Diskutierte sogar mit dem BundespräsidentenBetrugs-Prozess: Regierungsberater für NRW war wohl ein Hochstapler

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Ein Mann, dessen Gesicht unkenntlich gemacht wurde, steckt mit einem Anwalt im Gerichtssaal die Köpfe zusammen.

Ein mutmaßlicher Hochstapler hat jahrelang auch die NRW-Landesregierung in Islamfragen beraten – nun steht er vor Gericht.

Er hat jahrelang als vermeintlicher Professor für die NRW-Landesregierung gearbeitet. Doch der Experte war wohl ein Hochstapler. 

Er hat jahrelang die NRW-Landesregierung in Islamfragen beraten, als Experte sogar mit dem Bundespräsidenten diskutiert - nun steht ein 47-Jähriger als mutmaßlicher Hochstapler vor Gericht. Er sei weder Professor noch Doktor, nicht einmal das Staatsexamen als Lehrer habe er bestanden, gab der Angeklagte am Amtsgericht Duisburg zu. Seine rasante akademische Karriere habe sich irgendwann fast von allein entwickelt.

Von seiner Expertise ist der Angeklagte auch weiterhin überzeugt - doch juristisch geht es gar nicht darum, ob er einen guten Job gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Urkundenfälschung, Betrug und den unbefugten Gebrauch akademischer Grade in insgesamt 28 Fällen vor.

Steht vor Gericht: Berater für NRW-Landesregierung war wohl ein Hochstapler

Angefangen habe alles mit einer gefälschten Urkunde aus seinem Lehramtsstudium, berichtete der 47-Jährige. Aus Zeitgründen sei er nie zum Staatsexamen angetreten. Um trotzdem als Lehrer verbeamtet zu werden, habe er die Urkunden seiner Frau genommen, sorgfältig den Vornamen überklebt und davon eine echt aussehende Kopie gemacht. „Nichts mit moderner Technik“, betonte er.

Später habe er in ähnlicher Weise eine Urkunde über eine bestandene Promotion, als die Prüfung für den Doktortitel, gefälscht. Eine Behörde beglaubigte die Urkunden. „Das hat mir alle Türen geöffnet“, sagte der Angeklagte.

Er habe sich weitergebildet, an seiner Rhetorik gefeilt. Nach und nach erarbeitete er sich einen Ruf als Experte für Integration, wurde landesweit als Referent eingeladen. Schließlich sei das NRW-Schulministerium auf ihn aufmerksam geworden und habe ihm ein Angebot als wissenschaftlicher Mitarbeiter gemacht.

Er gab sich als Experte für Islamischen Religionsunterricht aus

Im Ministerium beschäftigte er sich unter anderem mit den Folgen von Migration für das Schulwesen und schließlich immer mehr mit dem politisch hochumstrittenen Thema Islamischer Religionsunterricht. Seine Vorgesetzten seien immer zufrieden gewesen, erzählte er. Ungewöhnlich rasch stieg er die Karriereleiter hoch.

Lehraufträge kamen hinzu. Als Religionssoziologe lehrte er an den Hochschulen in Bielefeld, Münster, Duisburg-Essen und an der NRW-Polizeihochschule. Er bekam eine Auszeichnung für seine Lehre, wurde als Experte zu prominent besetzten Podien eingeladen, nahm an Diskussionsveranstaltungen etwa mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff teil.

Schließlich beriet er direkt Minister der NRW-Landesregierung, vor allem in Islam-Fragen. „Ich war als Lehrer und als Experte gut und anerkannt“, sagte er den Richtern. Zweifel an seinen akademischen Fähigkeiten habe es nie gegeben. Dass er dabei Zeugnisse über seine formalen Qualifikationen gefälscht habe, bereue er heute.

2021 wurden Zweifel öffentlich

2021 flog der ganze Schwindel auf, das Land NRW beendete öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit. Es gebe „begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn“, schrieb die Landesregierung damals zur Begründung. Außerdem erstattete das Land Anzeige gegen den heute 47-Jährigen.

Der Staatsanwalt zeigte sich von dem früheren akademischen Ruhm des Angeklagten wenig beeindruckt. Er habe Urkunden gefälscht, Titel zu Unrecht getragen und den Staat um seinen Verdienst aus zwölf Jahren als Beamter betrogen, argumentierte der Anklage-Vertreter. Denn ohne die gefälschten Dokumente hätte er nie Beamter werden können.

Darum geht es ganz wesentlich in dem Prozess: Denn während es in der freien Wirtschaft vor allem auf die Leistung ankommt, müssen bei Beamten vor allem die formalen Voraussetzungen erfüllt sein.

Für den Angeklagten gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung. Ein Urteil könnte in zwei Wochen verkündet werden. (dpa)