Dreh-Ende bei der „Lindenstraße“Was aus Mutter Beimer und den Bewohnern wird
- Die Kult-Serie „Lindenstraße“ wird nach 34 Jahren abgesetzt.
- In Köln-Bocklemünd laufen die letzten Dreharbeiten.
- Die Darsteller nehmen Abschied. Die einen gehen in Rente, andere könnten sich ein Leben als Hundetrainer vorstellen.
Köln – Eine Serie wird abgewickelt. Nach 34 Jahren laufen in den Kulissen und Studios in Köln-Bocklemünd die letzten Drehtage für die „Lindenstraße“. Zu wenig Quote, zu hohe Kosten – vor einem Jahr wurde das Aus verkündet. Manche Darsteller haben hier auf dem eher unwirtlichen Gelände ihr gesamtes Arbeitsleben verbracht.
Vielen Zuschauern sind ihre Gesichter so vertraut, als seien sie Verwandte, die häufig zu Besuch kommen, deren Schicksal man verfolgt hat mit Scheidungen, Tod, Hochzeiten und Geburten. In diesen letzten Tagen wird konzentriert weitergearbeitet, aber die Frage liegt in der Luft: Und was macht ihr danach mit eurem Leben?
Am 20. Dezember ist endgültig Schluss in Bocklemünd. Die Serie wurde immer drei Monate im Voraus gedreht – die letzte Folge wird also erst am 29. März ausgestrahlt. Die „Lindenstraße“ in Köln-Bocklemünd wird bis dahin vielleicht ganz verschwunden sein. Abgerissen und entsorgt. Immerhin: Für die Nachwelt gesichert wird vom Haus der Geschichte in Bonn die Küche von Mutter Beimer. Das Technikmuseum in Speyer holt das Restaurant „Akropolis“ und das „Café Bayer“. Es war einmal die „Lindenstraße“.
Wir haben einige Darsteller gefragt, wie es nach dem Aus mit ihnen weitergeht.
Cosima Viola (31), seit 2001 „Jack Aichinger“
„Ich kenne ein Leben ohne die Lindenstraße nicht. Ich war zwölf, als ich hier angefangen habe. Es ist schwer zu fassen, dass es zu Ende ist. Meine Grundstimmung ist hier immer total gut, auch wenn ich privat mal Probleme habe. Ich freue mich jedes Mal auf die Leute am Set. Deshalb sind die ständigen Abschiede jetzt in den letzten Drehwochen echt schwer.
Was ich nach wie vor ganz scharf kritisiere, ist, dass es keine schlüssige Begründung für die Absetzung gibt. Ich bin sicher, dass dahinter noch andere Gründe stecken als die wirtschaftlichen, die immer vorgebracht werden. Die ARD ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, der auch einen Bildungsauftrag hat.
Mit Quote zu argumentieren finde ich nicht richtig. Wenn man wirklich Wert darauf gelegt hätte, dass die Sendung mehr Quote bekommt, hätte man mehr dafür tun müssen. Oft fielen Folgen aus oder sie wurden verschoben. Wenn man gewollt hätte, hätte man uns auch erhalten können.
Aber es gibt ein Leben danach. Ich studiere Psychologie, mache gerade meinen Bachelor. Und ich habe eine Ausbildung als Hundetrainerin gemacht. Was die Schauspielerei angeht, gucke ich einfach, was kommt. Aber wenn ich mir die Produktionsbedingungen heutzutage so anschaue, bin ich froh, dass ich in dieser Lindenstraße-Blase so lange arbeiten konnte.Wenn es das gewesen ist, dann habe ich für mich schauspielerisch eine Menge erreicht. Aber ich würde mich freuen, wenn es irgendwo weitergeht."
Marie-Luise Marjan (79), seit der ersten Folge 1985 „Helga Beimer“
„Am letzten Drehtag bin ich noch mit drei Szenen dabei. Ich habe jetzt nicht das Gefühl von Verlust. Noch nicht. Mein Hansemann (Darsteller Joachim Luger ist bereits vor Monaten freiwillig ausgeschieden, d. Red.) ist ja schon vor einiger Zeit gegangen, er ist den Serientod gestorben.
