Eine Anfrage des Kölner Kardinals Rainer Woelki und vier weiterer Bischöfe veranlasst Rom zu einer scharfen Intervention gegen den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland.
VatikanFrontalangriff auf den Synodalen Weg aus Rom – Scharfe Antwort auf Woelki-Brief
Ist Papst Franziskus für Kirchenreformen? Der in der Satire beliebte Sender „Radio Eriwan“ hätte geantwortet: „Im Prinzip ja. Es sei denn, sie würden etwas bewegen.“ Seit dem Beginn seines Pontifikats vor fast genau zehn Jahren spricht Franziskus über die Notwendigkeit von Veränderung.
Er hat dafür das Schlagwort von der „synodalen Kirche“ geprägt – mit stärkerer Beteiligung der Gläubigen, mit passgenauen Lösungen für die pastoralen Probleme der katholischen Kirche in den unterschiedlichen Weltregionen. Ab Herbst soll es in Rom dazu ein großes Bischofstreffen geben.
Aber sobald es konkret wird mit den Reformen und der Synodalität, kommt Franziskus, der Hierarch, mit der Harke und jätet die zarten synodalen Pflänzchen weg, wie Unkraut am Wegesrand: Verheiratete Seelsorger für die Menschen in priesterlosen Weiten Amazoniens? Leider nein, bedauere! Die Kommunion für konfessionsverschiedene Eheleute in Deutschland, dem Mutterland der Reformation? Nichts da! Segen für homosexuelle Paare? Kommt überhaupt nicht in Frage!
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Hinter Franziskus her arbeitet im Vatikan eine Riege von Hilfsgärtnern, die am liebsten das synodale Prinzip selbst als (protestantische) Wurzel allen Übels ausreißen würden. Einen „toxischen Alptraum“ nannte der kürzlich gestorbene australische Kardinal George Pell die geplante Weltsynode des Papstes – und sein Pontifikat eine „Katastrophe“.
Synodaler Weg: Kritische Stimmen aus dem Vatikan und von Papst Franziskus
Besonders abgesehen haben es die Mächtigen der römischen Kurie auf die Kirche in Deutschland. Hier hatten die Bischöfe 2019 zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), der Laienvertretung, den Papst beim Wort genommen und einen „Synodalen Weg“ ausgerufen – als Prozess der Reinigung und Erneuerung nach dem Offenbarwerden des Missbrauchsskandals in der Kirche. In dreijähriger Arbeit zu den Themen Macht und Gewaltenteilung, Sexualmoral, priesterliche Lebensform und Rolle der Frau entstand eine Reihe von Grundsatzpapieren und Handlungstexten, etwa zur Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung der Bischöfe.
Keines dieser Dokumente, das mussten die Bischöfe Mitte November bei einem gemeinsamen Besuch in Rom feststellen, stieß dort auf Gegenliebe. Im Gegenteil. Es setzte Tadel für die deutschen Mitbrüder, mündend in den vergifteten Vorschlag, den Synodalen Weg fürs Erste auszusetzen – und damit faktisch zu beenden. Schon als sich die Bischöfe diesem Ansinnen mehrheitlich widersetzten, schwante ihnen, dass Rom es damit nicht bewenden lassen würde.
Richtig genug: Knapp zwei Monate vor der letzten Synodalversammlung Anfang März in Frankfurt traf nun erneut Post aus der Kirchenzentrale ein. Unterzeichner sind die Nummer zwei im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, sowie die Chefs der zwei wichtigsten römischen „Dikasterien“ (Kurienbehörden), Luis Ladaria (zuständig für die Glaubenslehre) und Marc Ouellet (Bischöfe). Sie wenden sich gegen einen Beschluss des Synodalen Wegs, nach dessen Ende bis 2026 einen „Synodalen Rat“ zu bilden, in dem Bischöfe und Laien dann künftig gemeinsam über wichtige Fragen des kirchlichen Lebens in Deutschland entscheiden.
Ein weiterer Vorschlag des Synodalen Wegs hat entsprechende Gremien auch auf Ebene der einzelnen Bistümer zum Ziel. Damit jedoch, so befinden nun die drei Kardinäle, würde eine „neue Leitungsstruktur“ etabliert, „die sich über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint.“ Und das - darf aus Sicht Roms niemals geschehen, noch nicht einmal dem Anschein nach.
