Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Nicht dafür da, Windeln zu wechseln“Immer mehr windeltragende Schüler – Schweizer Lehrer schlagen Alarm

Lesezeit 3 Minuten
Ein Verkehrsschild weist auf einen Schulweg hin. In der Schweiz kommen immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Windeln in die Schule – Lehrkräfte sehen die Eltern in der Pflicht. (Archivbild)

Ein Verkehrsschild weist auf einen Schulweg hin. In der Schweiz kommen immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Windeln in die Schule – Lehrkräfte sehen die Eltern in der Pflicht. (Archivbild)

Bereits im Alter von vier Jahren beginnt für Schweizer Kinder die Schullaufbahn. Das „Windel-Problem“ betrifft jedoch nicht nur die Jüngsten. Schweizer Lehrer sehen die Eltern in der Pflicht. 

In der Schweiz schicken offenbar immer mehr Eltern ihre Kinder mit Windeln in die Schule. Lehrkräfte sehen die Eltern in der Pflicht, Experten zeigen sich ob der Entwicklung besorgt. In der Schweiz beginnt die Primarstufe in der Schule früher als in Deutschland: Bereits im Alter von vier Jahren starten Kinder seit einer Reform in den Unterricht.

Diese Regelung bringt jedoch auch ungewohnte Probleme mit sich, wie nun die Zentralpräsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LHC) der Tageszeitung „20 Minuten“ erklärte.

Schweizer Lehrer besorgt: „Wenn Elfjährige mit Windeln kommen, ist das eine bedenkliche Entwicklung“

Bei vierjährigen Kindern könne es vorkommen, dass die Mädchen oder Jungen noch eine Windel benötigten, so Dagmar Rösler. Doch offenbar kommen nicht nur die jüngsten Schülerinnen und Schüler mit Windel in die Schule: „Wenn Elfjährige immer noch mit Windeln in die Schule kommen, ist das eine bedenkliche Entwicklung“, so Rösler. „Lehrpersonen sind nicht dafür da, die Windeln ihrer Schülerinnen und Schüler zu wechseln. Das geht zu weit“, führte sie aus.

Das heikle Thema rückt in Schweizer Schulen zuletzt immer öfter auf die Agenda von Elternabenden. Auch der Aargauer Schulleiter Philipp Grolimund erklärte nun der „Sonntagszeitung“, dass Windeln in der Schule ein „absolutes No-Go“ seien. Er halte es für falsch, den Eltern der Schulkinder immer mehr abzunehmen. Eine Assistenz für den Windelwechsel könne angestellt werden.

Schweizer Lehrer bemängeln Bequemlichkeit der Eltern

Die Schweizer Pädagogen bemängeln in ihren Wortmeldungen eine zunehmende Bequemlichkeit bei den Eltern, die es versäumen würden, mit ihren Kindern den Gang auf die Toilette zu trainieren. Aber auch die Versprechungen von Windel-Herstellern sehen die Lehrkräfte kritisch. Sie würden damit werben, dass Eltern dank der leistungsfähigen Windeln länger schlafen oder größere Ausflüge planen könnten.

LHC-Präsidentin Rösler forderte jedoch auch einen behutsamen Umgang mit dem Thema. „Lehrpersonen müssen in jedem Fall sensibel mit dem Thema umgehen und diskret sein“, erklärte sie gegenüber „20 Minuten“. Auch Psychotherapeuten warnen vor einer Stigmatisierung windeltragender Kinder in der Schule. „Wenn es nicht an einer körperlichen Beeinträchtigung liegt, kann ein solches Verhalten auf Vernachlässigung oder eine extrem belastete Familiensituation hinweisen“, erklärte der Schweizer Psychotherapeut Felix Hof.

Kinder mit Windeln in der Schule: Warnung vor Mobbing und Stigmatisierung

Eine schwer gestörte Eltern-Kind-Beziehung, Traumatisierungen und schmerzlichste Verlustereignisse können zudem Ursachen für das Windeltragen der Kinder sein, führte er aus. Hof selbst habe in seiner Praxis ein Kind betreut, das im Alter von sieben Jahren noch Windeln brauchte, gab er an. Der Grund: „Ein familiärer Konflikt, der für das Kind so unerträglich war, dass es sich einkotete und einnässte.“

Der Psychotherapeut warnte zudem davor, dass Kinder mit Windeln insbesondere beim Turn- oder Schwimmunterricht mit großer Wahrscheinlichkeit Mobbing ausgesetzt sind. „Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diese Kinder gehänselt oder gemobbt. Die Überforderung der Lehrkräfte macht dann die Unterstützung des Kindes und seiner Eltern noch schwieriger“, sagte Hof. (das)