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Rettung für den WaldDer Wald der Zukunft

Lesezeit 6 Minuten
reh im Wald

Ein Reh frisst junge Eichentriebe. Zwischen Jägern und Förstern gibt es Streit. Die Förster wollen, dass deutlich mehr Tiere geschossen werden, damit sie nicht den neuen Wald zerstören. Die Jäger wollen sich nicht zu Schädlingsbekämpfern degradieren lassen.

Köln/Arnsberg – Wo die Wälder noch rauschen – lautet die erste Zeile des Bergischen Heimatliedes. Und wirklich, wer noch vor drei Jahren die Autobahn A4 von Köln in Richtung Olpe fuhr, sah rechts und links der Autobahn dort Fichten, dunkel-düster wie im Schwarzwald. Doch drei trockene Jahre haben sie so geschwächt, dass sie sich nicht mit ihrem Harz gegen eine Armee von Borkenkäfern wehren konnten. Und so starben die einst rauschenden Wälder binnen kürzester Zeit.

Heute sehen die Flächen aus wie Wüsten, hin und wieder ragt ein Überlebender aus der Holz- und Nadel-Steppe. Das ist das Ende, da sind sich Forstleute weitgehende einig: Die Fichte ist im Rheinland Geschichte. Die aus dem Hochgebirge stammende Art wird die durch den Klimawandel immer wärmer werdenden Sommer nicht überleben.

Fichten einfach aufzuforsten ist kein Ausweg. In wenigen Jahren stünden wir vor dem gleichen dürren Bild. Stellt sich die Frage, wie der Wald der Zukunft aussehen wird.

Bäume vom Mittelmeer

Forstwissenschaftler sind auf der Suche nach Bäumen, die dem Klimawandel trotzen. Klingt simpel, ist aber ein Dilemma. Denn einfach Bäume aus warmen Gegenden bei uns anzupflanzen, hat ökologische Nachteile. Von einem nicht heimischen Baum profitiert nicht mal ein Bruchteil der Insekten, zudem verdrängt er heimische Arten.

Waldserie-Douglasie (1)

Mit der Frage nach den Baumarten der Zukunft setzt sich Bertram Leder, Leiter des Zentrums für Wald- und Holzwirtschaft, auseinander. Das kann seine Zeit dauern. Schnelle Antworten gibt es nicht. „Es ist ja nicht wie bei einem Bauern, der ein Jahr eine neue Getreide-Art testet, und schon zwölf Monate später weiß, ob sie gut angeht oder nicht“, sagt Leder. Die Zyklen im Waldbau dauerten Jahrzehnte, manchmal 100 Jahre. Angesichts dessen stellen sich viele die Frage, ob zu unseren Lebzeiten überhaupt wieder gesunder Wald entsteht.„Wir gehen in vier Prioritätsstufen vor“, sagt der promovierte Forstmann. Priorität eins haben heimische Bäume. „Wir werden sicher die Buche weiter sehen, aber an anderen Standorten“, sagt der Förster. Selbst die Fichte komme noch in Frage, aber nur vereinzelt, in bestimmten kalten Lagen, und auf keinen Fall in Reinform.

Waldserie-Robinie

Der Pflanzung der Fichte in Monokultur wird schließlich die größte Mitschuld am Kahlschlag gegeben. Außerdem ist die Fichte her gar nicht heimisch. Schon Plinius der Ältere nannte im Jahr 20 diese Baumart in Zusammenhang mit Berg und Kälte. Wirklich heimische Alternativen seien Kiefern und Eschen und natürlich die Eichen, aber auch sie sind nicht optimal und haben ihre Schädlinge. Eine Möglichkeit, die auch schon angepflanzt wird, wäre die Traubeneiche. Sie ist von Italien bis Skandinavien heimisch, wird aber in Deutschland oft von der Buche verdrängt. Am Mittelmeer bildet sie Wälder mit der Eiche.

Angst vor fremden Arten

Priorität zwei haben laut Förster Leder Bäume aus südlicheren, trockenen Gefilden, die besser an wenig Niederschlag gewöhnt sind. „Infrage kommt die slawonische Eiche, die in Kroatien wächst“, sagt Leder. Sie wurde in Deutschland mit einem Schwerpunkt auch im Rheinland angebaut. Es gibt Testflächen in einer Größe von 100 Hektar, mit einem Alter von 100 Jahren, sagt Leder.

Waldserie-Traubeneiche

Priorität drei haben wieder heimische Bäume, die bislang eher Nischenfunktionen als Nebenbaumart erfüllt haben. „Konkret könnten das Hainbuche oder Winterlinde sein“, sagt der Wissenschaftler. Die Hainbuche ist eine alte Bekannte, sie hat einen verdrehten Stamm, woher das Wort „hanebüchen“ stammt. Sie sind hitzebeständig.

Erst bei Priorität vier kommt der Experte zu eingeführten, fremden Arten. Schon seit 120 Jahren Erfahrungen gemacht hat man etwa mit der Douglasie. Zerbricht man ihre Nadeln zwischen den Fingern, entweicht ein zitronenhafter Duft. Beheimatet ist sie im Nord-Westen der USA. Der Haken: Die Douglasie wurde in Deutschland vom Bundesamt für Naturschutz als invasive Art eingestuft: Im Jahr 2013 wurde sie auf die Schwarze Liste invasiver Arten aufgenommen. Der Grund: Auf vielen Bodentypen sei die Douglasie dominant und verdränge heimische Arten.

