Krimi um das InselgymnasiumSchulstreit auf Nonnenwerth spitzt sich zu
Remagen – Als es endlich um die Person gehen soll, wegen der Jan Radermacher den weiten Weg aus Frankfurt auf sich genommen hat, steht er von seinem Stuhl in der letzten Reihe auf, geht ans Mikrofon und macht seinem Ärger Luft. Radermacher ist ehemaliger Schüler des Gymnasiums Nonnenwerth, dem Ende des Schuljahrs nach fast 170-jähriger Geschichte die Schließung droht. Die Schule, idyllisch gelegen auf einem kleinen Eiland im Rhein bei Remagen, war von Schwestern des Franziskanerordens im Dezember 2019 an den aus den USA stammenden Geschäftsmann Peter Soliman verkauft worden. Inzwischen herrschen Streit und Zwietracht.
Es ist Dienstagabend, in der Aula der Realschule Osterath tagt der Kulturausschuss der Stadt Meerbusch. Tagesordnungspunkt 2.1 ist das Haus Meer, wie Nonnenwerth ein denkmalgeschütztes Gebäude mit viel Prestige. Gekauft hatte es bereits 2016 Peter Soliman, der mit seiner Familie in Meerbusch lebt. Das Haus aber, so der Vorwurf, rotte an vielen Stellen vor sich hin und die Ausschussmitglieder fordern, dass Soliman endlich notwendige Sanierungsarbeiten umsetzt. Passiert sei bislang fast nichts. Der Unmut der Lokalpolitiker aber ist gewachsen, das Vertrauen in Soliman geschwunden.
Es ist die Rede von einem Skandal
Radermacher, Mitglied von Transparency International und Junior Researcher beim Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, bringt sich am Mikrofon in Stellung. Er will die Anwesenden aufrütteln, ihnen darlegen, mit wem sie es da zu tun haben. Soliman habe viel Leid über die Insel und die Schulgemeinschaft gebracht. Radermacher spricht von einem Skandal und angesichts des Auftretens von privater Security an der Schule von „psychologischer Kriegsführung“.
Neben Radermacher sind vier Mütter von Nonnenwerther Schülern nach Meerbusch gereist. Sie wittern Parallelen im Umgang mit beiden Denkmälern. Sie verteilen Flugblätter an die Lokalpolitiker, auf denen ganz oben fett gedruckt die Frage steht: „Dubioser Investor ruiniert Traditionsschule?“ Sie vermuten, dass Soliman entgegen seiner öffentlichen Beteuerungen nie ernsthaft vorhatte, die Schule zu erhalten, sondern, wie ein im Frühjahr 2021 aufgetauchtes Exposé einer Kölner Immobilienfirma nahelege, sie möglicherweise zu einer Luxus-Wohnanlage umbauen zu wollen.
An diesem Abend sollte Soliman dem Ausschuss endlich seine Pläne zu Haus Meer erläutern. Doch er hat kurzfristig abgesagt. Wegen der jüngsten Vorkommnisse, wie der Meerbuscher Bürgermeister erklärt.
Mit Schnellbooten auf die Insel übergesetzt
Damit meint er die Ermittlungen der Koblenzer Staatsanwaltschaft. Die ließ vor zwei Wochen 13 Geschäftsräume in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen durchsuchen, darunter nach Informationen dieser Zeitung auch den Nonnenorden sowie Solimans Privathaus und die „International School on the Rhine“ (ISR) in Neuss, die ihm ebenfalls gehört. Morgens gegen 10 Uhr, während des Schulbetriebs. Auch auf Nonnenwerth landeten die Ermittler an. Mit Polizeibooten hätten sie am Ufer festgemacht und sich dann Zeugenaussagen zufolge durch die Büsche geschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst nach eigenen Angaben wegen des Verdachts auf Betrug in zwei Fällen. Zum einen soll Soliman die Schule unter einem falschen Vorwand gekauft und zum anderen Schulspenden in Höhe von rund einer Million Euro veruntreut haben.
Der Streit um das Gymnasiums Nonnenwerth ist auf dem besten Wege, sich zu einem Krimi auszuweiten. Seit Monaten kämpft die Elternschaft um den Erhalt der Schule. Die Atmosphäre ist vergiftet. Vielen Lehrern wurde bereits gekündigt, Schüler bangen um ihre Zukunft. Wegen einiger Tumulte laufen Strafanzeigen.
Staatsanwaltschaft reagierte schnell
Die Eltern wollen den Beweis erbringen, dass es bei Solimans Geschäften mutmaßlich nicht mit rechten Dingen zugeht. Monatelang haben Väter und Mütter in Eigeninitiative Anhaltspunkte dafür gesucht und Mitte Februar schließlich Anzeige wegen Betrugs erstattet. Bereits knapp einen Monat später schwärmten die Ermittler aus. Ein ungewöhnliches Tempo.
Bei ihrer Razzia hatte es die Staatsanwaltschaft vor allem auf „Chat und E-Mail Kommunikation“ abgesehen, heißt es in dem Durchsuchungsbeschluss, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Außerdem waren die Ermittler auf der Suche nach dem Kaufvertrag für die Insel. Soliman soll den Ordensschwestern zugesichert haben, „die Schule als bedeutsames Lebenswerk fortzuführen“. Dies sei für den Erwerb „unabdingbare Geschäftsgrundlage“ gewesen, heißt es in dem Beschluss.
