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Pflegealltag im Kreis EuskirchenAlzheimer macht die Kommunikation immer schwieriger

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Diana Güttling kümmert sich liebevoll um ihren Lebenspartner Roland Färber, der vor über zehn Jahren an Alzheimer erkrankte. 

Zülpich – Er lacht gerne. Und manchmal auch an den richtigen Stellen. Wenn seine Lebensgefährtin Diana Güttling Geschichten aus ihrem gemeinsamen Alltag erzählt, hört Roland Färber (alle Namen geändert) aufmerksam zu. „Doch was davon wirklich bei ihm ankommt, das weiß ich nicht“, sagt die 70-Jährige.

Roland Färber hat Alzheimer. 2011, als er noch in seinem Beruf als Buchhalter tätig gewesen ist, hat alles angefangen: „Er war dauerhaft erschöpft, die Ärzte diagnostizierten zunächst ein Burn-out-Syndrom.“ Nach einem Reha-Aufenthalt ist jedoch klar: Roland Färber wird nicht mehr arbeiten können. Seine Symptome sind klare Zeichen einer Demenzerkrankung.

Regelmäßige Schübe

Dank Medikation hat sich die degenerative Erkrankung lange eindämmen lassen. „Mittlerweile kann man von regelmäßigen Schüben sprechen, die seinen Zustand verschlechtern“, sagt seine Lebensgefährtin, die bis zu ihrer Rente als Arzthelferin gearbeitet hat.

Den Pflegealltag zeigen

Im Zuge der Corona-Pandemie erfahren die Menschen, die in der Pflege tätig sind, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit als gewöhnlich. Dennoch: Die Arbeit ist anstrengend, oft belastend und leider auch nicht gut bezahlt. Manche Pflegebeschäftigte geben ihren Beruf deshalb auf und verstärken so die Personalnot der Branche.

Einigen der Protagonisten, die sich dennoch für einen Beruf in der Pflege entscheiden oder aber als pflegende Angehörige im Einsatz sind, schauen wir in unserer Serie, die in loser Folge erscheint, über die Schulter. Wie meistern sie ihre Aufgaben? Was sind die besonderen Herausforderungen in ihrem Alltag? Und welche Verbesserungen würden sie sich wünschen?

Und wir fragen Experten, wie sie die Situation der Pflege im Kreis Euskirchen jetzt und in Zukunft einschätzen.

Die Abhängigkeit von anderen Menschen nimmt bei Alzheimer-Patienten im Laufe der Erkrankung stetig zu. Pflegende Angehörige wie Diana Güttling müssen mehr und mehr Aufgaben übernehmen: von der Körperpflege über das An- und Auskleiden bis hin zur Versorgung mit Essen und Getränken. „Es wäre alles einfacher, wenn wir uns noch unterhalten könnten“, sagt die 70-Jährige.

Fast vollständiger Sprachverlust

Aus anfänglichen Sprachstörungen ist ein fast vollständiger Sprachverlust geworden. Immer wieder versucht Roland Färber, etwas zu sagen, ringt mit Worten, findet Satzanfänge, die dann aber ins Nichts laufen. „Dann rätsel ich, was er mir sagen möchte“, sagt seine Lebensgefährtin. Manchmal gelingt es, sehr oft aber auch nicht.

Geduld ist vonnöten – beim Versuch, zu kommunizieren, genauso wie bei vielen anderen Dingen des Alltags. „Ich gebe ihm kleine Aufgaben – seinen Teller in die Küche bringen oder die Schuhe anziehen“, sagt Diana Güttling. Nicht immer klappt das, manchmal habe er auch keine Lust und werde „bockig wie ein Kind“.