Waldserie-Birke

Andere importierte Bäume mit brauchbaren Eigenschaften sind die Küstentanne (Nordwestamerika), die Roteiche oder die Robinie (beide östliche USA). Bei letzterer streiten sich die Gelehrten. Während sie von einem Gremium aus Naturschützern, Forstleuten, Jägern, Gewerkschaftern und Botanikern zum Baum des Jahres 2020 gewählt wurde, fürchten andere sie. Auch sie steht auf der Liste der fremden Arten, weil sie bestimmte einheimische Bäume verdrängen kann. Andererseits: Ihr Holz ist geradezu perfekt. Widerstandsfähiger sogar als Eiche, hält sich lange ohne Anstrich im Regen und wird als guter Ersatz für Tropenholz gesehen. Viele Geräte auf Kinderspielplätzen werden daher aus Robinienholz gebaut.

Die Debatte um die Exoten ist nicht neu. Tatsächlich werden schon seit Urzeiten fremde Baumarten in Deutschland angepflanzt. „Schon die Römer brachten Walnuss und Edelkastanien mit über die Alpen, Roteichen und Robinien wurden auch schon im 17. Jahrhundert im heutigen NRW eingeführt“, sagt Förster Leder.

Ist der Plenterwald die Rettung?

Möglicherweise sind aber nicht nur die Baumarten der Schlüssel zum Wald der Zukunft, sondern dessen Aufbau. Bislang setzte man oft auf Hochwald in Monokultur. Für Heiner Heile, Teamleiter beim Lehr- und Versuchsforstamt NRW ist der sogenannte Plenterwald die edelste Form der Forstwirtschaft. „Er ist ein sich stetig verjüngender Dauerwald, in dem Bäume aller Dimensionen kleinstflächig bis einzelstammweise vermischt sind“, sagt Heile. Im Plenterbetrieb werden einzelne Bäume gefällt und so ein permanenter Hochwald geschaffen. Trotz des vermeintlich urwaldähnlichen Charakters ist der Plenterwald ein bewirtschafteter Forst. „Diese Waldform kann aber nicht wie ein Fichtenforst mit großen Maschinen wie Harvestern bearbeitet werden“, sagt Heile. Entsprechend sind die Anforderungen an den Arbeitsschutz extrem hoch. Für Heile ist klar, dass generell nur der Mischwald eine Zukunft hat in unseren Breiten.

Konflikt: Müssen die Tiere aus dem Wald weichen

Die Sorge, dass zu unseren Lebzeiten kein neuer Wald im Rheinland mehr gedeiht, teilt der Diplom-Forstwirt zum Glück nicht. „Die aktuelle Massenerkrankung des Waldes bietet auch eine Chance. Gerade schlägt die Stunde Null für den Wald “, sagt Heile. Glaubt man ihm, dann wird man auf den braunen Kahlflächen schon in weniger als zehn Jahren wieder grüne Wälder sehen. Oder besser Vorwälder aus Pionierbäumen wie Birken, Aspen und Lärchen, die später von Zukunftsbäumen abgelöst werden.

Waldserie-Hainbuche

Glaubt man den Förstern, kann der Waldumbau nur gelingen, wenn Rehe und Hirsche, die junge Bäume stark schädigen, viel stärker bejagt werden. Ein Eingattern der Schonungen sei zu teuer und aufwendig, meinen Leder und Heile.Was viele nicht wissen: Die Jäger in Deutschland haben keine Höchstgrenze zum Abschuss von Tieren, sondern eine Mindestquote. Tendenziell wollen sie lieber weniger als mehr Tiere erlegen. Der „Wald-Wild-Konflikt“ entzweit Jäger und Förster. Für Rehe und Hirsche sind die vielen bald grünen Kahlflächen ein Nahrungsparadies. Entsprechend dürften sie sich rasch vermehren. Daher müsse der Abschuss erhöht werden, sagen die Förster, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Den Gegebenheiten vor Ort angepasst, sagen sie. Kommt es jetzt zu einem Radikalabschuss? In Warstein etwa hat man den Abschuss der dort lebenden kleinen Sika-Hirsche vor einigen Jahren auf 50 Prozent erhöht. „Selbst das hat nicht gereicht um den Wald zu schützen“, sagt Förster Heile.Beim Landesjagdverband hat man zugesichert, Waldbauern und Förster nicht im Regen stehen zu lassen, und den Abschuss zu erhöhen, heißt es in einer Erklärung.

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Doch die Jäger wollen sich auch nicht zu reinen Schädlingsbekämpfern degradieren lassen. „Wald und Wild gehören zusammen“, sagt LJV-Sprecher Andreas Schneider. Nur die Jäger in die Pflicht zu nehmen, sei falsch: „Das lenkt nur von eigenen Versäumnissen der Forstverwaltung ab, die in NRW radikal ausgedünnt worden ist.“ Ohne Schutzgatter für die jungen Pflanzen werde es nicht gehen.