Der CDU-Generalsekretär findet, Marie-Agnes Strack-Zimmermanns Rede habe nichts mit Karneval zu tun. Doch Mario Czaja irrt sich.
Strack-Zimmermann gegen Merz Die stärkste Karnevalsrede, die aus Düsseldorf seit langem gekommen ist
Was macht der Hund, wenn er glaubt, dass sein Herrchen angegriffen wird? Richtig, er bellt. Genau das macht CDU-Generalsekretär Mario Cjzaja nach der Rede von Agnes Strack-Zimmermann bei der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ in Aachen. Weil sein Boss, der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Teil ihres zugegeben kernigen Vortrags war, fordert er jetzt eine Entschuldigung der FDP-Politikerin. Czaja spricht von einem „bizarren Auftritt“, und sagt weiter: „Eine solche Peinlichkeit hat mit Karneval nichts zu tun.“ Dä!
Vielleicht sollte der in Ostberlin geborene Preuße sich mal locker machen. Wer in derselben Stadt aufgewachsen ist wie der Komiker Mario Barth, sollte wissen, was deftiger Humor ist. Und vom Poltern versteht ein Politik-Profi, der Geschäftsführer einer Volkspartei wird, ohnehin einiges. Wenn er jetzt noch über den Tellerrand schaut, wird er erkennen, dass die als böse Märchenkönigin gestylte Düsseldorferin sich in bester Karnevalstradition präsentierte.
Agnes Strack-Zimmermann schießt gegen Friedrich Merz: Erinnerungen an das „Rumpelstilzchen“ werden wach
Von der Art des Vortrags gibt es ja keine genaue Vorgabe, wie so eine Büttenrede auszusehen hat. Und der Grad der Bösartigkeit ist eine Frage dessen, wie weit der Redner/die Rednerin gehen will. Agnes Strack-Zimmermann will auf jeden Fall, als FDP-Lobbyistin nimmt sie deshalb kein Blatt vor den Mund. Im organisierten Karneval sind solche Reden oft weniger böse, aber in der alternativen Stunksitzung etwa wäre der niederträchtig-humorvolle Ton jederzeit vorstellbar.
Die „Zwergenschar, die toxisch Männlichkeit gebar“, über die die Märchenkönigin herzieht – von Putin über Orban bis hin zum FDP-Kollegen Lindner oder eben Merz – sind Teil jeder politischen Rede. Dass der „Flugzwerg aus dem Mittelstand“ als „alter, weißer Mann, der glaubt, dass er es besser kann“, da besonders sein Fett wegkriegt, ist naheliegend.
Agnes Strack-Zimmermann: Outfit und Ton passen perfekt zum Image der Verteidigungsexpertin
Inspiriert hat Strack-Zimmermann offensichtlich der im vergangenen Jahr verstorbene Kölner Büttenredner Fritz Schopps, der viele Jahre lang in seiner Reimrede als „Rumpelstilzchen“ Geschichten aus dem Märchenwald vorgetragen und dabei so manchen Politiker oder manche Politikerin auf die Schippe genommen hatte. Zudem passen Outfit und Ton perfekt zum Image der Verteidigungsexpertin. Strack-Zimmermann nutzt karnevalistische Elemente, um als Narr dem vermeintlich Allwissenden Merz, aber auch diversen Kollegen den Spiegel vorzuhalten.
Dass sie dabei auch selbstironisch unterwegs ist, spricht für die humorige Qualität ihrer Rede: „Von Kopf bis Fuß ganz formidabel, ohne Zweifel ministrabel, in jeder Talkshow ein Gewinn, weil ich die Allergeilste bin.“ Sie liefert die stärkste politische Karnevalsrede, die aus Düsseldorf seit langem gekommen ist. Kein Wunder also, dass sich etwa Ministerpräsident Hendrik Wüst durchaus amüsiert zeigte.
Strack-Zimmermann formuliert radikal, weil sie gehört werden will. Sätze über Merz wie „Wer vor Krieg geflohen ist, verhöhnt er als Sozialtourist“ oder „Doch treibt’s ein Nazi-Prinz zu wild, dann wird der Flugzwerg plötzlich mild“ kulminieren in der Analyse: „Grad die, die christlich sich wähnen, sollten sich für ihn was schämen.“ Das sitzt, ist witzig, und bekommt große Aufmerksamkeit, denn sonst würden wir nicht darüber schreiben.
Dafür haben die Aachener sie geholt, denn eines ist allen Beteiligten gemein: Sie wollen genau diese Aufmerksamkeit. So gesehen dürfte auch Friedrich Merz zufrieden sein. Denn welcher Politiker ist unwichtiger als der, über den nicht mehr gelästert wird.