Frau Krause ist einsam und unterschreibt einen Vertrag bei einer Partnervermittlung. Als sie kündigen will, lernt sie den Firmen-Anwalt kennen.
Partnervermittlung Glück für Zwei GmbH„Hier wird gnadenlos die Einsamkeit von älteren Menschen ausgenutzt“
Frau Krause sucht ihr Glück im Winter 2022 in einem lokalen Anzeigenblatt, unter der Rubrik „Von Herz zu Herz – Er sucht Sie“. Und Kandidaten für ihr Glück – von denen scheint es viele zu geben. Frau Krause umkringelt sie farbig, markiert mit Kreuzen, unterstreicht.
Da ist Otto, 70 Jahre, pensionierter Polizeibeamter; Heinz, 76, der fröhliche Senior; Harald, 80, ein früherer Unternehmensberater mit Doktortitel. Und da ist Kurt, 78 Jahre alt. Seinen Namen hat Frau Krause mit einem dicken X markiert. Kurt, ein „treuer, höflicher Witwer“, aufmerksam und liebevoll, sportlich, sucht eine nette Frau, die mit ihm Theaterstücke besucht und die Zweisamkeit genießt. Für Frau Krause steht fest: Sie will Kurt kennenlernen.
Helga Krause überweist 8500 Euro
Wenige Tage später wird Helga Krause, damals 82 Jahre alt, Witwe, der Partnervermittlung „Glück für Zwei GmbH“ 8500 Euro überweisen. Sie wird zwei Papiere unterschreiben, laut derer sie ihr Kündigungsrecht und ihr Widerrufsrecht aufgibt. Mit einem späten Liebesglück endet ihre Geschichte nicht. Dafür findet sich Frau Krause bald in einem Rechtsstreit wieder.
Helga Krause fällt nicht auf einen Enkeltrick herein, nicht auf einen Betrug im rechtlichen Sinne, nicht auf einen Schockanruf am Telefon. Sie geht einem System in die Falle, das völlig legal das Geschäft mit der Einsamkeit von älteren Menschen perfektioniert hat. Sowohl Helga Krause als auch ihre Familienangehörigen und die Männer in der Anzeige heißen eigentlich anders. Frau Krause möchte anonym bleiben, sie schämt sich für diesen „Riesenfehler“, sagt sie. Ihre Tochter findet: Schämen sollten sich die anderen.
„Glück für Zwei GmbH“ sucht Kunden per Kontaktannoncen
„Meine Mutter ist ein ganz lieber und gutmütiger, aber auch naiver Mensch“, sagt Ina Riedel. „Und deshalb“, ergänzt ihr Ehemann Martin, „ist sie der perfekte Fall für Glück für Zwei“. Die beiden sitzen in einem Besprechungsraum des „Kölner Stadt-Anzeiger“, auf dem Tisch haben sie Unterlagen des monatelangen Rechtsstreits ausgebreitet, einen ganzen Ordner haben sie dabei. Sie wollten vor diesem Vorgehen warnen, erklären sie, damit möglichst wenige alte Menschen ihr Geld verlieren.
Glattgestrichen liegt auch die Seite aus dem Anzeigenblatt auf dem Tisch, mit der alles begann. Unter den Kontaktannoncen von Kurt, Harald, Otto und Heinz steht eine Telefonnummer. Es ist dieselbe, wie bei allen weiteren Anzeigen der Kategorie. „GfZ GmbH, Mo-Fr 10-18h, Sa/So 10-18h Anruf kostenlos“
Frau Krause ruft im Winter 2022 bei der Nummer unter der Kontaktannonce an. Ein paar Tage später, an einem Montag, bekommt sie Besuch von einer gut gekleideten Mitarbeiterin der „Glück für Zwei GmbH“, kurz GfZ GmbH. Sie wolle Frau Krause besser kennenlernen, sagt die Mitarbeiterin. Damit sie wisse, welcher Herr am besten zu ihr passe.
