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Pflegealltag im Kreis EuskirchenMechernicher Kinderpflegerin wünscht sich mehr Zeit

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Gesundheits- und Krankenpflegerin Celina Balter misst die Sauerstoffsättigung bei einer kleinen Patientin.

Mechernich – Celina Balter nimmt ein langes Kabel, an dessen Ende eine Art Pflaster hängt, und beugt sich hinunter zu Emma. „Jetzt brauche ich nochmal deinen Finger“, sagt sie und streckt selbst ihren linken Zeigefinger nach vorne. Die Dreijährige presst sich ganz fest an ihre Mama und schaut Balter skeptisch an.

Zögerlich streckt sie ihr schließlich den Zeigefinger entgegen. „So, jetzt gleich kannst du wieder sehen, wie der Finger leuchtet“, sagt Balter, während sie das Pflaster mit dem Kabel an Emmas Finger befestigt. Kurz darauf leuchtet ein kleines Lämpchen am Pflaster rot auf.

Dienst auf der Mechernicher Kinderstation

Es ist Freitagvormittag. Auf der Kinder- und Jugendstation im Kreiskrankenhaus Mechernich geht es ruhig zu. Emma (alle Namen von Patienten geändert) ist hier wegen einer Bronchitis. Alle paar Stunden muss sie inhalieren. Gerade überprüft Balter ihre Sauerstoffsättigung. Die Werte passen.

Die 24-Jährige ist Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit Oktober 2020 arbeitet sie auf der Kinderstation. Wenn man sie fragt, warum sie Krankenpflegerin geworden ist, lacht sie und sagt: „Eigentlich über Umwege.“

Ursprünglich wollte sie Arzthelferin werden, fand aber keine Stelle. Dann bewarb sie sich für eine Ausbildung zur OP-Pflegerin in Mechernich. Doch weil ihr ein dreimonatiges Praktikum noch fehlte, klappte auch das nicht.

Andere Menschen waschen?

Das Krankenhaus habe dann gefragt, ob man ihre Bewerbung auch an die Pflegeschule weiterleiten könne. Da habe sie erst überlegen müssen, erzählt sie. Gerade die Vorstellung, andere Leute zu waschen, habe ihr nicht so behagt. Aber sie willigte ein und wurde angenommen.

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Celina Balter arbeitet seit Oktober 2020 auf der Kinder- und Jugendstation im Kreiskrankenhaus Mechernich.

Dann ging es direkt los mit einem Praktikum in der Geriatrie. Dort habe sie dann sehr häufig Menschen waschen oder zur Toilette begleiten müssen. „Am Anfang war das komisch“, berichtet sie. Aber irgendwann sei es ganz normal geworden.

Anfangs kann man sich verlaufen

Heute arbeitet sie auf der Kinderstation. Waschen muss sie hier nur selten jemanden, denn die meisten Patienten kommen mit ihren Eltern. So wie Emma, die sich inzwischen ganz in den Pullover ihrer Mutter vergraben hat.

Ein paar Zimmer weiter liegt David. Der Zwölfjährige hat sich am Knie verletzt und musste operiert werden. Weil er nicht laufen kann, bringt Balter ihn mit dem Rollstuhl zum Röntgen. Nachkontrolle. Mit dem Aufzug geht es nach oben, dann lange Flure entlang, durch mehrere Türen hindurch, um von Gebäude C nach Gebäude A zu gelangen. „Anfangs hat man das auch, dass man sich öfter verläuft“, erzählt Balter und lacht. Inzwischen kennt sie alle Wege.

Meist sind die Eltern dabei

Insgesamt könnten auf der Kinder- und Jugendstation 22 Betten belegt werden, aktuell sind aber nur zehn Patienten da. „Das kann sich aber schnell ändern“, sagt Balter: „Gerade vorm Wochenende.“

Weil auf der Kinderstation nicht immer volles Haus ist und die Eltern viel von der eigentlichen Pflege übernehmen, gebe es das Vorurteil, die Pflegekräfte machten den ganzen Tag nichts, berichtet Balter. Das ärgert sie. Es gebe genug zu tun.

