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In knapp 30 Jahren zum WeltrekordDiese Düsseldorferin hat 18.000 Barbies – auch ein Funkenmariechen

Lesezeit 6 Minuten
Bettina Dorfmann zeigt eine Funkenmariechen-Barbie

Bettina Dorfmann ist laut Guinnesbuch der Rekorde die Sammlerin mit den weltweit meisten Barbies. Eines ihrer Exemplare ist auch ein Funkenmariechen.

Taugt Barbie als zukunftsweisendes Rolemodel? Oder bleibt sie hohles Objekt der Konsumgesellschaft? Wir haben Bettina Dorfmann besucht, die es wissen muss. Sie besitzt die größte Barbiesammlung der Welt.

Für Bettina Dorfmann hat Barbies fehlerlose Welt schon lange Risse bekommen. Vor allem am Hals. Materialermüdung, sagt sie. Besonders bei den 1980er-Jahrgängen mit Kugelgelenk breche zuweilen gar der ganze Kopf ab, wenn man etwas zu energisch bürstet. Angekaute Finger, abgelutschte Zehen, Flecken am ganzen Körper, die Ohren grün verfärbt von Messingschmucksteckern. „Sie hat ihre Malaisen, sie ist beileibe nicht perfekt“, sagt Dorfmann über Barbie, den Puppenkult, der seit den 1960er Jahren auch in deutschen Kinderzimmern wohnt. Und Dorfmann muss es wissen. 18.000 Barbies aus allen Jahrzehnten nennt sie ihr Eigen, die 61-Jährige hat es in den vergangenen knapp 30 Jahren mit ihrer Sammelleidenschaft bis ins Guinnessbuch geschafft. Weltrekord.

Ein Teil der Puppen ist auf Reisen durch die Museen der Erde, Forchheim, Lünen, zwischendurch auch schon mal China. Eine große Zahl wohnt aber noch bei Dorfmann zu Hause in einem eigenen Zimmer im Reihenhaus in Düsseldorf Wersten. Tausende Barbies aus allen Jahrzehnten stehen da Plastikbein an Plastikbein in ihren Kostümen in Vitrinen oder liegen originalverpackt und im Badeanzug in Schachteln, ein ganzer Schwung Schwestern lagert im Keller.

Seit die Regisseurin Greta Gerwig den Film „Barbie“ Ende Juli in die Kinos brachte, hat eine neue Welle der Barbie-Manie die Welt erfasst. Im Reihenhaus von Bettina Dorfmann sprudelt die Barbie-Leidenschaft aus allen Ecken. Angefangen hat es mit einer Midge 1966. Barbies Freundin, etwas älter als das Teenage-Model selbst, heiratete Alan und durfte fortan auch mit abnehmbarem Schwangerschaftsbauch nebst Baby drin verkauft werden. Bettina Dorfmann interessierte sich als Kind aber weniger für das Gebär-Upgrade als für das Outfit. „Sie trug einen blauen Bikini und blau war meine Lieblingsfarbe“, sagt Dorfmann strahlend.

Alles begann mit Barbies Freundin Midge

Überhaupt sei das Klischee einer pinken Barbiewelt ganz falsch. „Es gibt alle Farben, Barbies Welt ist bunt.“ Und in der Tat leuchten aus Dorfmanns Vitrinen gelbe Hängerkleider ebenso wie türkisfarbene Roben, blaue Jeans oder knallbunte Flower-Power-Anzüge. Die Sammelleidenschaft ist bei Dorfmann dann allerdings erst ausgebrochen, als sie selbst Mutter wurde. „Ich habe die alten Puppen für meine Tochter rausgesucht und mich dabei an so viele Ereignisse in meiner Kindheit zurückerinnert.“ Die Nachbarskinder. Das besondere Weihnachtsfest, an dem ihr die Tante ein besonderes Kleid für Midge schenkte. Die eigenen Versuche, aus Büchern und Kartons Barbiehäuser zu basteln mit umgedrehten Gläsern als Stühle und Zahnpastatubendeckel als Lampenschirme. „Diese Möglichkeit, mich mit meiner eigenen Kindheit zu verbinden, hat mich dann nicht mehr losgelassen.“ Dorfmann komplettierte ihren alten Bestand. Und fing an zu sammeln. Und hörte nicht mehr auf.

