The Weeknd: Der coole Sound im Corona-Jahr
Baden-Baden – Die Corona-Krise bleibt wohl weltweit mit dem Sound des kanadischen Musikers The Weeknd verbunden: Der Synthie-Popsong „Blinding Lights” ist der bisherige Hit des Jahres.
In der Halbjahresauswertung 2020 der Offiziellen Deutschen Charts kommt der Song von The Weeknd (30) aus Toronto, der eigentlich Abel Makkonen Tesfaye heißt, auf Platz eins, wie GfK Entertainment in Baden-Baden mitteilte. Das Lied im 80er-Stil mit gut 170 Beats per Minute klingt so, als würde man es schon lange kennen.
Musik und Text stammen vom schwedischen Produzenten und Erfolgskomponisten Max Martin (49, „Oops!... I did it again”) sowie Oscar Holter, Ahmad Balshe, Jason Quenneville und The Weeknd selbst.
„Blinding Lights” wurde Ende November veröffentlicht und kam auch in einem Auto-Werbespot zum Einsatz. Die Komposition war in Dutzenden Ländern Nummer eins, in Deutschland alles in allem zehn Wochen - so lange wie bislang kein anderer Song in diesem Jahr. Kritiker in vielen Ländern feiern auch The Weeknds neuestes Album „After Hours”, das im März veröffentlicht worden ist.
Im Videoclip zum Welthit „Blinding Lights” lächelt The Weeknd zu Beginn wie ein Zombie - oder jokerhaft - mit blutverschmierten Zähnen in die Kamera, bevor der Synthie-Beat einsetzt, der an den Anfang von Michael Jacksons „Beat it” von 1982 denken lässt. Das Lied hat zudem Anklänge an Rod Stewarts „Young Turks” aus dem Jahr 1981 oder aber an den Stil von Depeche Mode und The Human League.
Der wahnsinnig wirkende Popmusiker rast im Clip rauchend mit einem Sportwagen durch fast menschenleere Straßen, als hätten die Macher eine Vorahnung der Coronavirus-Pandemie gehabt. Gedreht wurde das Musikvideo in Downtown Los Angeles und Las Vegas.
Auf die Wüstenstadt Las Vegas in Nevada mit vielen Kasinos und Hochzeitskapellen deutet auch eine Textzeile hin, in der eine „Stadt der Sünde” vorkommt („I look around and Sin City's cold and empty/No one's around to judge me”; auf Deutsch: Ich schau mich um und die „Stadt der Sünde” ist kalt und leer/Niemand da, der mich verurteilt).
The Weeknds hohe klare R&B-Singstimme erinnert an Michael Jacksons Part im Ohrwurm „Somebody’s Watching Me” von Rockwell aus dem Jahr 1984. Aus dem Text hören manche Anspielungen auf Tesfayes On-and-off-Beziehung mit dem Model Bella Hadid (23) heraus - zum Beispiel, wenn es heißt: „Ich bin von den Lichtern geblendet, ich kann nicht schlafen, bis ich Deine Berührung spüre.”
The Weeknd ist ein eher unnahbarer Popstar. Anfragen zu Interviews lehnte er lange Zeit grundsätzlich ab, was eine geheimnisvolle Aura entstehen ließ. Was damals nur wenige wussten: Es ging auch um Selbstzweifel. Tesfaye fürchtete, nicht wortgewandt genug zu sein.
Trotz seiner Scheu kam es zur Zusammenarbeit mit anderen Popstars, darunter Drake, Beyoncé, Kanye West, Ed Sheeran oder Daft Punk.
Wie Weeknd mal bekannte, hatte er als Schulabbrecher Drogenprobleme, seinen Vater kannte er kaum, wie er vor fünf Jahren dem „Rolling Stone” anvertraute: „Ich bin sicher, er ist ein großartiger Kerl. Ich habe nie über ihn geurteilt. Er hat mich nicht misshandelt, er war kein Alkoholiker, er war kein Arschloch. Er war nur einfach nicht da.” In der Musik fand der Junge mit äthiopischen Wurzeln sein Talent, das ihn im Popgeschäft zum auffälligen Phänomen gemacht hat.
Auf Platz zwei in den Single-Halbjahrescharts 2020 schaffte es das schon im Mai 2019 veröffentlichte Lied „Dance Monkey” der australischen Singer-Songwriterin Tones And I. Rang drei eroberte der Song „Roller” des Ludwigshafener Rappers Apache 207, der schon im August 2019 erschien. Dahinter landeten der Electro-Remix von „Roses” des amerikanischen Rappers Saint Jhn (Eigenschreibweise SAINt JHN) sowie der Dance-Hit „Breaking Me” des Solinger Musikers Topic, der dabei mit dem schwedischen Sänger A7S zusammenarbeitete.
Bei den Alben auf Platz eins kam in den ersten 26 Wochen 2020 die Rockband Böhse Onkelz mit dem nach ihr selbst benannten Album. Darauf blickt die umstrittene Band auf ihre 40-jährige Geschichte zurück und besingt diese selbstironisch im Lied „Kuchen und Bier”: „Kinder, wie die Zeit vergeht/Ein Hoch auf unsere Sünder-Seelen (...) Vierzehntausend Tage/Feiern wir/Mit Kuchen und Bier”.
© dpa-infocom, dpa:200702-99-643327/3 (dpa)