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Vor 70 JahrenAdenauer im Visier von Terroristen

Lesezeit 4 Minuten
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Der Kölner Konrad Adenauer war der erste Kanzler der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Er starb am 19. April 1967 im Alter von 91 Jahren.

  1. Vor 70 Jahren planten Gegner der Aussöhnung mit Israel ein Attentat auf den Kanzler. Die Bombe tötete den Sprengmeister.
  2. Als Konrad Adenauer im September 1949 mit 73 Jahren zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird, steht die Aussöhnung mit den Juden ganz oben auf der Agenda des Kölner CDU-Politikers.
  3. Eine Herzensangelegenheit für den "Alten" und früheren Oberbürgermeister von Köln. Sie kostete ihn fast das Leben.

Köln/München

München, 27. März 1952. Im Münchener Polizeipräsidium detoniert eine in einem Brockhaus-Band versteckte Bombe, als Sprengmeister Karl Reichert das in einem Päckchen liegende Buch vorsichtig aus dem Schuber zieht. Die Explosion reißt ihm beide Arme ab. Er stirbt wenig später. Weitere fünf Menschen werden verletzt, überleben aber.

Stunden zuvor bittet ein Mann zwei Jungen (12 und 13 Jahre alt) auf der Straße, für ihn ein Päckchen zur Post zu bringen, da er seinen Zug erreichen müsse. Drei Mark bietet er ihnen dafür, viel Geld damals. Die beiden sagen nicht Nein, doch dann bekommen sie es mit der Angst zu tun, als sie bemerken, dass der mysteriöse Fremde ihnen folgt. Angeblich hatte er es doch so eilig... Deshalb beschließen sie, das Päckchen einem Polizisten zu geben, der ihnen über den Weg läuft. Als der sieht, dass das Päckchen an "Bundeskanzler Konrad Adenauer, Bundeshaus Bonn" adressiert ist, schrillen die Alarmglocken. Er schafft das Paket sofort ins Präsidium, wo die Bombe explodiert, die dem Kanzler in Bonn galt. Doch wer wollte Adenauer töten? Einen ersten Hinweis liefert ein Bekennerschreiben einer "Organisation jüdischer Partisanen", das am 1. April bei Nachrichtenagenturen eingeht. Als Grund nennen die Terroristen die Wiedergutmachungsgespräche zwischen der Bundesrepublik und Israel.

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Die für Adenauer gedachte Bombe ex­plo­dierte im Münchener Po­li­zei­prä­si­di­um.

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Menachem Begin: War er der Draht­zie­her des An­schlags?

Die Spur führt nach Israel

Als weitere, an Mitglieder der deutschen Verhandlungsdelegation adressierte Bomben entdeckt werden, dämmert allen, dass die Spuren direkt nach Israel führen - zu Angehörigen der früheren Partisanengruppe Irgun, die die britischen Besatzer in Palästina einst mit blutigen Terroranschlägen bekämpfte. Nach Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 organisieren sich die meisten Aktivisten in der radikalen Cherut-Partei ihres einstigen Anführers Menachem Begin (1913-1992), die später im erzkonservativen Likud-Block aufgeht. Die Verständigung zwischen Adenauer und Israels Premier David Ben-Gurion (1886-1973) ist ihnen ein Dorn im Auge. Die Millionen, die der Kanzler anbietet, verteufelt Begin als "Blutgeld", mit dem sich das Land von einer nicht zu tilgenden Schuld freikaufen wolle.

So hatte er im Januar 1952 bei einem Auftritt in Jerusalem jede Versöhnung mit den Worten abgelehnt: "Es gibt keinen Deutschen, der nicht unsere Väter ermordet hat. Adenauer ist ein Mörder. Jeder Deutsche ist ein Mörder." Für ihn und seine Anhänger spielt es dabei überhaupt keine Rolle, dass Adenauer ein entschiedener Gegner der Nazis war, der selbst nur mit viel Glück überlebt hatte. Die politische Brisanz des gescheiterten Attentats ist dem alten Fuchs Adenauer schnell klar. Zu viel Aufhebens darüber könnte schnell zu Irritationen bei den Westalliierten führen - und im schlimmsten Fall die Versöhnungsgespräche mit Israel scheitern lassen.

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Stellten die Weichen für die Aus­söh­nung: Israels Premier David Ben-Gu­rion und Kanzler Konrad Adenauer (Foto 1960)

Getreu dem kölschen Motto "Et hätt noch immer jot jejange" sorgt der "Alte" dezent hinter den Kulissen dafür, dass der Fall runtergespielt wird. Die beiden Jungen, die das Paket der Polizei übergaben, empfängt er allerdings persönlich - und schenkt ihnen zum Dank Uhren. Die mutmaßlichen Attentäter entkommen - darunter fünf verdächtige Israelis, die die Polizei in Paris festnimmt. Vier von ihnen werden kurzerhand in ihre Heimat abgeschoben. Nur Elieser Sudit (1925-2011) muss wegen illegalen Waffenbesitzes einige Monate in Haft.

Begin der Drahtzieher?

Erst viele Jahre später wird sich Sudit - einst der Bombenbauer der Irgun - in Israel in einem Buch zu dem gescheiterten Anschlag bekennen. Er habe, so schreibt er, die Bombe zusammengebaut. Eingeweiht gewesen sei sein früherer Irgun-Chef Menachem Begin. Beweise für eine direkte Täterschaft des Hardliners gibt es aber nicht. Die Verständigung zwischen Adenauer und Ben-Gurion konnten Begin und seine Anhänger jedenfalls nicht verhindern. Am 10. September 1952 wird in Luxemburg das Abkommen über die Wiedergutmachung unterzeichnet - mit einem Volumen von 3450 Millionen Mark.

Menachem Begin selbst macht später noch Karriere. 1977 wird er der erste Likud-Präsident Israels - und ein Jahr später bekommt er nach dem Friedensschluss mit Ägypten zusammen mit Anwar al-Sadat (1918-1981) sogar den Friedensnobelpreis.