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Sympathischer als gedachtSo lief Charles’ Start auf dem Thron

Lesezeit 7 Minuten
König Charles III. und Königsgemahlin Camilla vor einem goldenen Thron.

Seit fast 100 Tagen sitzt König Charles III. auf dem Thron. Die bisherige Bilanz fällt positiver aus als gedacht.

König Charles III. sitzt seit fast 100 Tagen auf dem Thron. Dabei verlief der Übergang besser als erwartet. Doch der 74-Jährige sieht sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert.

„Obwohl es eine Zeit der Fröhlichkeit und der großen Freude für viele ist, kann Weihnachten hart für jene sein, die geliebte Menschen verloren haben“, diese Worte stammen aus der letzten Weihnachtsansprache von Königin Elizabeth II. im Jahr 2021. Damals sprach sie mit tiefer Anerkennung über ihren nur wenige Monate zuvor verstorbenen Ehemann Prinz Philip.

Jetzt, ein Jahr später, wird ihr ältester Sohn, König Charles III., an ihrer Stelle die jährliche Rede halten. Dann wird Britinnen und Briten noch einmal schmerzlich bewusst werden, dass sie nun nicht mehr da ist, ihre einstige Monarchin, die Queen.

100 Tage ist es her (am 17.12.), dass König Charles III. das Amt von seiner Mutter übernommen hat – nach Jahren der Vorbereitung. Es war ein Moment, den viele Menschen auf der Insel fürchteten, weil sie sich ihn nicht als Monarchen vorstellen konnten. Dann kam es anders als gedacht. Als der damals 73-Jährige am 9. September das erste Mal vor dem Buckingham-Palast erschien, jubelte ihm die Menge zu.

Journalisten loben Beziehung zum Volk

Am selben Abend hielt er eine emotionale Rede an die Nation, die unter anderem wegen seiner liebevollen Worte über seine Mutter überschwänglich gelobt wurde. „Der Monarch und seine Beziehung zum Volk haben sich verändert“, resümierte eine britische Journalistin. Das Eis sei geschmolzen.

Es war eine überraschende Wendung. Schließlich waren noch im Mai dieses Jahres einer YouGov-Umfrage zufolge nur rund ein Drittel der Britinnen und Briten davon überzeugt, dass Charles ein guter König sein würde. Neuere Erhebungen bestätigen jedoch, dass ihn nun immer mehr Menschen in dieser Rolle akzeptieren. „Er hatte einen guten Start“, bestätigte auch Pauline MacLaran, Royal-Expertin an der Royal-Holloway-Universität in London. „Seine Thronbesteigung verwandelte den unglückseligen Erben in einen würdevollen Souverän“, kommentierte die „New York Times“.

Zu seinem positiven Bild trug bei, dass sich der 74-Jährige in den vergangenen Wochen viel in der Öffentlichkeit zeigte. Bei seinen Besuchen in Krankenhäusern, Schulen und Kirchen in Schottland, Nordirland und Wales gab sich Charles III. locker und gut gelaunt. Dabei ließ er sich – entgegen dem Protokoll – sogar gelegentlich umarmen. Auch seine einstige Geliebte Camilla, mit der er seit über 17 Jahren verheiratet ist, wird zunehmend respektiert.

Schaut man genauer hin, läuft jedoch nicht immer alles glatt für den Monarchen. So wurde er Anfang November von einem 23-Jährigen in York, einer Stadt im Nordosten Englands, mit Eiern beworfen. Einer Reporterin zufolge demonstrierte der junge Mann damit gegen den Umgang des Königshauses mit der Kolonialgeschichte. Das Land sei „auf dem Blut der Sklaverei“ errichtet worden, soll der Angreifer gerufen haben.

Der König gab sich zwar entspannt, bestaunte anschließend die Eierpampe auf dem Asphalt; Anlass zur Sorge geben solche Vorfälle jedoch. Viele junge Menschen wünschten sich, dass die Monarchie und deren Vertreter sich offener zu Problemen äußern, bestätigte Anna Whitelock, Historikerin an der University of London.

Rassismus-Vorwürfe gegen den Palast

Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Königshauses war überdies ein Vorfall im Buckingham-Palast Ende November. Damals berichtete die Aktivistin Ngozi Fulani, dass sie im Rahmen einer Veranstaltung von Königin Camilla von der Hofdame Lady Susan Hussey immer wieder gefragt worden sei, wo sie herkomme –, auch nachdem Fulani betont hatte, dass sie in London geboren wurde. Die schwarze Aktivistin deutete dies als Ausdruck des strukturellen Rassismus im Königshaus. In einer eilig formulierten Mitteilung verurteilte der Palast die Aussagen der Hofdame.

Nur wenige Tage später bewiesen Herzogin Meghan und Prinz Harry, dass auch sie das Königshaus „nicht mit Samthandschuhen anfassen“, wie die britische Tageszeitung „The Times“ es beschrieb. Das Paar hatte Großbritannien im Januar 2020 den Rücken gekehrt, um in den USA ein neues Leben zu beginnen.

Nachdem es wegen schwerwiegender Anschuldigungen ihrerseits schon zuvor zu einem Bruch mit dem Palast gekommen war, veröffentlichten sie in der vergangenen Woche die ersten drei Teile der Dokuserie „Harry & Meghan“. Darin erzählen sie viel über sich, ihre Biografie, wie sie sich kennenlernten; wettern jedoch auch gegen die königliche Familie, wieder einmal.

