Verkauf seiner Software-Firma Autonomy an Hewlett-Packard freigesprochen worden. Ihm war vorgeworfen worden, Akten gefälscht und den Umsatz seines Unternehmens falsch angegeben zu haben. Die „Sunday Times“ schätzte das Vermögen des ehemaligen Regierungsberaters auf rund 587 Millionen Euro.

Die „Bayesian“ wurde 2008 in der Toskana gebaut und 2020 überholt. Laut der Website „Charter World“ verfügte sie über den mit 75 Metern höchsten Aluminium-Segelschiffmast der Welt. Berichten zufolge gehört die „Bayesian“ Lynchs Familie und ist nach dem Satz von Bayes benannt, einem mathematischen Satz aus der Wahrscheinlichkeitstheorie. (das/afp)