Streit um Synodalen Weg: Brief von Papst Franziskus höchspersönlich angeorndet
Damit nach diesem Brief auch ja niemand daran zweifelt, wo die Glocken hängen, betonen die Verfasser, der Papst höchstpersönlich habe ihn „in forma specifica“ approbiert und die Übermittlung angeordnet. Der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke erklärt, was das bedeutet: „Das Schreiben ist kein behördlicher Akt der Kurie mehr, sondern des Papstes. Gegen Kurienentscheidungen kann man immer noch den Papst anrufen. Gegen den Papst geht gar nichts.“
Bemerkenswert ist, wie der Brief zustande kam: Fünf deutsche Bischöfe, voran der Kölner Kardinal Rainer Woelki, hatten sich schriftlich in Rom erkundigt, wie sie sich zu einem vorbereitenden Gremium für den „Synodalen Rat“ verhalten sollten: „Muss ich am ‚Synodalen Ausschuss‘ teilnehmen? Darf ich daran teilnehmen?“
Mit solchen treuherzigen Fragen kennen Woelki und seine vier Gefährten sich aus. Auf ähnliche Weise hatten sie 2018 eine Öffnung der katholischen Kommunionpraxis torpediert. Gut zwei Jahre später provozierte ein (anonymer) „Zweifel“, ob die Segnung homosexueller Paare rechten sei, ein harsches Nein aus Rom. Dem widersetzten sich 2021 allerdings viele Seelsorger, und die Gemeinden hissten zum Zeichen des Protests die Regenbogen-Flagge an ihren Kirchen.
Auf den jüngsten Brief an die deutschen Bischöfe reagierte deren Vorsitzender Georg Bätzing zwar nicht ganz so demonstrativ, aber in der Sache ähnlich entschieden: Die Sorge Roms sei unbegründet. „Niemand stellt die Autorität des Bischofsamtes infrage.“ Das Dokument aus Rom werde „für uns in Deutschland zur Folge haben, dass wir noch viel intensiver über die Formen und Möglichkeiten von synodaler Beratung und Entscheidung nachdenken werden, um eine Kultur der Synodalität zu entwickeln“. Woran es Rom – wenn man Bätzings Sätze weiterdenkt – augenscheinlich mangelt.
Noch schärfer urteilt der Salzburger Theologe Gregor Hoff, Berater auf dem Synodalen Weg und dort Co-Autor wichtiger Texte. Rom sehe Gespenster, agiere angstgesteuert. Synodalität als päpstliches Globalprojekt werde „eingehegt und beschnitten, wenn sie vatikanischen Dikasterien zu weit geht“, so Hoff. Die drei Kardinäle machten „den inneren Widerspruch von Macht und Autorität in der römisch-katholischen Kirche scharf“. Als Ausdruck dessen sei der Brief „ein gespenstisches Dokument“.
Hier lesen Sie den Text von Professor Gregor Maria Hoff, Universität Salzburg, im Wortlaut:
Römischer Einspruch als katholischer Widerspruch
Anmerkungen zur Antwort des Vatikan auf eine Anfrage fünf deutscher Bischöfe
Im Vatikan geht ein Gespenst um – das Gespenst des Synodalen Wegs. Wie es Gespenster so an sich haben: Sie sind nicht ohne Weiteres zu greifen. Sie leben vom Schein. Und so ist es kein semantischer Zufall, dass in der römischen Antwort auf eine Anfrage von fünf deutschen Bischöfen davon die Rede ist, dass die Einrichtung eines Synodalen Rats „sich über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint.“ Gleiches scheint auch bei einer diözesanen Umsetzung zu drohen. Gespenster lösen Ängste aus. Je näher der Abschluss des Synodalen Wegs rückt, desto größer, aber auch diffuser scheinen sie in Rom zu werden. Denn was man den deutschen Bischöfen und dem Synodalen Weg unterstellt, ist textnachweislich so nicht beabsichtigt.
Damit führt die römische Antwort nicht nur in einen konzeptionellen Widerspruch, der verbieten will, was nicht Gegenstand von Beratungen und Beschlüssen der letzten Plenarversammlung war. Vielmehr markiert die neueste Post aus Rom, suggestiv fragend in Deutschland bestellt, ein inneres Widerspruchsproblem, an dem die katholische Kirche im Zuge ihrer synodalen Umstellung laboriert.
Während das deutsche Projekt gemeinsam von Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken aus der Taufe gehoben wurde, hat Papst Franziskus das katholische Synodalunternehmen beschlossen. Dabei spielt das viel beschworene Volk Gottes eine andere Rolle als auf dem Synodalen Weg. In Rom wird es gehört, in Deutschland ist es Akteur von Beratungen und Entscheidungen, um die Macht jenes Missbrauchskomplexes zu brechen, der bleibend und in diesen Tagen erneut höchst aktuell die römische Kirchenleitung beschäftigt. Es ist dieser innere Widerspruch der kirchlichen Autorität, der die kirchliche Glaubwürdigkeit zutiefst beschädigt.