Barbies stehen bei Bettina Dorfmann in der Vitrine

Ein Blick in Bettina Dorfmanns Barbiezimmer

Barbie als Pilotin einer Zeitreisemaschine. Wer sich die Puppen bei Dorfmann ansieht, der düst auch ein bisschen durch die Gesellschafts- und Technikgeschichte der westlichen Welt. Fräulein-Outfits unter blassen Gesichtern werden abgelöst von Mädels in Hippie-Kluft und mit überdimensionierten Wimpern. Früher stand ein Plattenspieler in ihrem Haus, später bekam sie einen Walkman. Zwischendurch war Barbie braungebrannt, heute ist ein Sonnenöl ihr Accessoire. Hersteller Mattel gestand dem ehemals sehr steifen Girl „Knickbein und Drehtaille“ zu, wie Dorfmann sagt, es lernte fortan Fahrradfahren. „Schon in den 70er Jahren übrigens natürlich mit Helm.“

Aber nicht nur hinsichtlich der Verkehrssicherheit war Barbie laut Dorfmann ihren Schwestern in der realen Welt schon immer voraus. Wenn jemand anhebt, Barbie als blondes Dummchen zu schikanieren, dann ist Bettina Dorfmann zur Stelle und hält Verteidigungsreden. „Barbie ist kein bisschen blöd. Im Gegenteil, sie zeigt Mädchen, dass sie alles sein können.“ Die Modelpuppe sei Ende der 50er in Amerika schon mit einem Hochschulabschluss zur Welt gekommen. Es gibt sie als Karrierefrau, Fotografin, Ärztin, Forscherin, mehr als 200 Berufe hat sie schon ausprobiert. „Gucken Sie, schon zur Mondlandung 1969 wurde Barbie auch als Astronautin verkauft“, sagt Dorfmann und zeigt auf den Inhalt eines alten Kartons: Barbie im silbernen Anzug mit Wulstwimpern über den blauen Augen, zurückgekämmtem Goldhaar, US-Flagge und spacig weißem Lippenstift. Barbie gibt es mittlerweile als Mädchen mit Down-Syndrom, im Rollstuhl, sowohl mit Hörgerät als auch ohne Haare bei der Chemotherapie („Brave Barbie“). Als das Bienensterben einsetzte, lernte Barbie das Imkern und trägt dabei einen weißbenetzten Hut sowie dicke braune Sicherheitsschuhe.

Auch was den Vorwurf der unrealistischen Körpermaße angeht, nimmt Dorfmann ihre Mädchen in Schutz. „Die langen Beine hatten ja auch die Funktion wie ein Stiel einer Stabpuppe. Wir Kinder konnten die da beim Spielen super anfassen.“ Und dass Barbie und ihre Freundinnen sehr lange Zeit exakt die gleichen Figuren hatten, beruhe ja vor allem auf praktischen Gründen: „Barbie war eine Anziehpuppe. Deshalb ist es wichtig, dass allen die gleichen Kleider passen.“

Ken „beacht ja nur“, taugt aber dennoch als Vorbild

Ein Kunstprodukt, das seiner Zeit voraus ist, kann das auch den Weg in unsere Zukunft weisen? Dorfmann zögert. Sie führt die „Teen Talk Barbie“ an, die jetzt kein wirkliches KI-Mädchen ist, aber immerhin mittels Gummibandauslöser Sätze wie „Ziehst du mir ein neues Kleid an?“ sagen kann. Und das immerhin schon seit 1992. Das Zeug zum Rolemodel habe aber in jedem Fall Barbies etwas im Hintergrund stehender Freund Ken, der bei Dorfmann auch vereinzelt mit wahlweise „plastic hair“, „flocked hair“ oder – ganz neu – mit Ryan-Gosling-Tolle rumlächelt. Natürlich, gerade im Film kann er: Nichts. „Er beacht ja nur“, sagt Dorfmann. Aber gerade in seiner Schwäche stecke ja die Chance – auch für die Männer in der echten Welt. „Ken darf weinen, Ken darf Angst haben, Ken muss die Familie nicht ernähren oder dauernd Auto fahren“, sagt Dorfmann. Und genau diese Freiheiten sollten sich Männer auch in der echten Welt künftig ruhig rausnehmen. „Ken hätte ganz sicher auch kein Problem damit, für sein Kind Elternzeit zu nehmen.“

Barbies in der Vitrine bei Bettina Dorfmann

Barbies Welt ist nicht bloß rosa.

Friede-Freude-Eierkuchen-WG, könnte man meinen. Ganz ungetrübt ist die Beziehung der Sammlerin zu ihren mitwohnenden Objekten dann aber dennoch nicht. Manchmal, da komme es vor, dass die Chemie nicht stimmt. Da steht dann eine brünette Francie (Barbies moderne Cousine aus England) in ihrem farbenfrohen 70er-Jahre Outfit neben einer komplett identischen Puppe mit dem gleichen braunen Augenaufschlag und der gleichen Föhnwelle, sie hat keinerlei optische Makel, sogar das Bein knickt noch tadellos. Aber etwas ist doch ganz entscheidend anders: „Ich gucke die an und weiß: Die mag ich nicht. Die spricht irgendwie nicht mit mir. Die kann ich abgeben“, sagt Dorfmann und sortiert das Exemplar im Geiste schon in die Kiste möglicher Tauschobjekte für eine der anstehenden Börsen. Man hofft unwillkürlich, die lächelnde Engländerin kann bald einen anderen Sammler beglücken. Dorfmann beruhigt: „Vielleicht spricht sie ja mit jemandem anderen.“