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KindesmissbrauchGab es in Lügde noch weitere Täter?

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde hängt vor dem versiegelten Campingwagen eine Banderole mit der Aufschrift „Polizeiabsperrung" an einem Drahtzaun.

Die versiegelte Täterunterkunft auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde.

Am kommenden Montag nimmt der Untersuchungsausschuss zum jahrelangen Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde nach einem Jahr Pause wieder seine Arbeit auf. Die SPD-Fraktion will der These nachgehen, ob es ein bisher noch nicht erkanntes Täter-Netzwerk gibt.

Fast ein Jahr ist es her, dass die letzten Zeugen im Missbrauchskomplex Lügde vernommen wurden. Vom kommenden Montag an aber werden vom erneut eingesetzten „Untersuchungsausschuss Kindesmissbrauch“ des nordrhein-westfälischen Landtages jetzt wieder Ermittler befragt, die mit der Aufklärung der Straftaten befasst waren.

Die Suche nach weiteren Tätern

Seine Fraktion werde dabei verstärkt der These nachgehen, dass es bei dem jahrelangen Missbrauch womöglich ein bisher noch nicht der Öffentlichkeit präsentiertes pädophiles Täter-Netzwerk gegeben habe, sagte der SPD-Politiker Andreas Bialas am Freitag. Bislang gibt es drei Hauptbeschuldigte, die alle auch schon zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, zwei davon mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

Aufgrund „der Ermittlungsansätze sowie den Vernehmungen und Materialien“, die dem U-Ausschuss zur Verfügung gestellt wurden, gehe er aber „von der Wahrscheinlichkeit aus, dass weitere Täter beteiligt waren“, sagte Bialas. Dabei spielten auch Hinweise eine Rolle, „die von außerhalb Nordrhein Westfalen gekommen sind, in erster Linie aus Niedersachsen“. Im Mittelpunkt seines Interesses stehe daher unter anderem auch die Frage, „ob die Behörden alles getan haben, diesen Ansätzen nachzugehen und sie aufzuklären“, so Bialas.

Unfassbare Versäumnisse der Jugendämter

Bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode hatte sich ein Untersuchungsausschuss fast drei Jahre lang mit dem Themenkomplex befasst. Auf knapp 3.000 Seiten wurde vor der NRW-Landtagswahl im Mai 2022 das Ergebnis dieser Aufklärungsarbeit zusammengefasst. Das Dokument belegte, wie Jugendämter und Polizei über 20 Jahre hinweg versagt haben, die sexuelle Gewalt gegen Kinder in Lügde zu beenden. Der Ausschuss deckte vor allem erhebliche Mängel bei den Jugendämtern auf. Demnach hätte der Missbrauch mindestens zweieinhalb Jahre vor der Inhaftierung des Haupttäters 2016 beendet werden können.

Unter anderem hatte das Jugendamt Hameln dem Haupttäter trotz mehrerer Hinweise auf sexuell übergriffiges Verhalten die Pflegschaft für ein Mädchen übertragen, das dann etwa zweieinhalb Jahre in einer heruntergekommenen Unterkunft bei ihm wohnte. Das Kind musste massive Übergriffe ertragen, genauso wie etliche ihrer Freundinnen. Die Strafanzeige einer Mutter und ihrer damals neunjährigen Tochter hatte den Fall ins Rollen gebracht.

Die meisten Opfer wurden noch nicht entschädigt

In der neuen Legislatur soll jetzt auch der Informationsfluss von Akteuren aus dem Gesundheits- und Sozialsystem beleuchtet werden. Der Ausschuss wolle sich „ein Bild machen, ob und wie den betroffenen Kindern nach der Aufdeckung der Taten Hilfsangebote gemacht wurden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der im Landtag vertretenen Parteien. Fast drei Jahre nach den Urteilen im Missbrauchskomplex Lügde jedenfalls hatte nur ein kleiner Teil der Opfer und Eltern eine Entschädigungszahlung bekommen. Sechs der 13 niedersächsischen Opfer hätten eine Entschädigung bewilligt bekommen, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums in Hannover vor einigen Monaten. In Nordrhein-Westfalen war noch kein Antrag positiv beschieden worden. Bei gut einem Drittel der 30 Fälle scheitere es an Rückmeldungen der Antragsteller, die weiteren Fälle seien noch in der „administrativen und medizinischen Sachverhaltsaufklärung“, teilte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) mit.