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Festnahme des Mafiabosses könnte Auswirkungen bis nach NRW haben

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Lesezeit 3 Minuten
Matteo Messina Denaro nach seiner Verhaftung in Palermo

Der Mafiaboss Matteo Messina Denaro wird von Carabinieri an einen unbekannten Ort gebracht. 

Matteo Messina Denaros Verhaftung in Sizilien nach dreißigjähriger Flucht vor der Polizei bietet eine Chance, nicht nur für Sizilien. Ein Kommentar.

Gespräch mit Freunden in einer Strandbar im westlichen Sizilien. Es ist nicht viel Betrieb, außer uns sind nur einige weitere Gäste anwesend. Der Wirt sagt, der Mafia gehe in Sizilien „der Arsch auf Grundeis, außer hier, außer in der Provinz Trapani“. Wir fragen nach, womit das denn zu tun habe. Der Wirt, der bis dahin in normalem Ton mit uns geredet hat, senkt die Stimme und sagt leise: „Unter anderem hat das mit Messina Denaro zu tun.“

Das Gespräch ist einige Jahre her, aber es zeigt, wie viel Einfluss auf die Menschen in Sizilien das organisierte Verbrechen noch immer hat. Nicht nur insofern ist die Verhaftung Matteo Messina Denaros, des letzten „superlatitante“, des letzten untergetauchten Mafiabosses, am Montag in Palermo eine gute Nachricht. Messina Denaro, Sohn eines Mafiosos aus dem Provinzstädtchen Castelvetrano, lebte seit 30 Jahren auf der Flucht vor der Polizei, untergetaucht wenige Monate, nachdem er sich an der Planung der Morde an den Mafiajägern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Mai und Juli 1992 beteiligt hatte.

Messina Denaro ist geschnappt: Der Hydra ist ein Kopf abgeschlagen

Nicht die einzigen Morde, die dem 60-Jährigen Boss der Mafia in der westsizilianischen Provinz von der italienischen Polizei zur Last gelegt werden. Ob es 50 sind, wie mancherorts zu lesen steht, sei dahingestellt. Fest steht, dass Messina Denaro seinen ersten Mord beging, als er gerade 18 Jahre alt war. In einem Alter, in dem junge Leute hierzulande in die Lehre gehen oder ihren Schulabschluss machen. Messina Denaro ist wegen seiner Beteiligung an den Falcone- und Borsellino-Attentaten 2002 bereits in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Hydra ist ein Kopf abgeschlagen.

Ob sich mit diesem zweifelsohne wichtigen Schlag gegen das organisierte Verbrechen auch etwas an den himmelschreienden Missständen in der Infrastruktur der Insel ändert, bleibt abzuwarten. Denn wer immer sich über die schlecht bis gar nicht funktionierende Müllentsorgung, die völlig maroden öffentlichen Wasserleitungen auf der Insel oder den beklagenswerten Zustand des Straßennetzes abseits von Bundesstraßen und Autobahnen aufregt, bekommt als Antwort gerne eine spezielle Form der doppelbödigen Zustimmung. Ja, das sei alles wahr, heißt es dann, aber man könne ja nichts machen, weil die Mafia überall ihre Finger drin habe. 

Die Mafia ist immer noch überall dort, wo schnell viel Geld gemacht werden kann

Diese Mafia ist zwar nicht mehr die, in der Messina Denaro groß geworden ist. Gemordet wird nur noch, wenn es gar nicht anders geht. Und doch ist sie weiterhin überall dort zu finden, wo schnell viel Geld gemacht werden kann, auch zum Beispiel beim Bau von Windkrafträdern. Wichtig ist vor allem, im Drogenhandel, im Export von Obst, Wein und Oliven illegal erwirtschaftetes Geld zu legalisieren, etwa durch Investitionen in Unternehmen, Immobilien und Gastronomie. Möglichkeiten zu investieren sind allerdings im strukturschwachen italienischen Süden längst nicht so reichlich vorhanden als im wohlhabenden Norden Italiens – oder in Deutschland, insbesondere auch in NRW.

Gerade hierzulande ist es offenbar weiterhin nicht schwierig für Verbrechersyndikate, Geld zu waschen. Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Sommer die internationale Anti-Geldwäsche-Organisation Financial Action Task Force, die 1989 von den G-7 gegründet worden war, in ihrem Jahresbericht. Deutschland, so heißt es in dem Bericht, hinke durch Kompetenzwirrwarr und durch die viel zu laxe Verfolgung von illegalen Finanztransaktionen des organisierten Verbrechens beim Kampf gegen Geldwäsche hinterher. Das schmälert Fahndungserfolge wie im Juni 2018 nicht, als es gelang, ein hochrangiges Mitglied der Cosa Nostra in Köln zu verhaften. Aber gerade solche Verhaftungen sollten das Bewusstsein in der Politik für die Dimension der Bedrohung schärfen.

Die Verhaftung von „Rolex“, wie Messina Denaro wegen seiner Vorliebe für teure Uhren auch genannt wurde, könnte also ein Weckruf auch für die deutsche Politik sein. Weil die Mafia nicht nur ein italienisches, sondern auch ein deutsches Problem ist.