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Social-Media-Phänomen„Tradwives“ versprechen heile Welt – und locken in den Extremismus

Lesezeit 3 Minuten
Schwarz-weiß-Foto einer Frau aus dem Jahr 1959, die Wäsche aufhängt.

„Tradwives“ eifern einem romantisierten Bild der Hausfrau der 1950er Jahre nach. (Symbolbild)

Influencer propagieren auf Social Media ihr in die Jahre gekommenes Hausfrauenideal. Für Extremisten ist das ein Weg, Frauen zu rekrutieren.

Ob mit Petticoats und selbstgebackenen Kuchen oder mit Koran-Suren und Tipps für „bescheidene“ Mode, in den sozialen Medien vermitteln einige junge Frauen ein tradiertes Frauenbild und nutzen das Influencer-Dasein auf Instagram und Tik Tok, um für ihre Vorstellung von Weiblichkeit zu werben. Die Zielgruppe: Junge, westliche Frauen.

„Tradwives“, das sind junge Frauen, die dem modernen Frauenbild eine Absage erteilen und sich stattdessen dafür entscheiden, keinem klassischen Job nachzugehen, den Haushalt zu schmeißen und in adretten Kleidern alles für ihren Mann zu tun. Ganz wie zu Zeiten, als Frauen noch deutlich weniger Rechte und Entscheidungsmöglichkeiten hatten.

„Tradwives“ sehnen sich nach Stabilität in unsicheren Zeiten

Einer konkreten politischen Denkart sind sie dabei nicht zuzuordnen – ihre Rechtfertigung kann rechtspopulistisch, betont unpolitisch, antifeministisch oder eben islamisch sein. Die größte Rolle dürfte dabei bisher wohl die christlich geprägte Ausrichtung spielen: Die Influencerin Nara Smith, die auf Instagram vor einem Millionenpublikum für ihren Ehemann und ihre Kinder absurd aufwändige Rezepte kocht, während sie Designerkleider trägt, ist gläubige Mormonin.

Doch eine widerspruchslose Unterordnung gegenüber dem Mann und die Abwertung von Frauen zu „Gebärmaschinen“ findet sich in verschiedenen traditionellen Ideologien wieder. Was die „Tradwives“ eint: Die Bewegung funktioniert nur in Abgrenzung zu progressiven Lebensentwürfen, als eine Art Krisenbewältigung in einer unsicheren Zeit.

Auch wenn ihr Rollenbild den 1950er Jahren entsprungen ist, bedienen sich die Frauen den neuen Medien, um der Welt zu zeigen, wie sie ihr veraltetes Hausfrauenideal leben. „Dein Mann muss alles für dich machen, er verdient das Geld, während du zu Hause bleiben und deine Kinder betreuen kannst“, erklärt Ethnologin Susanne Schröter den Antrieb der „Tradwives“.

Das spricht in den vielen jungen Frauen, die den „Tradwives“ auf Social Media folgen, offenbar den Wunsch nach einem stabilen Leben und der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft an. Man bekomme gewissermaßen ein „Gesamtpaket“ präsentiert, das in der Moderne vielfach verloren gegangen sei: „Man glaubt, man habe eine heile Welt entdeckt.“ Doch die Professorin, die an der Goethe-Universität Frankfurt lehrt, sieht das Phänomen kritisch.

Extremistische Kräfte nutzen „Tradwive“-Phänomen zur Rekrutierung

Durch muslimische Influencerinnen, die im Internet ein idealisiertes islamisches Frauenbild präsentieren, sollten Frauen zur Konversion bewegt werden, so Schröter. „Daraus wird auch kein Geheimnis gemacht, es wird deutlich gesagt: Das Christentum ist am Ende, die Kirchen sind leer. Wir dagegen haben die Gläubigen, wir haben die Kinder“, sagte sie der in Würzburg erscheinenden katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“. Besonders gefährlich wird es, wenn sich radikale Strömungen diesen Mechanismus zu eigen machen.

Dass extremistische Bewegungen die sozialen Medien nutzen, um neue Anhänger zu rekrutieren, ist keine Neuheit. Die neue Rechte oder „Muslim interaktiv“ sind erfolgreich mit ihren Social-Media-Strategien. Das „Tradwive“-Phänomen hat sich als effektiv erwiesen, um gezielt Frauen anzusprechen – sei es mit christlichem, islamischen oder rechten Unterbau. Denn auch abseits des Islam propagieren die „Tradwives“ ein Frauenbild, dass oft auf eine traditionelle Rollenverteilung zurückgeht und die Frau als für Haushalt und Kindererziehung zuständig erklärt.

Zu Zeiten, als dieses Frauenbild die Norm war und ein Abweichen weitreichende Konsequenzen mit sich zog, kämpften Frauen dafür, dass sie sich unabhängig von Männern ein eigenes Leben aufbauen konnten. Dass Frauen heute die Wahl haben, arbeiten zu gehen und selbst Geld zu verdienen, oder sich in bewusster Ablehnung dieses Lebensentwurfs vom Einkommen (und der Gunst) eines Mannes abhängig zu machen, blenden die „Tradwives“ meist aus. (mit kna)