Keine Minute Ruhe

Kinder müssen zu Untersuchungen gebracht werden, Vitalzeichen müssen überprüft und Akten gepflegt werden. Dazu kommen Zimmerpflege und Essenverteilen. Es gebe Tage, da habe sie sechs neue Aufnahmen und vier Entlassungen, so Balter.

An diesem Vormittag ist es zwar nicht hektisch, aber Balter bleibt dennoch keine Minute ruhig sitzen. Immer wieder klingelt das Telefon oder es ertönt die Klingel aus einem der Zimmer. Dann müssen Akten bearbeitet und Fragen von Eltern beantwortet werden.

Die Pflege-Serie

Im Zuge der Corona-Pandemie erfahren Pflegekräfte mehr Aufmerksamkeit als gewöhnlich. Dennoch: Die Arbeit ist anstrengend, belastend und leider auch nicht gut bezahlt. Manche Beschäftigte geben ihren Beruf deshalb auf und verstärken so die Personalnot der Branche.

Einigen der Protagonisten, die sich dennoch für einen Beruf in der Pflege entscheiden oder aber als pflegende Angehörige im Einsatz sind, schauen wir in unserer Serie, die in loser Folge erscheint, über die Schulter. Wie meistern sie ihre Aufgaben? Was sind die besonderen Herausforderungen in ihrem Alltag? Und welche Verbesserungen würden sie sich wünschen?

Und wir fragen Experten, wie sie die Situation der Pflege im Kreis Euskirchen jetzt und in der Zukunft einschätzen, was sie bemängeln oder gutheißen.

Balter hätte gerne mehr Zeit. „Um mich um die Kinder zu kümmern“, sagt sie. Oft reiche es nur für die kurze Frage, ob alles okay ist. Lieber wäre es ihr, wenn sie auch mal länger mit den Kindern und Jugendlichen quatschen könnte. „Damit die Patienten Vertrauen zu einem aufbauen.“ Auch für die Eltern wünscht sich die junge Pflegerin mehr Zeit. Einige seien überlastet, da wäre ein längeres Gespräch oft hilfreich. Doch dafür bräuchte es mehr Personal, sagt Balter.

Zwölfjährige mit Suizidgedanken

Besonders belastend empfindet sie die Fälle, in denen es um Missbrauch oder psychische Probleme geht. „Wenn man dann Zwölfjährige hat, die Suizidgedanken haben, da denkt man, wie kann es schon so früh dazu kommen?“ Ihr selbst werde bei solchen Fällen immer bewusst, was für eine schöne Kindheit sie doch gehabt habe. Richtig schwere Fälle seien zum Glück sehr selten, aber Selbstverletzungen gebe es schon häufiger.

Ansonsten sind die Krankheitsbilder auf der Station sehr verschieden: von notoperierten Blinddärmen über Bronchitis bis hin zu Knochenbrüchen. Zwischen vier und 17 Jahren sind die Kinder auf der Station. Diese Bandbreite ist eine Sache, die Balter an ihrem Job so gut gefällt.

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Das Schönste sei aber, einfach zu sehen,wenn es den Kindern besser gehe und sie sich langsam auch ihr gegenüber öffneten. „Die sind anfangs sehr distanziert und irgendwann freuen sie sich dann“, sagt Balter und lächelt.

Den Piks mögen Kinder nicht

Ob Emma sich noch mit ihr anfreundet, weiß Balter allerdings nicht: „Bei ihr musste ich heute Blutzucker messen, da musste ich sie piksen. Jetzt hat sie Angst vor mir.“ Balter nimmt es gelassen. Kinder zeigten eben sehr ehrlich, wen sie mögen und wen nicht. Es ist Viertel vor zwölf, in 15 Minuten muss Emma noch einmal inhalieren. Vielleicht schafft Balter es ja dann, ihr ein Lächeln zu entlocken.