Deniz NakiDrogenhandel, Erpressung – Das wird dem Ex-Profifußballer vorgeworfen
- Am Freitag beginnt vor dem Aachener Landgericht der Prozess gegen Deniz Naki.
- Dabei geht es um die Bildung einer kriminellen Vereinigung, bandenmäßigen Drogenhandel, Körperverletzung und gewerbsmäßige Erpressung.
- Die Hintergründe
Aachen – Am frühen Morgen scheint Deniz Naki bereits in Hochform zu sein. Euphorisch erzählt der 31-jährige Ex-Fußballprofi an jenem 23. April 2020 kurz vor vier Uhr einem Bekannten im Auto, wie seine kurdische Bahoz-Bande die rheinische Unterwelt erobern will: Um einen Krieg anzufangen, müsse man radikal kämpfen, tönt der ehemalige U21-Nationalspieler mit kurdischen Wurzeln. Stelle sich einzig die Frage nach den Angriffszielen.
„Wenn das klappt …dann kommen die alle zu uns – aber wir sind schon stark... die wissen schon einmal, dass wir die kurdische Fraktion in NRW sind.“ Sicher hätte der zeitweilige, mutmaßliche Boss einer zwölfköpfigen rockerähnlichen Gang nicht so freimütig seine Pläne geschildert, hätte er gewusst, dass die Polizei den Wagen verwanzt hatte und seinen Worten mit Interesse lauschte.
Dass es sich nicht um harmlose Prahlereien handelte, beweist der Prozess gegen den inzwischen inhaftierten Naki und drei weitere führende Mitglieder der Bahoz-Truppe, der am Freitag vor dem Aachener Landgericht beginnt. Dabei geht es um Bildung einer kriminellen Vereinigung, bandenmäßiger Drogenhandel, Körperverletzung und gewerbsmäßige Erpressung. Hinter den Vorwürfen verbergen sich Schießereien, Bandenkriege mit Rivalen aus dem Rockermilieu mithin auch Bezüge zur PKK. Bahoz steht für Sturm. Die Gangs hierzulande gelten als kriminelle Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei und als Gegenstück zur türkischen Osmanen Germania.
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Neben Naki steht vor allem eine Person im Vordergrund der Aachener Ankläger: Hüseyin Ö., Kampfname Zagros. Er soll der eigentliche Kopf der Bande gewesen sein. So soll der 43-jährige Angeklagte bei seinen Landsleuten in der Vergangenheit Spenden für die PKK erpresst haben. Der im kurdischen Ostanatolien geborene Zagros kämpfte in den 90er Jahren in einer PKK-Einheit in den Bergen. 2001 flüchtete er nach Deutschland.
Wie es scheint, agitierte der einstige Freischärler in Deutschland weiterhin für die PKK. 2003 in Köln wegen Mordes verurteilt, gründete der mehrfache Familienvater bereits 14 Jahre später aus dem offenen Vollzug in Euskirchen heraus eine neue kriminelle Gruppierung unter dem Bahoz-Kürzel.
Deniz Naki spielte bei St. Pauli und dem SC Paderborn
Zu seinem engsten Vertrauten avancierte das einst so hoffnungsvolle Mittelfeldtalent Deniz Naki. An der Seite von Jerome Boateng durchlief der kurdischstämmige Deutsche manches Jugendnationalteam, spielte für Ahlen, St. Pauli, den SC Paderborn und wechselte schließlich in die Türkische Süper Lig. Dort aber kam er nicht zurecht. Schließlich schloss sich Naki dem Drittligisten Amed SK mit seinen kurdischen Anhängern an. Als er einen Pokalsieg den kurdischen Opfern der Gräueltaten in Südostanatolien widmete, wurde der Fußballer in Abwesenheit zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im Jahr 2018 schoss ein Unbekannter in Düren auf den ehemaligen Profi. Der Fall wurde nie aufgeklärt.
Zu jener Zeit sollen Naki und sein mutmaßlicher Boss hierzulande längst ihr kriminelles Netz ausgeworfen haben. Die neue Bahoz-Gruppe soll laut Staatsanwaltschaft für den Raum Aachen und Köln zuständig gewesen sein, daneben gibt es Dependancen in Bonn an der Ruhr sowie weitere Gebietsverbände in Gießen, in Süddeutschland bis in die Schweiz hinein. Peter Krieger und Carsten Rubarth, die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten, wollten sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Rheinische Kurden-Connection soll Geschäfte mit Drogen und Wetten gemacht haben
Zum ersten Mal fielen Bahoz-Rocker den NRW-Behörden durch einen Brandanschlag 2016 in Essen auf. Auf die rheinische Kurden-Connection wies zwei Jahre später eine Informantin der Polizei hin. Unter dem Decknamen Josefine berichtete die Quelle den Ermittlern von Zagros, dem neuen Bahoz-Boss, der Kurden aus Köln, Stuttgart, Frankfurt und Aachen um sich versammelte und Geld aus Drogen- und Wettgeschäften generierte.
