„Löwenzahn“ wird 45 Jahre alt. Schauspieler Guido Hammesfahr, der die Kinderwissenssendung als Fritz Fuchs 2006 von Peter Lustig übernahm, spricht im Interview über das Erfolgsrezept und steigende Abrufzahlen.
Guido Hammesfahr im Interview„Ich wollte nie mit erhobenem Zeigefinger dastehen“

Als Fritz Fuchs erklärt Guido Hammesfahr bei „Löwenzahn“ seit bald 20 Jahren Kindern die Wunder unserer Welt. (Bild: ZDF/Zia Ziarno)
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Guido Hammesfahr war selbst noch ein Kind, als am 24. März 1981 die erste Folge „Löwenzahn“ im ZDF über die Bildschirme flimmerte. An die Geschichte unter dem Titel „Peter zieht um“ kann sich der heute 56-Jährige noch gut erinnern, wie er im Interview verrät. Angetan hatte es ihm wie vielen anderen Kindern vor allem der ikonische blau Bauwagen, den der damalige Moderator Peter Lustig mit viel Ideenreichtum in ein „Tiny House“ umwandelte. Das Ganze ist inzwischen 45 Jahre her, denn produziert wurde diese erste Folge „Löwenzahn“, die auf die Vorgängersendung „Pusteblume“ (ebenfalls mit Peter Lustig) folgte, bereits im Jahr 1980. Was sich seither in der Welt von „Löwenzahn“ und seinem Publikum getan hat, erzählt Guido Hammesfahr im Interview. Außerdem verrät der Schauspieler, der das Format seit 2006 in der Rolle „Fritz Fuchs“ präsentiert, welche Themen er gerne noch bei „Löwenzahn“ behandeln würde.
Zum 45. Geburtstag von „Löwenzahn“ widmet das ZDF nun sein gesamtes tivi-Kinderprogramm am Tag der Arbeit (Donnerstag, 1. Mai) der charmanten Welterklärer-Sendung. Los geht es um 5.30 Uhr mit der Wiederholung des Fernsehfilms „Löwenzahn - Abenteuer in Südafrika“ (2020). Im Anschluss folgen eine Episode des 2012 gestarteten Ableger-Formats „Löwenzähnchen“ für Vorschulkinder sowie acht reguläre „Löwenzahn“-Folgen. Erstmals ausgestrahlt wird um 8.45 Uhr die Episode „Regenbogen - Die beste Freundin“. Auch der Kinderkanal KiKA zeigt mit „Hecke - Ein Irrgarten fürs Märchen“ eine neue „Löwenzahn“-Folge um 19.25 Uhr.
teleschau: „Löwenzahn“ gibt es seit 45 Jahren. Was ist Ihre erste Erinnerung an das Format?

„Löwenzahn“ wird 45 Jahre alt! Zum halbrunden Jubiläum treffen mit Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr, links) und Peter Lustig zwei Generationen von Welterklärern im ZDF noch einmal aufeinander. (Bild: ZDF/Antje Dittmann)
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Guido Hammesfahr: Meine erste Erinnerung an die Sendung ist tatsächlich die erste Folge „Peter zieht um“. Da ist er in den Bauwagen gezogen. Als ich die sah, muss ich so elf Jahre alt gewesen sein. Das fand ich schon sehr beeindruckend, dass da so ein, heute würde man sagen „Tiny House“ entsteht, und er dadurch ein neues Wohnkonzept erfindet. Die Wohnung, die er in der Sendung zuvor hatte, war so laut, weil sie in der Einflugschneise eines Flughafens lag. Insofern ist diese Sendung auch aus heutiger Sicht noch ganz aktuell: Der Trend zum Tiny House hält an und wird sogar größer.
teleschau: Gibt es mehr von diesen Parallelen? Dass Sie in alten „Löwenzahn“-Filmen Erfindungen entdecken, die es heute tatsächlich gibt?
Hammesfahr: (lacht) Das passiert schon häufiger. Wir haben immer einen ganz guten Bezug zur Wirklichkeit. Diesem Konzept sind wir treu geblieben. Natürlich hat „Löwenzahn“ heute einen anderen Charakter, aber die Schwerpunkte Natur, Umwelt und Technik bedienen wir weiter. Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir immer eine komplette Geschichte erzählen. Die fiktionale Ebene ist immer da. Deshalb brauchen wir aber auch ein bisschen länger als die Kolleginnen und Kollegen von der „Sendung mit der Maus“. Die können ein kleines Team irgendwo hinschicken, um herauszufinden, wie eine Maschine funktioniert. Wir hingegen haben einen Vorlauf von mindestens einem Jahr: von der Idee bis zum Buch bis zur fertigen Sendung sind das ein bis anderthalb Jahre.
„Wir machen den Kindern nichts vor“

