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70 Jahre Rock'n'RollDiese 11 Songs läuteten 1955 die Ära der Rockmusik ein

Lesezeit 7 Minuten
Caterina Valente wirbelt durch die Luft, während Bill Haley mit seiner Gitarre den Beat vorgibt.

Schlager trifft Rock'n'Roll: Caterina Valente wirbelt durch die Luft, während Bill Haley mit seiner Gitarre den Beat vorgibt – ein mitreißender Moment aus dem 1959 veröffentlichten Film „Hier bin ich – hier bleib’ ich“ (1959), als der Rock'n'Roll längst im Mainstream angekommen war. (Archivbild)

Vor 70 Jahren begann die Ära des Rock'n'Roll! Diese elf Songs von 1955 legten den Grundstein für die Rockmusik, die wir heute kennen.

1955 war das Jahr, in dem der Rock'n'Roll, dessen erste Spuren bis in die 20er und 30er Jahre zurückreichen, die Welt eroberte. „Rock Around the Clock“ von Bill Haley & His Comets wurde zum ersten weltweiten Rockhit und löste eine musikalische Revolution aus. Plötzlich drehten sich Jukeboxen, Radios und Tanzflächen um wilde Rhythmen, verzerrte Gitarren und rebellische Stimmen. Doch Haley war nicht allein – Künstler wie Chuck Berry, Elvis Presley, Little Richard oder auch Frauen wie Ruth Brown prägten den Sound dieser neuen Ära. Die elf Songs aus dem Jahr 1955 markieren den Beginn der frühen Rockmusik, die bis heute nachklingt.

Bill Haley & His Comets – „Rock Around the Clock“

Bill Haley & His Comets landeten im Sommer 1955 mit dem bereits im Vorjahr veröffentlichten „Rock Around the Clock“ auf Platz 1 der US-Charts. Ihr Auftritt in der damals beliebtesten TV-Musiksendung „Ed Sullivan Show“ am 7. August 1955 war eine Sensation und brachte den neuen Sound in die Wohnzimmer von Millionen Amerikanern. Die Deutschen mussten sich bis zur Veröffentlichung bis zum November gedulden – im Januar 1956 stand der Klassiker auch hier auf Platz eins.

Haley, oft als „weißer Vater des Rock'n'Roll“ bezeichnet, popularisierte einen Stil, der längst von schwarzen Musikern wie Big Joe Turner oder Wynonie Harris geprägt worden war. Mit seiner Mischung aus Country, Blues und Rhythm & Blues machte er den Rock'n'Roll für ein Massenpublikum zugänglich. Auch wenn Elvis bald das Rampenlicht übernahm, bleibt Haley als einer der Wegbereiter unvergessen.


Chuck Berry – „Maybellene“

Mit „Maybellene“ revolutionierte Chuck Berry 1955 den Rock'n'Roll und landete einen seiner ersten großen Hits. Der Song, inspiriert von dem Western-Swing-Stück „Ida Red“, kombinierte schnelle Gitarrenriffs, einen treibenden Beat und einen intelligenten Text – eine Blaupause für den Rock'n'Roll.

Berry brachte den schwarzen Rhythm & Blues in den weißen Mainstream und prägte den Sound des Genres nachhaltig. Sein charismatisches Auftreten und sein berühmter „Duckwalk“ machten ihn zur Legende. Ohne Chuck Berry wären spätere Ikonen wie die Beatles oder die Rolling Stones, die zahlreiche Songs von ihm aufnahmen, kaum denkbar.


Ruth Brown – „As Long As I’m Moving“

Ruth Brown war eine der ersten Frauen, die dem Rock'n'Roll ihren Stempel aufdrückten. „As Long As I’m Moving“ zeigt ihren energiegeladenen Stil, der Rhythm & Blues mit einem rauen, treibenden Groove verbindet. Ihre kraftvolle Stimme und ihr selbstbewusstes Auftreten machten sie zur „Queen of R&B“ und beeinflussten spätere Rock'n'Roll-Sängerinnen wie Wanda Jackson.

Als Star von Atlantic Records, dem „House That Ruth Built“ und späteren Zuhause von Aretha Franklin, machte sie das Label groß. Ohne sie, die Jahrzehnte später ein Comeback als Bluessängerin feierte, wäre die Entwicklung des weiblichen Rock'n'Roll undenkbar.


Little Richard – „Tutti Frutti“

„Tutti Frutti“ mit dem berühmten „A-wop-bop-a-loo-bop-a-lop-bam-boom!“ setzte neue Maßstäbe in Sachen Energie und Rhythmus. Little Richards wilde Klavierläufe, sein schriller Gesang und seine unbändige Bühnenpräsenz machten ihn zu einer der schillerndsten Figuren des Genres. Die Originalzeile „Tutti Frutti, good booty / If it don’t fit, don’t force it / You can grease it, make it easy“ spielte offensichtlich auf Analverkehr an, weshalb der Song für den Radioeinsatz entschärft werden musste.

Little Richard war einer der ersten zumindest teilweise offen homosexuellen Musiker des Rock'n'Roll. In den 1950er Jahren lebte er seine Sexualität in der Musikszene relativ offen aus, obwohl Homosexualität damals stark stigmatisiert war. Später distanzierte er sich davon und erklärte sich als „geheilt“, nachdem er sich als wiedergeborener Christ der Religion zugewandt hatte.