Die Strafverfolger leiteten verdeckte Nachforschungen ein, hörten Telefone ab, installierten Mikrofone in Fahrzeugen der Gruppe. In den zweijährigen Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Verdächtigen mit enormer Gewalt ihr Einflussgebiet zu erweitern suchten.
Als man die Tür einer Diskothek auf der Aachener Amüsiermeile von den Hells Angels übernehmen wollte, begann ein Schaulaufen von zirka 50 Männern, die im Auftrag eines befreundeten kurdischen Clans agierten. In einem anderen Fall soll Naki den Kokshandel in einem Aachener Lokal übernommen haben. Den Bubble zu je 0,2 Gramm für 20 Euro das Stück. In Düren musste der Besitzer einer Shisha-Bar 1000 Euro Schutzgeld zahlen.
Bande um Zagros und Naki handelte auf eigene Rechnung
Zwar spielte die Finanzierung der PKK mitunter eine Rolle. So soll etwa ein Kölner Geschäftsmann wegen der Ehrverletzung der PKK 60.000 Euro Schutzgeld gezahlt haben. Die Hälfte der Summe floss laut einer Zeugenaussage an die kurdische Arbeiterpartei. Auch soll Ex-Kicker Naki bekundet haben „wir sind PKK“.In erster Linie handelte die Bande laut Staatsanwaltschaft auf eigene Rechnung. Dabei, so scheint es, kannte man kaum ein Maß. Ganz vorneweg Deniz Naki. Der Ex-Profi rühmte sich etwa in einem abgehörten Telefonat, nicht lange zu reden, sondern das Geld auch mit Gewalt einzutreiben. So soll er einem gegnerischen Hells Angel Nase und Kiefer gebrochen haben. Hintergrund soll ein Streit um Drogengeschäfte gewesen sein.Der einstige Mittelfeldmotor bezeichnete die Bahoz-Gang als „stabile Jungs“. Über einen der Mitangeklagten wurden laut Anklage 15 Schusswaffen geordert.
Ferner wollte der Kurde über eine als Hochzeits-Event-Firma getarnte Verbrecher-Dependance in das Drogengeschäft in Zürich einsteigen, um dort eine „Patenstellung“ einzunehmen. Belegt sind den Ermittlungen zufolge mehrere Reisen in die Schweiz nebst Vorbereitung eine Rauschgiftlieferschiene von den Niederlanden über Deutschland nach Zürich. Mal suchte die Bande bei anderen Dealern 10.000 Euro mit der Pistole einzutreiben, mal ging es um neue Koks- oder Marihuana-Lieferungen.
Schuss in Bar in der Kölner Weidengasse
Im Mai 2018 fielen Schüsse in einer Shisha-Bar in Bonn, die eine unbeteiligte Frau verletzten. Offenbar ein Racheakt, weil der Besitzer keine 50.000 Euro zahlen wollte. Im Juni 2018 dann versammelte der Angeklagte Zagros einige Kumpels in der Kölner Weidengasse. Er forderte sie auf, eine Saz mitzubringen, ein türkisches Seiteninstrument. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um einen Code für eine Schusswaffe handelte.
Am Abend suchten vier Männer die Bar „Pippa Lounge“ in der Rheinmetropole auf. Die Besucher setzen sich mit dem Besitzer zusammen. Offenbar ging es auch hier um Schutzgeld. Nach einer hitzigen Kontroverse schoss einer der Ankömmlinge dem Gastronomen in den Oberschenkel. Danach verschwand die Bande.
Zwei Wochen später machte die Kripo eine Zeugin ausfindig. Bei einer Wahllichtbildvorlage identifizierte sie Bahoz-Boss Zagros als den mutmaßlichen Schützen. Der wanderte umgehend in Untersuchungshaft wegen versuchter des Verdachts der räuberischen Erpressung. Doch im Prozess konnte sich die Kronzeugin an nichts mehr erinnern. Deniz Naki, der die Geschäfte der Gang zeitweilig übernommen hatte, soll die Frau mit 10.000 Euro Schmiergeld zum Schweigen gebracht haben.