Bewahrt werden soll sie durch die apostolische Vollmacht der Bischöfe als Garanten der Kirchenwahrheit und -disziplin. Allein darauf zu setzen, führt indes weder den Papst noch seine Kurie aus dem System des Missbrauchs und verfehlter Aufklärung heraus. An diesem geistlich wie theologisch einschneidenden Problem haften weitere Widersprüche, die sich im aktuellen Schreiben aus dem Vatikan zeigen:
Man will die bischöflichen Kompetenzen schützen, beschneidet sie aber, indem man den deutschen Bischöfen untersagt, von ihrer apostolischen Autorität in der Weise Gebrauch zu machen, dass man sie an Beratungen und Entscheidungen im Volk Gottes koppelt. Einen Eingriff in die apostolische Souveränität der Bischöfe nimmt Rom, nicht der Synodale Weg vor.
Der Papst will Synodalität, aber echte Synodalität muss im Volk Gottes gelebt und erprobt werden. Es stellt einen inneren Widerspruch zum päpstlichen Globalprojekt dar, wenn Synodalität dann von Rom eingehegt und beschnitten wird, wenn sie vatikanischen Dikasterien zu weit geht.
Mit Verweis auf das Kirchenrecht (CIC) soll etwas untersagt werden, was schon deshalb keinen Widerspruch zum CIC darstellt, weil der Synodale Rat nur auf eine bischöfliche Selbstverpflichtung setzt. Das ist politisch eine Schwäche, wie sich mit der Verweigerungsanfrage der fünf deutschen Bischöfe zeigt; genau das aber stellt, wie Bischof Georg Bätzing in einer ersten Stellungnahme hervorgehoben hat, eine Stärkung der apostolischen Autorität von Bischöfen dar, die sich nicht nur beraten lassen, sondern ihre Entscheidungen mit dem Volk Gottes treffen.
Beim Ad Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom war von echtem Austausch die Rede. Aber wenn eine Seite dekretiert, was verhandelt werden kann, handelt es sich nicht um wirklichen Dialog. Dass in Rom immer noch die Vorstellung herumgeistert, der Synodale Weg ziele darauf, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“, steht nicht nur im Widerspruch zur Disposition des Synodalen Rats und zur lehramtlichen Selbstbegrenzung des Synodalen Wegs, sondern scheint einen Umkehrschluss zu vollziehen: In Rom wird verpflichtet, also können Voten und Vorschläge, wie sie der Synodale Weg zur Entwicklung der kirchlichen Lehre vorlegt, auch nur unter dem Vorzeichen von Zwang und Verpflichtung wahrgenommen werden.
Dieser Vorgang macht den inneren Widerspruch von Macht und Autorität in der römisch-katholischen Kirche scharf. Er zeigt sich im Kommunikationsstil, der Synodalität rhetorisch beteuert, aber faktisch unterläuft, wenn die Bischöfe und das Präsidium des Synodalen Wegs nach Auskunft von Bischof Bätzing bislang über „Inhalte und Zielsetzungen synodaler Beratung auf allen Ebenen der Kirche unseres Landes mit Rom überhaupt nicht haben sprechen können.“ Die gemeinsame Unterscheidung der Geister findet offensichtlich in Rom und von Rom aus statt – was in einen geistlichen Widerspruch echter Synodalität führt.
An einem Widerspruch aber findet auch Rom nicht vorbei: Die Mehrheit der deutschen Bischöfe besteht auf der einmal getroffenen Entscheidung, einen Synodalen Ausschuss zur Vorbereitung eines Synodalen Rats einzurichten. Demgegenüber stellt das vorliegende römische Schreiben ein gespenstisches Dokument des inneren Synodalwiderspruchs dar. Der aber ist systemisch durchaus konsequent. Denn Gespenster sind innere Widerspruchsgestalten; sie changieren zwischen Leben und Tod.
Vielleicht sollte man deshalb mit Bertolt Brecht, in literarischer Verfremdung, noch einen Schritt weitergehen. Das Volk Gottes in Deutschland hat das Vertrauen der römischen Kirchenleitung verspielt. Wäre es da doch nicht einfacher, die Kirchenleitung löste das Volk auf und wählte ein anderes? Das freilich geschieht kirchenstatistisch längst.