In der Episode „Lebenswandel - Zeitreise in Bärstadt“ möchte Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr, rechts) die Lebenswandelbetrachtungsmaschine nachbauen. Erfunden wurde sie einst von Peter Lustig (Mitte) selbst noch einmal in seiner alten Bleibe vorbeischaut. Das lässt sich natürlich auch Nachbar Paschulke (Helmut Krauss) nicht entgehen. (Bild: ZDF/Antje Dittmann)
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teleschau: „Löwenzahn“ ist neben der „Sendung mit der Maus“, dem „Sandmännchen“ und „1, 2 oder 3“ eine der langlebigsten deutschen Kindersendungen. Was ist das Erfolgsrezept?
Hammesfahr: Ich glaube, wir sind einfach auf Augenhöhe geblieben. Das habe ich von Peter Lustig übernommen. Wir verwenden keine Kindersprache, sondern eine normale verständliche Sprache, und wir machen den Kindern nichts vor, sondern vermitteln die Tatsachen eins zu eins. Deswegen ist es auch immer ganz wichtig, dass ich die Dinge verstehe. Wenn ich Dinge erkläre, muss ich das so wortgerecht machen, dass ich es selber nachvollziehen kann.
teleschau: Wie genau machen Sie das? Peter Lustig beispielsweise erzählte einst in einem Interview, er erkläre komplizierte technische Abläufe in Gedanken Goethe.
Hammesfahr: (lacht) Auf Goethe bin ich noch nicht gekommen. Ich versuche, die Dinge einfach mir selber deutlich zu machen, und wenn ich das lese und es passt nicht, dann mache ich es mir passend. Aber ich arbeite mit den Autoren jetzt auch schon so lange zusammen, dass wir uns da angeglichen haben. Also da ist nicht viel, was ich noch ändern muss, sondern sie haben schon den richtigen Ton gefunden mittlerweile und wissen, wie ich ticke.
„Wir Erwachsenen sind mehr oder weniger Zaungäste“

Im 2020 erstausgestrahlten Fernsehfilm „Löwenzahn - Abenteuer in Südafrika“ ging Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr) auf Safari. (Bild: ZDF/Emil Wessels)
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teleschau: Im kommenden Jahr 2026 feiern Sie 20 Jahre bei „Löwenzahn“. Interessieren die Kinder heutzutage andere Themen als in Ihrer Anfangszeit?
Hammesfahr: Hm, ja. Der Fritz Fuchs hat inzwischen ein Tablet. Er hat auch einen Laptop und ein Mobiltelefon. Das gab es früher in dieser Form nicht. Dazu haben wir dann auch entsprechende Themenbereiche gehabt, weil das ja auch eine wichtige Sache ist, wie man mit dem Internet richtig umgeht: Worauf muss ich achten? Und wie kann ich mich schützen? Die aktuell erfolgreiche Netflix-Serie „Adolescence“ zeigt auch, dass man genau hinschauen muss, wie junge Menschen das Internet und die sozialen Medien nutzen. In der Vergangenheit hatten wir auch eine Folge zum Thema „Demokratie“, die mir sehr wichtig war und an der ich auch selbst mitgeschrieben habe. Wir haben immer noch den Schwerpunkt Umwelt und Technik, öffnen uns aber auch anderen Themenbereichen. Das funktioniert ganz gut.
teleschau: Inwieweit sind die Kinder dabei in die Themenfindung und die Gestaltung der Sendung involviert?

Gemeinsam mit seinem Hund Keks erklärt Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr) seit 2006 aus dem ikonischen blauen Bauwagen heraus Kindern die Welt. (Bild: ZDF/Zia Ziarno)
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Hammesfahr: Bei der Folge zur Demokratie haben wir ganz bewusst darauf geachtet, dass dieses Thema von den Kindern, die in der Folge mitspielen, entdeckt und gelebt wird, und dass wir Erwachsenen mehr oder weniger Zaungäste sind. Ich wollte nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen und sagen: „So funktioniert das.“ Sondern ich wollte nachvollziehbar machen, wie man die Demokratie entdeckt, und das auf einem Abenteuerspielplatz. Der Themenvorschlag kam auch von den Kindern. Die schicken immer wieder Fragen oder Themenvorschläge in unsere Redaktion. Dort werden sie dann geprüft. Man muss nur immer ein bisschen geduldig bleiben, bis es eine Frage in die Sendung schafft, weil wir eben diesen langen Vorlauf haben.
teleschau: Hätten Sie bei der Ausstrahlung Ihrer ersten „Löwenzahn“-Folge 2006 eigentlich gedacht, dass Sie das Format so lange moderieren werden?
Hammesfahr: Nein, das kommt mir auch noch gar nicht so lange vor. Die Jahre sind so dahingeflogen. Das ist ein ganz gutes Zeichen, dass ich mich in dem Format sehr wohlfühle. Wer hat auch schon einen Arbeitsplatz, an dem er nur draußen ist? Ich bin von Mai bis September nur draußen. Das ist ein großer Gegensatz zu dem, was ich vorher gemacht habe. Ich habe ja auch als Bühnenschauspieler gearbeitet. Da sieht man das Tageslicht eigentlich nie. Bei „Löwenzahn“ hingegen muss ich schon öfter mal die Sonnencreme benutzen.
„Der 'Löwenzahn'-Kosmos hat sich ein bisschen verändert“