Ich möchte auf jeden Fall weiterarbeiten. Aber keine Serie mehr. Die Lindenstraße hat ein Alleinstellungsmerkmal, so etwas wird es nicht mehr geben. Man sollte die Serie wertschätzen und in Erinnerung behalten. Ich werde sicherlich mit einigen Kollegen in Kontakt bleiben, zum Beispiel mit Moritz, meinem Filmsohn (Moritz A. Sachs spielte seit Folge 1 Sohn „Klaus“, die Red.)
Den Arbeitsprozess hier werde ich vermissen, etwa wie man sich eine Szene erarbeitet. Die Phase des Entstehens macht mir immer diebische Freude. Wenn am Ende alles gelingt, freuen sich alle.
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Eine Figur über viele Jahre zu spielen, mit all ihren Entwicklungen und Wendungen, das ist ein besonderes Geschenk. Das wird es in der Form nicht mehr geben. Ich habe immer darauf geachtet, dass „Helga“ viele Facetten hat. Sie sollte nie langweilig sein.
Neben der Schauspielerei mache ich Lesungen und habe verschiedene eigene Programme. Und ich engagiere mich unter anderem stark für Plan International, Unicef und die Malteser.“
Irene Fischer (59), seit 1987 „Anna Ziegler“
„Ich bin mit der Lindenstraße mehrfach verbunden, weil ich viele Jahre Drehbücher für die Serie geschrieben habe und mein Partner Regie führte. Trotzdem bin ich nicht so traurig. Für mich hat das ein rundes Ende, ich werde Weihnachten 60. Ich habe beschlossen, dass ich nicht mehr drehen werde, meine Karriere vor der Kamera ist beendet.
Ich werde weiter schreiben und vielleicht Theater spielen. Ich habe vier Enkelkinder und schaue ganz wohlgemut in die Zukunft. Die tiefen Freundschaften, die hier entstanden sind, werden bleiben.
Wir haben alle drei Jahre eine Flasche Sekt aufgemacht, wenn die Serie verlängert wurde. Ich habe es nie als selbstverständlich genommen, dass es ewig weitergeht. Deshalb bin ich dankbar für die gute, lange Zeit.
Meine Figur Anna ist das Gegenteil von mir. Sie ist immer gestresst und chronisch überfordert. Anna ist echt anstrengend. Bei den Fans lautet mein Spitzname Flieder-Schubse, weil Anna immer diese scheußlichen fliederfarbenen Sachen trägt und schon zwei Menschen zu Tode geschubst hat. Ich bin stolz auf diesen schönen Spitznamen.
Als Andenken nehme ich zwei Tassen mit dem Aufdruck „Hans“ und „Anna“ aus der Kulisse mit. Jeder darf auch drei Kostüme seiner Figur mitnehmen, aber Annas Kleidung möchte ich nicht. Ich habe meine letzte Szene am letzten Drehtag, vorletztes Bild. Klar, eine Wunde wird da bleiben.“
Joris Gratwohl (46), seit 2000 „Alex Behrend“
„Ich hatte heute meinen allerletzten Drehtag. Es war schon sehr emotional, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich habe am Set eine kleine Abschiedsrede gehalten, und als ich die ganzen Menschen sah, war es schon ganz schön schwer. Man kann sich auf so etwas kaum vorbereiten. Es war ja nicht nur die Arbeit, es sind ja auch die Menschen, an denen man hängt. Und die Herzlichkeit werde ich vermissen.
Ich wohne in der Kölner Südstadt. Mein nächstes Projekt ist das Theaterstück „In der Mitte“, das ich selbst geschrieben habe. Ich trete damit ab dem 10. Dezember im Café Central in der Jülicher Straße auf. Ich sitze an der Bar, spiele es mit dem Barkeeper zusammen. Das habe ich schon geschrieben, bevor ich von dem Aus der Serie erfuhr. Aus dem Stück wird auch noch ein Buch entstehen. Außerdem habe ich ein paar Anfragen für Drehs aus meiner Heimat Schweiz. Aber ganz konkret ist noch nichts.
Man verliert mit der Serie natürlich auch ein Stück finanzielle Sicherheit. Aber realistisch gesehen ist so eine feste Rolle über einen so langen Zeitraum natürlich auch Luxus. Ich bin im Moment noch ganz entspannt. Als Schauspieler weißt du nie genau, wie es weitergeht.“