Dann habe sie Frau Krause einen Vertrag gereicht, mit dem sich die „Glück für Zwei GmbH“ verpflichtet, ihr 21 Partnervorschläge zuzuschicken und sechs Monate für Rückfragen bereitzustehen. Kosten: 8500 Euro. Frau Krause wundert sich über den hohen Preis. Die Bearbeitung sei eben teuer, habe ihr die Mitarbeiterin erklärt.
Also setzt die Seniorin ihre Signatur unter den Vertrag. Auf zwei zusätzlichen Papieren unterschreibt sie den Verzicht auf ihr Kündigungsrecht sowie ihr Widerrufsrecht, das Kunden bei einem Haustürgeschäft zusteht. Normalerweise dürfen diese in dem Fall Verträge innerhalb von 14 Tagen widerrufen.
Als die Frau geht, so erzählt es Ina Riedel, soll die Mitarbeiterin eine Kollegin für den nächsten Tag angekündigt haben, für die Zahlung.
Eine Mitarbeiterin kommt mit Kartenlesegerät
Dienstag. Die Kollegin kommt mit einem Kartenlesegerät. Auf Frau Krauses Kontoauszug steht: Um 10.03 Uhr überweist sie 3000 Euro an die GfZ GmbH. Fünf Minuten später, um 10.08 Uhr, weitere 2000 Euro. Damit war das Limit ihrer Bankkarte erreicht.
Mittwoch. Frau Krause geht am frühen Morgen zur Bank und überweist die restlichen 3500 Euro.
Am Nachmittag besucht Ina Riedel ihre Mutter. Weil sie Frau Krause bei einer Erbangelegenheit hilft, blättert sie durch ihren aktuellen Kontoauszug. Und stutzt.
„Mami, was hast du da gemacht?“
Frau Krause windet sich, weicht aus. Das ist für etwas ganz Schönes, sagt sie, ich erzähle es euch irgendwann. Bei Ina Riedel läuten sämtliche Alarmglocken. Sie googelt den Empfänger des Geldes, landet auf der Webseite der Partnervermittlungsagentur. Die Google-Treffer darunter verweisen auf Anwaltskanzleien und eine Juristenzeitschrift. „Vertrag mit der Glück für Zwei GmbH abgeschlossen?“ „Glück für Zwei GmbH – Kündigung und Widerruf des Vertrags möglich?“„Glück für Zwei: Frau verklagt erfolgreich Partneragentur“
Riedel drängt ihre Mutter, das Geld so schnell wie möglich zurückzufordern, doch die sträubt sich. Das ist doch mein Geld, sagt Frau Krause, ich kann damit machen, was ich möchte.
„Ich fragte mich: Habe ich das Recht, sie zum Widerruf zu drängen?“
„Es war ein totales Dilemma“, sagt Riedel heute. Für sie war der Vertragsabschluss auch ein Hilferuf ihrer Mutter. Die Einsamkeit zermürbt Frau Krause. Fast ihr ganzes Leben lebte sie in Partnerschaften; nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahr 2009 lernte sie über eine Kontaktanzeige in der Zeitung, per Chiffre, ihren neuen Lebensgefährten kennen. Sie blieben ein Paar, bis auch er 2020 starb.
Und auch wenn Frau Krause sich noch immer ehrenamtlich engagiert, auch wenn sie in der Woche von einem Termin zum nächsten eilt, auch wenn ihre Tochter sie regelmäßig mit den Enkeln besucht: Beim Aufstehen und ins Bett gehen ist sie allein. Und allein sein, sagt Frau Krause am Telefon, das erträgt sie nicht.
„Ich fragte mich: Habe ich das Recht, sie zum Widerruf zu drängen?“, sagt Ina Riedel. „Man weiß ja nie, ob da ein Funke Aussicht auf Erfolg ist, dass sie so einen Partner findet. Aber die Summe, das unseriöse Vorgehen der Firma sprach dagegen.“
„Machen Sie sich um Gottes Willen keine Gedanken“, sagt der Anwalt
Donnerstag. Von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn überzeugt, geht Frau Krause zu ihrem Bankberater, fragt, ob sie die Überweisung noch stornieren könne. Erfolglos. Das Geld ist weg, sagt der Berater. Am Nachmittag ruft Riedel Matthias Rehner an, einen Anwalt für Vertragsrecht. Der drängt zur Eile: Sobald die Partnervermittlung die 21 Partnervorschläge geschickt hat, sinken die Chancen, die volle Summe zurückzubekommen.