Fats Domino – „Ain’t That a Shame“

Fats Domino war einer der größten Superstars des frühen Rock'n'Roll und verkaufte über 65 Millionen Platten. Mit dem unendlich oft gecoverten „Ain’t That a Shame“ landete er nach zahlreichen R&B-Erfolgen seinen ersten Crossover-Hit und in den US-Top-10.

Sein charismatischer Gesang, das rollende Piano und der mitreißende Rhythmus machten den Song zu einem Klassiker. Pat Boone nahm eine weichgespülte Version für das weiße Publikum auf (Platz eins in den USA!), aber Dominos Original blieb letztlich die authentischere und beliebtere Version. 


Bo Diddley – „Bo Diddley“

Bo Diddley revolutionierte den Rock ‚n‘ Roll mit seinem einzigartigen Rhythmus - und sein Song „Bo Diddley“ war der Startschuss. Vom ersten Ton an war klar, dass sein Auftritt anders sein würde als alles, was man bis dahin in der legendären „Ed Sullivan Show“ gesehen hatte.

Sein treibender, hämmernder Beat und die markante Tremolo-Gitarre erzeugen einen unwiderstehlichen Sog, der den Song vorantreibt. Dieser legendäre TV-Auftritt gilt heute als der erste echte Rock'n'Roll-Auftritt im amerikanischen Fernsehen. Mit seinem unverwechselbaren Stil schrieb Bo Diddley Musikgeschichte – ohne ihn gäbe es viele der größten Rockhits nicht.


Elvis Presley – „Mystery Train“

Der junge Elvis Presley, 1955 noch nahezu unbekannt, verwandelte mit „Mystery Train“ einen Blues-Song von Junior Parker in einen frühen Rockabilly-Song. Die Aufnahme für das Label Sun, seine letzte Single dort, ist eine Verschmelzung von Blues und Country, die zu einer intensiven, wild rockenden Performance führt. 

Scotty Moores treibendes Gitarrenriff und sein herausragendes Solo, Bill Blacks Slap-Bass-Spiel und Elvis’ präzise gespielte Rhythmusgitarre erzeugen Spannung. Die Mischung dieser Elemente zeigt bereits den Stil, der Elvis später zum „King“ machen sollte. „Mystery Train“ gilt als einer der aufregendsten frühen Rockabilly-Songs und als Paradebeispiel für Elvis' bahnbrechenden Sound.


Etta James and the Peaches – „The Wallflower (Roll With Me, Henry)“

Weibliche Rock'n'Roll-Stars waren 1955 noch rar. Die R&B-Legende Etta James, heute besser bekannt für opulente Soul-Balladen wie „At Last“, war eine der ersten, die mit dem Sound Erfolge feiern konnte. Mit „The Wallflower (Roll With Me, Henry)“ landete sie einen frechen, rhythmisch treibenden Hit, der als Antwort auf Hank Ballards „Work With Me, Annie“ gedacht war.

Der Song verband kraftvollen R&B mit einem mitreißenden Groove und machte James zu einer der wenigen Frauen, die sich in der frühen Rock'n'Roll-Szene behaupten konnten. Wegen des anzüglichen Textes wurde der Song für das weiße Publikum unter dem Titel „Dance With Me, Henry“ neu aufgenommen. 


Johnny Cash – „Folsom Prison Blues“

Natürlich war Johnny Cash in erster Linie Country-Musiker, aber mit seinen frühen Aufnahmen für das Sun-Label hatte er großen Einfluss auf den Rockabilly seiner Zeit. Mit „Folsom Prison Blues“ schuf er 1955 einen Song, der mit seinem treibenden Rhythmus und dem markanten Gitarrenspiel den frühen Rockabilly aufgriff. 

Inspiriert von Gordon Jenkins' „Crescent City Blues“ und der Gefängnisdokumentation „Inside the Walls of Folsom Prison“ erzählt Cash eine eindringliche Geschichte von Schuld und Reue. Die Zeile „I shot a man in Reno just to watch him die“ wurde zu einer seiner bekanntesten. Die Live-Version von 1968 machte den Song endgültig zu einem seiner größten Klassiker.


Elvis Presley – „Baby Let's Play House“

Eine weitere, weniger bekannte Perle des King: „Baby Let’s Play House“ war Elvis Presleys erste Single, die es vor seinem Durchbruch zumindest in die Country-Charts schaffte. Das von Sun Records veröffentlichte Stück basierte auf einer früheren Aufnahme von Arthur Gunter, doch Elvis machte daraus mit seinem wilden Gesang und der treibenden Rockabilly-Energie etwas ganz Eigenes.

Vor allem seine markanten Echoeffekte und der energiegeladene Rhythmus zeigen, wie sehr er den Sound des frühen Rock'n'Roll prägte. „Baby Let’s Play House“ war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Superstar.


Bill Haley & His Comets – „See You Later, Alligator“

„See you later, alligator“ machte eine bereits verbreitete Redewendung endgültig weltberühmt – und die passende Antwort „After a while, crocodile“ gleich mit. Der Song wurde 1954 von Bobby Charles geschrieben und Ende 1955 von Bill Haley & His Comets zum Hit gemacht.

Mit swingenden Rhythmen, Bläsersätzen und einem mitreißenden Refrain zeigt er, wie sehr der frühe Rock'n'Roll aus dem Swing hervorgegangen ist. Haley brachte diesen Sound auf die Tanzflächen der Jugend und machte ihn für das neue Jahr 1956 salonfähig. Während der Rock'n'Roll weiter an Bedeutung gewann, wurde Haleys Musik zum Bindeglied zwischen der Vergangenheit und einer neuen Ära, in der sich die Jugend zunehmend über diesen Sound definierte.