Überhaupt: Einen Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu betreuen, erinnert in vielen Bereichen an das, was Mütter oder Väter zu leisten haben. „Wenn Roland ins Bett geht, muss ich ihn zudecken, weil er mit der Decke alleine nicht mehr klarkommt.“

Manchmal reißt die Hutschnur

An manchen Tagen sei sie auch ungeduldig. „Mir reißt auch mal die Hutschnur“, sagt sie: „Es kommt eben auch immer darauf an, wie man selber drauf ist. Und manchmal geht es mir selber psychisch nicht gut.“

Diana Güttling ist kein Mensch, der gerne klagt. Man wachse an seinen Aufgaben. Und überhaupt sei sie es gewohnt, sich eigenständig „durchs Leben zu wurschteln“. Noch nimmt sie keine Unterstützung von einer Haushaltshilfe oder einem Pflegedienst an, beides stände Roland Färber mit Pflegegrad 3 zu. „Solange ich das noch leisten kann, muss man ja nicht unnötig die Kasse belasten“, sagt sie.

Dass die Rundum-Betreuung vielleicht doch belastender ist, als sie es wahrnimmt, meldet ihr manchmal ihr Körper zurück: Bluthochdruck, Schlafstörungen, Herzrasen.

Anzahl wächst

Pflegebedürftige

Der größte „Pflegedienst“ Deutschlands ist die Familie: 2019 gab es laut Statistischem Bundesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftige, 80 Prozent dieser Menschen werden zu Hause durch Angehörige versorgt. 51 Prozent der pflegenden Angehörigen tun dies ohne Unterstützung, der Rest erhält Hilfe von ambulanten Pflegediensten.

„Aufgrund der Alterung der Gesellschaft erwarten Prognosen und Vorausberechnungen auch für die nächsten Jahre eine Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen und weiter steigenden Versorgungsbedarf“, so das Statistische Bundesamt. Vor allem bei Menschen ab 90 Jahren ist die Pflegequote hoch: Sie liegt in diesem Alter bei 76 Prozent.

Prognose

Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf rund sechs Millionen steigen wird. Für 2060 läge die Zahl bei dem geringsten angenommenen Anstieg demnach bei 6,8 Millionen, mit dem höchsten bei 8,3 Millionen Pflegebedürftigen.

2018 gab es bundesweit 1,53 Millionen Demenzkranke – zwei Drittel davon hatten Alzheimer. Nach Prognosen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft könnte die Anzahl demenzkranker Menschen in Deutschland bis 2050 auf rund 2,35 Millionen ansteigen.

Zwei Mal in der Woche besucht Roland Färber für je drei Stunden das Demenz-Café des Caritasverbands Euskirchen. „Er wird dann zu Hause abgeholt und anschließend zurückgebracht, echter Luxus“, sagt die 70-Jährige, die sich in der Zeit oft erhole oder aber Besorgungen erledige: „Er geht wirklich gerne dorthin, auch jetzt noch, wo er keine Unterhaltungen mehr führen kann mit den anderen.“

So viele Pläne gehabt

Ihr gemeinsames Leben im Ruhestand, das hatten sich beide anders vorgestellt. „Wir wollten die Gegend erkunden, Museen besuchen, Zeit mit Freunden und der Familie verbringen“, so Diana Güttling, die bereits ihren ersten Mann für einige Jahre bis zu seinem Tod gepflegt hat.

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Ihr Lebensgefährte Roland Färber sei vor seiner Erkrankung ein sehr kluger Mann gewesen, „er hat unfassbar viel gewusst“. Die Familie habe oft gescherzt, dass man ihn bei Günter Jauch unterbringen müsste, da er dort mit seinem Allgemeinwissen beste Gewinnchancen gehabt hätte.

Patientenverfügung gemacht

Auch heute blättert der 70-jährige Alzheimer-Patient noch gerne durch alten Bildbände und Geschichtsbücher. „Aber ich glaube, er schaut sich nur die Bilder an“, so seine Partnerin.

Für Diana Güttling ist völlig klar, dass sie sich auch in Zukunft um ihren Roland kümmern wird. „Trennen werden wir uns ganz sicher nicht!“, sagt sie: „Ich nehme ja nicht 15 schöne Jahre mit und hau’ dann ab, wenn es bergab geht.“ Eine Patientenverfügung, die sie beide gemacht haben, als es Roland Färber kognitiv noch möglich war, regelt alle wichtigen Zuständigkeiten und Belange.

Was sich Diana Güttling am meisten wünscht? „Dass sich Rolands Zustand nicht noch mehr verschlechtert. Dass es so bleibt, wie es jetzt ist.“