Freitag. Frau Krause steht in der Bonner Kanzlei und unterschreibt eine Vollmacht, die Rehner erlaubt, sie in sämtlichen Belangen zu vertreten. Sie findet es furchtbar peinlich, dass sie so viel Geld einfach überwiesen hat. „Machen Sie sich um Gottes Willen keine Gedanken“, sagt der Anwalt zu ihr. Seinen Eltern hätte das auch passieren können. Am Abend schickt Matthias Rehner für Frau Krause einen Widerruf an jede Adresse der GfZ GmbH heraus, die er finden kann. Per E-Mail, per Fax, per Post mit Einschreiben, an zwei Firmenanschriften und an die Privatadresse der Geschäftsführerin.
Samstag. Frau Krause findet in ihrem Briefkasten zwei Umschläge der GfZ GmbH. Die Firma sieht ihre Leistung damit erfüllt, den Widerruf wird sie nicht akzeptieren. Matthias Rehner widerspricht: Frau Krause habe widerrufen, bevor die Partnervorschläge bei ihr ankamen. Er fordert die 8500 Euro komplett zurück.
Die „Glück für Zwei GmbH“ teilt auf Anfrage über ihren Anwalt mit, Kunden würden im Rahmen des ersten Telefonats „Informationen zur Arbeitsweise, den Leistungen und Preisen“ der GfZ bekommen und „können somit entscheiden, ob sie einen Gesprächstermin vereinbaren“. Die persönlichen Gespräche vor Ort würden in der Regel „zwischen zwei und fünf Stunden“ dauern.
In dem Gespräch werde „ausführlich über die Partnerwünsche“ und den Hintergrund des Partnersuchenden gesprochen. Der Verzicht auf das Widerrufsrecht sei eine freiwillige Option, so die GfZ. Zudem sei die Tätigkeit der Firma mit der Übermittlung der Partnervorschläge noch nicht beendet: Die Mitarbeiter stünden den Kunden während der gesamten Vertragslaufzeit zur Beratung zur Verfügung.
GfZ streitet sich seit Jahren mit enttäuschten Kunden vor Gericht
Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 konzentriert sich die Glück für Zwei GmbH, eine Firma aus Koblenz, auf die Vermittlung von Partnerschaften. Beziehungsweise: Sie konzentriert sich auf die Vermittlung von Senioren. Was ebenfalls seit vielen Jahren unverändert bleibt: Die GfZ GmbH streitet sich mit enttäuschten Kunden vor Gericht.
Die Rechtsstreite geben eine Erklärung dafür ab, warum es die GfZ so eilig hat, nach Vertragsabschluss die Partnervorschläge zu schicken. In einem früheren Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln und dem Bundesgerichtshof ging es um ein fast identisches Vertragsmuster der GfZ: Es besagte, dass mit dem Anlegen eines Kundendepots mit 21 Partnervorschlägen die Hauptleistung erfüllt sei und hierfür 90 Prozent des Honorars anfallen.
Die restlichen 10 Prozent würden die Verwaltung und Aktualisierung dieses Depots für die Dauer der Vertragslaufzeit – damals noch zwölf statt sechs Monate – verwendet. In dem Vertrag mit Frau Krause war diese Aufteilung zwar nicht mehr angegeben. Aber auch dort bezeichnet die GfZ die Erstellung des Kundendepots als „Hauptleistung“.
Die GfZ gab im Rechtsstreit mit Frau Krause an, dass sie das Kundendepot mit den 21 Vorschlägen einen Tag nach der Auftragserteilung erstellt habe. Sollte die prozentuale Verteilung noch gelten, bedeutet dies: Die GfZ berechnet für den Besuch und die Zusammenstellung von 21 Partnervorschlägen innerhalb eines Tages 7650 Euro.