Obwohl der große Knall, den viele erwartet hatten, bislang ausblieb, reagierten die britischen Medien schockiert. Der Palast müsse die Situation ernst nehmen, betonten Beobachter. Am heutigen Donnerstag sollen drei weitere Folgen der Dokumentation gezeigt werden.

In dem am Montag veröffentlichten Trailer hierzu erhob das Paar erneut schwere Vorwürfe. „Sie waren bereit zu lügen, um meinen Bruder zu schützen. Sie waren aber nie gewillt, die Wahrheit zu sagen, um uns zu schützen“, sagt Prinz Harry in dem kurzen Film. Wer ist „sie“? Diese Frage wird in den britischen Medien aktuell breit diskutiert.

König Charles gab sich bislang unbeeindruckt, jedenfalls nach außen. Dem Prinzip seiner Mutter folgend, das lautete „Never complain, never explain“ („Beschwere dich nie, erkläre dich nie“), ließ er die Dokuserie unkommentiert und ging stattdessen seiner Pflicht nach. Am vergangenen Donnerstag, als über eine Million Menschen weltweit die erste Folge von „Harry & Meghan“ auf Netflix streamten, besuchte der Monarch unter anderem eine Adventsfeier in der „Ethiopian Christian Fellowship Church“ im Zentrum Londons, lächelte, schüttelte Hände.

Als König bleibt Charles politisch neutral

Tatsächlich ist es für den 74-Jährigen eine schwierige Aufgabe, mit dem aktuellen Klima umzugehen, wie Andrew Blick vom King‘s College in London betonte: „Der Ton ist rauer geworden, die Kritik am Königshaus schärfer.“ Umso gefährlicher sei es dann, öffentlich Stellung zu nehmen.

Als König ist er überdies zur politischen Neutralität verpflichtet. Während er als Prinz von Wales Jahrzehnte damit verbracht hatte, Kampagnen zu lancieren, um die Erwärmung des Klimas zu sensibilisieren, nahm er schließlich in seiner Rolle als König nicht am UN-Klimagipfel in Ägypten im November teil.

Und als hätten die Royals nicht genug mit aktuellen Krisen zu tun, wurden in den vergangenen Wochen alte wieder aufgewärmt. Die fünfte Staffel der Netflix-Serie „The Crown“, die Anfang September erschien, handelt unter anderem von der Ehe zwischen Diana und Charles und dessen Affäre mit Camilla. Dabei werden auch Episoden beschrieben, die das Königspaar sicherlich lieber vergessen würde.

Netflix-Serie The Crown erinnert an umstrittene Affäre mit Camilla

So geht die Serie unter anderem auf die abgehörten Telefonate im Jahr 1989 ein, in welchem Charles den Wunsch äußerte, der Tampon seiner Geliebten zu sein. „The Crown“ erinnerte auch daran, wie umstritten Königin Elizabeth II. in den frühen 90er-Jahren war. Damals, so stellt die Serie es dar, hätten viele Menschen das Gefühl gehabt, dass die Queen den Bezug zum Volk verloren habe.

Als die Königin starb, überwog jedoch ganz klar das Wohlwollen und der Respekt für die Lebensleistung der 96-Jährigen, die viele Britinnen und Briten liebevoll als die Großmutter der Nation bezeichneten, betonte die Historikerin Anna Whitelock. Im Juni dieses Jahres zeigte sie sich noch zweimal öffentlich bei den Feierlichkeiten im Rahmen ihres 70. Thronjubiläums – einem gigantischen Fest mit einer Flugshow, Paraden und einem Konzert zu ihren Ehren. Tausende Menschen jubelten ihr zu und sagten damit „Thank You Ma‘am“, „Vielen Dank“.

Die Monate vor ihrem Tod waren auch geprägt von der Sorge um die betagte Monarchin. Schließlich musste sie aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund ihres Alters immer mehr offizielle Auftritte absagen, übergab mehr und mehr Aufgaben an ihren Sohn Charles. Britische Medien beschrieben dies als eine Phase des Übergangs.

Anfang September besuchten der scheidende Premierminister Boris Johnson und die neu gewählte Parteichefin Liz Truss die Monarchin schließlich auf Schloss Balmoral in Schottland, weil die Queen auf Anraten der Ärzte nicht nach London reisen konnte. Königin Elizabeth bestätigte die 47-jährige Politikerin als Premierministerin. Es war mit nur 44 Tagen eine äußerst kurze Amtszeit.

In der gleichen Woche, am 8. September, verstarb die Monarchin auf ihrem geliebten Landsitz. Danach kam die „Operation London Bridge“ in Gang. Das Land und die Welt erwiesen der verstorbenen Queen zehn Tage lang die Ehre – mit Prozessionen, der berühmt gewordenen Menschenschlange „The Queue“, der Trauerzeremonie in der Westminster Abbey sowie der anschließenden Beerdigung in Windsor.

Es war eine Abschiedsfeier, die die Welt so schnell nicht vergessen wird, für eine Jahrhundertfrau, derer Britinnen und Briten diese Weihnachten noch einmal intensiv gedenken werden – ihrer Queen.