In einer neuen „Löwenzahn“-Episode suchen Yasemin Saidi (Sanam Afrashteh) und Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr) nach dem Anfang des Regenbogens. (Bild: ZDF/Zia Ziarno)
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teleschau: Wie geschmeidig lief damals der Übergang von Peter Lustig zu Fritz Fuchs?
Hammesfahr: Uns war es am wichtigsten, dass unser Kernpublikum der Sechs- bis Zwölfjährigen den Wechsel gut aufnimmt. Da bekam ich von Anfang an eine sehr gute Resonanz. Für viele, die noch das alte „Löwenzahn“ mit Peter Lustig vor Augen haben, war der Wechsel sicher ein schwerer Schnitt, aber es ging ja darum, das Format weiterzubringen, denn ich glaube, wenn so ein Format ein Ende findet, dann wird nichts Entsprechendes mehr nachkommen.
teleschau: Wie genau hat sich das Format seit dem Weggang von Peter Lustig verändert?
Hammesfahr: Letztlich sind es nur ganz kleine dramaturgische Veränderungen, die oft auch mit der Technik zu tun haben: als ich angefangen habe, haben wir noch auf Filmmaterial gedreht. Dann hatte es oft einen theatralischen Charakter, weil wir die Sachen im Vorfeld sehr geprobt haben. Heute können wir sehr viel schneller agieren, weil wir digital aufzeichnen. Wir haben eine höhere Schnittgeschwindigkeit. Da haben wir uns den Sehgewohnheiten angepasst. Das bringt eine andere Dynamik rein. Auch der „Löwenzahn“-Kosmos hat sich ein bisschen verändert: Bei Fritz Fuchs gleich nebenan wohnt jetzt David, der Neffe vom alten Nachbarn Herrn Paschulke. Und dann gibt es den überaus peniblen Ordnungsbeamten Heinz Kluthe. Gespielt werden die beiden von Daniel Zillmann und Holger Handtke. Und da gibt es immer viel zu Lachen am Set ...
„Die Abrufzahlen steigen seit der Pandemie weiter an“

Die Zwillinge Dani (Gisa Flake) und David Paschulke (Daniel Zillmann, rechts) sind seit Wegzug ihres Onkels Heinz Paschulke 2020 die neuen Nachbarn von Fritz Fuchs (Guido Hammesfahr). (Bild: ZDF/Zia Ziarno)
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teleschau: Die Sehgewohnheiten der Kinder sind heutzutage viel von den sozialen Medien geprägt, in denen Videos oft kürzer als eine Minute sind. Eine „Löwenzahn“-Folge dauert aber nach wie vor 25 Minuten. Wie reagieren die Kinder darauf?
Hammesfahr: Wir können anhand der Abrufzahlen in der Mediathek genau sehen, wie lange eine Folge geschaut wird. Wird nur eine Dokumentation gesehen oder die ganze Folge? Es ist tatsächlich so, dass die ganze Folge geguckt wird. Das heißt, irgend etwas fasziniert die Kinder an „Löwenzahn“ nach wie vor so sehr, dass sie auch die gesamte Folge anschauen. In jeder Folge gibt es ein Problem, dem sich Fritz Fuchs stellen muss. Und beim Suchen nach Lösungen nimmt er die Kinder mit an die Hand. Das scheint als Konzept gut zu funktionieren. Denn die Quoten sind immer noch stabil, in der Mediathek haben wir aber viel mehr Abrufe, Tendenz steigend.
teleschau: Während der Corona-Pandemie verzeichnete „Löwenzahn“ wie viele andere Kinderformate besonders hohe Einschaltquoten. Wie ist das heute? Konnten Sie ein neues Stammpublikum dazugewinnen?
Hammesfahr: Absolut! Die Abrufzahlen steigen seit der Pandemie weiter an. „Löwenzahn“ ist weiterhin eine der am meisten abgerufenen Sendungen des ZDF.
teleschau: Welche Themen würden Sie mit „Löwenzahn“ in Zukunft gerne noch beackern?
Hammesfahr: Mich interessiert das Thema Weltraum und Raumfahrt sehr. Da müssen wir mal sehen, wie wir das umsetzen können, weil die Sendung ja auch immer finanzierbar bleiben muss. Ich würde mich freuen, Fritz Fuchs mal auf eine Schulung für Astronauten zu schicken, damit er sehen kann, was die alles leisten müssen. Und weil ich selbst ein begeisterter Segler bin, würde mich interessieren, wie lange es schon Segelboote gibt. Wie wurden sie früher genutzt? Und spielt das Thema Wind und Segeln vielleicht auch heute wieder eine Rolle, weil wir dadurch Rohstoffe sparen könnten?
teleschau: Sie moderieren „Löwenzahn“ seit rund 20 Jahren, Peter Lustig kam zusammen mit der „Löwenzahn“-Vorgängersendung „Pusteblume“ auf 28 Jahre. Wollen Sie ihn noch überholen?
Hammesfahr: Mal sehen, was kommt. Im Moment fühle ich mich noch fit, und wenn ich es dann irgendwann auch noch schaffe, meinen Astronautentest zu bestehen, dann sehe ich der Zukunft positiv entgegen. (tsch)