21 Din-A4-Seiten, 21 Partnervorschläge. Für die Familie von Frau Krause hören sie sich alle ähnlich an, scheinen lieblos zusammengewürfelt. Die Agentur hat dasselbe Musterschreiben auf jede Seite kopiert, nur einen Absatz ändern sie jedes Mal. In circa drei Sätzen beschreiben sie den ebenfalls suchenden Senior, ähnlich wie bei einer Kontaktanzeige, dazu Telefonnummer, Name und Adresse.
Auf Nachfrage bezüglich dieser Kostenverteilung schreibt die GfZ, nach dem Termin beim Kunden würde der Außendienstmitarbeiter die erfassten Informationen an eine Verwaltungsmitarbeiterin weitergeben, „die dann aufgrund der erfassten Daten händisch (!) aus dem äußerst umfangreichen Kundenarchiv (...) 21 für den Kunden geeigneten Partnervorschläge heraussucht und erstellt speziell für den Kunden ein Partnervermittlungsdepot bestehend aus 21 Partnervorschlägen“. Zu dem geschilderten Fall könne sich die GfZ ohne Klarnamen der Kundin nicht seriös äußern und rechtlich Stellung nehmen.
Rehner einigt sich mit GfZ auf einen Vergleich
„Es ist nicht zwingend illegal, was die Glück für Zwei GmbH macht“, sagt Rechtsanwalt Matthias Rehner. „Aber ich finde es einfach unseriös. Hier wird gnadenlos die Einsamkeit von älteren Menschen ausgenutzt.“ 8500 Euro für 21 Partnervorschläge und einen halbjährigen Vertrag – diesen Preis hält Rehner für „völlig überzogen“.
Die Glück für Zwei GmbH bietet Frau Krause eine Rückzahlung von 2000 Euro an, wünscht, die Angelegenheit ohne Gericht zu erledigen, Rehner pocht auf die Rückzahlung der vollen Kosten. Der Fall geht also doch vor das Landgericht. Bevor in dem Fall von Frau Krause ein Urteil fallen kann, einigt sich Rehner mit der Gegenseite: Von den 8500 Euro bekommt Frau Krause 8350 zurück, die Anwalts- und Gerichtskosten zahlt die GfZ GmbH.
„Bei Haustürgeschäften wird eine lockere Athmosphäre geschaffen“
Bei der Verbraucherzentrale NRW ist der Name „Glück für Zwei GmbH“ kein unbekannter. In den letzten Jahren habe es ein paar Einträge bei ihnen gegeben, sagt Carolin Semmler, Rechtsanwältin und Expertin für Vertragsrecht bei der Verbraucherzentrale. Die Vorgehensweise sei ihnen bekannt.
„Gerade bei Haustürgeschäften wird eine Atmosphäre geschaffen, die locker und vertraulich ist“, sagt Semmler. Die Hemmschwelle, jemanden aus der eigenen Wohnung wieder herauszubitten, sei sehr hoch. „Das wird oft von Anbietern genutzt, um Kunden in ein langes Gespräch zu verwickeln und eine Vertrauensbasis aufzubauen.“ Dadurch steige die Gefahr, dass der Kunde sich überrumpeln lasse.
Semmler empfiehlt Kunden, trotzdem wachsam zu bleiben, und warnt davor, vorschnell Verträge abzuschließen. „Im Zweifel sollte man lieber sagen: Danke, lassen Sie mir den Vertrag bitte hier, ich schaue mir das in Ruhe an und schicke ihn Ihnen zu.“ Seriöse Anbieter seien damit meist einverstanden. Wird die Bitte abgelehnt, empfiehlt Semmler, den Vertrag nicht zu unterschreiben. So habe der Kunde genug Zeit, um Angehörige nach ihrer Einschätzung zu fragen oder sich in der Verbraucherzentrale beraten zu lassen.
Seit ihrem Anruf bei der Glück für Zwei GmbH blättert Frau Krause bei der Rubrik „von Herz zu Herz“ weiter. Die Einsamkeit mache ihr noch immer zu schaffen, sagt sie, doch die Partnersuche habe sie aufgegeben. „Natürlich würde ich gerne noch einen netten Herrn kennenlernen“, sagt sie. „Aber ich habe keinen Mut mehr. Ich bin so auf die Schnauze gefallen, das darf nicht wieder passieren.“