Soliman weist Vorwürfe zurück
Soliman weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück. Die Betrugsvorwürfe entbehrten jeder Grundlage, teilte er in einer Presseerklärung mit. Eine vertragliche Fortführungsverpflichtung gebe es nicht. Die Anschuldigung, er habe sich an Spendengeld bereichert, sei „nicht nur grundlegend falsch, sondern ehrabschneidend“.
Offenbar waren die Ermittler etwas vorschnell. Schon kurz nach der Durchsuchung musste die Staatsanwaltschaft einräumen, erste Erkenntnisse würden darauf hindeuten, dass es eine rechtsverbindliche Zusage gegenüber dem Orden über eine Fortführung der Schule nicht gegeben habe. Die Ermittlungen dauern an, der Ausgang ist völlig offen. Soliman hat sich inzwischen einen Kölner Medienanwalt genommen.
Soliman gibt an, „naiv“ gewesen zu sein
Die Entscheidung, die Schule zu schließen, rechtfertigt Soliman mit den Kosten für angeblich überraschend aufgetauchte Brandschutzmängel. Auf Anfrage dieser Zeitung hatte der Immobilienexperte erklärt, die Gebäude nie fachmännisch in Augenschein genommen und die Insel im guten Glauben von den Nonnen erworben zu haben. Erst später habe sich herausgestellt, dass das Gebäude nicht den Brandschutzverordnungen entspricht. Er sei damals „naiv“ gewesen, sagte er. Es habe seitens der Nonnen eine Bestätigung „zum guten Zustand des Gebäudes und zu Erfüllung aller Voraussetzungen für den Schulbetrieb“ gegeben, schrieb er dieser Zeitung. Juristische Schritte gegen die Schwestern erwäge er allerdings nicht, erklärt Soliman, da er einen Verzicht auf Schadensersatz gleich mitunterzeichnet habe.
Derzeit kann die Schule nur mit Hilfe einer zeitlich befristeten Duldung der zuständigen Behörde im Landkreis Ahrweiler weiterbetrieben werden. Die komplette Sanierung aber würde Soliman nach eigener Aussage mindestens zehn Millionen Euro kosten. Das sei zu teuer. Schon jetzt müsse er jährlich etwa eine Million Euro in die wirtschaftlich defizitär laufende Schule stecken. Am Schuljahresende werde er daher als Träger ausscheiden.
Eltern suchen verzweifelt neuen Träger
Seit Monaten versuchen die Eltern nun, einen neuen Träger zu finden. Sie hatten sich mit ihrem Verein „Rettet Nonnenwerth“ sogar selbst in Spiel gebracht. Das aber lehnt Soliman bislang ab. Aus seiner Sicht komme nur ein öffentlicher Träger in Frage. Sollte es aber keine Lösung geben, hatte Soliman damit gedroht, die Gebäude, wenn es denn sein müsse, „100 Jahre“ leer stehen zu lassen. Verkaufen jedenfalls wolle er die Insel niemals.
Der öffentliche Druck aber wächst. Die Stadt Remagen wolle mit ihm Gespräche über eine Minderheitsbeteiligung an der Trägerschaft des Gymnasiums führen, heißt es in einer Mitteilung des Bürgermeisters vom Mittwoch. Ob das für ihn in Frage kommt, ist unklar. Mehrfache Anfragen dazu ließ Solimans Anwalt unbeantwortet.
Das könnte Sie auch interessieren:
Am Freitag veröffentlichte die Landrätin des Kreises Ahrweiler einen offenen Brief an Soliman. Darin bezweifelt sie sein Bemühen, die Schulschließung aufrichtig abwenden zu wollen. Sie forderte ihn auf, eine Verlängerung der Brandschutz-Duldung zu beantragen. Der Kreis, das habe dieser stets deutlich gemacht, sei dazu bereit.
Noch am selben Tag verschickte Soliman seine Antwort. Er habe nichts unversucht gelassen, um „einen realistischen Weg für das Weiterbestehen der Schule einzuschlagen“, schreibt er. Zwei Mal bereits habe er die Landrätin erfolglos um einen Termin gebeten. Eine Duldung könne nur dann eine Option sein, wenn jemand gefunden werde, der langfristig den operativen Betrieb der Schule leiten könne und über finanzielle Mittel verfüge, die Brandschutzprobleme zu lösen und die Verluste der Schule zu tragen. „Aktuell fehlt hierfür ein Träger“, schreibt Soliman.
Anmerkung der Redaktion: Das Ermittlungsverfahren gegen Peter Soliman wurde im August 2022 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem sich die Vorwürfe des Betrugs nicht bestätigt hatten. Den Ermittlungen zufolge wurde keine mündliche oder schriftliche Zusage über den Fortbetrieb der Schule erteilt. Auch hinsichtlich einer Spendenaktion, mit der die Rettung des Inselgymnasiums versucht wurde, hat sich der Vorwurf des Betruges nicht bestätigt.