True Crime Köln begibt sich auf Spurensuche in der Stadtgeschichte: Wo ist der Kopf des Kölner Schutzheiligen Severin?
Kölns ältester Cold CaseDer Heilige ohne Kopf
Man könnte vom ältesten Cold Case der Stadtgeschichte sprechen, einem ungelösten Rätsel um eine der wichtigsten Persönlichkeiten Kölns: Als der Anfang dieses Jahres verstorbene Weihbischof Klaus Dick im Juni 1999 vor den Augen eines exklusiven Kreises an Beobachtern den Schrein des Heiligen Severin öffnete, staunten die Anwesenden nicht schlecht. Eingeschlagen in einen mutmaßlich über Tausend Jahre alten Stoff fanden sich die Knochen eines Mannes – allerdings viel zu wenige, um ein komplettes Skelett zu bilden. Es fehlte der komplette Oberkörper, und es fehlte der Kopf.
Seitdem haben viele Wissenschaftler das, was man im Schrein gefunden hat, untersucht: Das Material des Schreins, wertvolle uralte Tücher, die Knochen von Mäusen, die im Schrein aus Versehen eingesperrt worden waren und einiges mehr – die Forschungsergebnisse sind zum Teil spektakulär und ermöglichen eine spannende Zeitreise. Auch die Knochen wurden mit modernsten Techniken untersucht, sodass man annehmen kann, dass es sich bei den sterblichen Überresten im Schrein tatsächlich um die des dritten Bischofs von Köln, Severin, handelt könnte. Damit schien wahrscheinlich, was über die anderen zentralen Schutzheiligen der Stadt – die Heilige Ursula, den Heiligen Gereon oder die Heiligen Drei Könige – wohl nicht sagen kann: Der Heilige Severin hat tatsächlich gelebt. Doch die Frage, warum hier nur ein halber Severin ohne Schädel lag, haben die Forscher nicht beantworten können.
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Die neue Folge von „True Crime Köln“, der Podcastreihe des Kölner Stadt-Anzeiger, begibt sich zusammen mit dem Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums, Joachim Oepen, auf Spurensuche. Über das Leben des Severin im 4. Jahrhundert nach Christus ist wenig bekannt. Es ist wenig aufgeschrieben worden, auf das man sich berufen könnte. Vieles wurde als Legenden überliefert, so auch die Geschichte, warum Severin als Heiliger verehrt wurde. Im Vergleich zu den Wundern oder Marterqualen, die man sich sonst über christliche Heilige erzählt, ist die Begebenheit, die Severin auszeichnete, eine eher unspektakuläre Kleinigkeit. Er soll in Köln gespürt haben, dass sein Lehrer und Freund, der stets im November besungene Sankt Martin, im fernen Tours gestorben und in den Himmel aufgefahren ist. Noch weniger weiß man über das, was nach Severins Tod mit seinen sterblichen Überresten geschah, die man als die Reliquien eines Kölner Schutzheiligen verehrte.
Was könnte der Grund dafür sein, dass der Kopf und viele andere Körperteile abhanden kamen? Es gibt ein paar Thesen zur Erklärung: Grabräuber könnten in der Kirche St. Severin zugeschlagen haben, um die wertvollen Gebeine zu Geld zu machen. Ein schweres Vergehen, denn die Reliquien der Schutzheiligen waren im Mittelalter so etwas wie die Versicherungspolice für die Stadt gegen Angriffe von Feinden oder anderes Ungemach wie Seuchen und wirtschaftlicher Niedergang. Je mehr Reliquien man vorweisen konnte, desto größer war der Schutz. Wer heilige Knochen stahl, machte sich des Hochverrats schuldig.
Zweite Möglichkeit: Die Kirche hat die Gebeine selbst entnommen, um sie weiterzugeben – vielleicht als Geschenk oder als Gegenleistung für weltlichen Besitz oder militärischen Schutz. Dagegen spricht freilich, dass sie wohl niemals den Kopf weggegeben hatte. Dass dieser mal im Schrein gelegen hat, ist ziemlich sicher. Neben den Knochen des Unterkörpers fand man auch Zahnfragmente.
Der dritten möglichen Erklärung schenkt der Mittelalter-Historiker Karl Ubl den meisten Glauben, wie man im tollen Frühmittelalter-Band der Reihe „Geschichte der Stadt Köln“ nachlesen kann: Er glaubt, dass sich Köln und die französische Stadt Bordeaux, wo der Heilige auch verehrt wurde, den Severin geteilt haben. Ubl beschreibt eine „Rivalität der Städte um Severin“. Weil Severin in Bordeaux gestorben sei, hätten die Kölner sich einen Teil der Reliquien erstreiten müssen. Da wäre es nicht überraschend, wenn Bordeaux die wertvollsten Teile des Körpers behalten hätte. Die These klingt plausibel, hätte sie nicht einen Haken: Wie es scheint, liegt in Bordeaux ein fast komplettes Skelett. So ist es in einem alten Protokoll über eine dortige Schreinsöffnung nachzulesen. Wir hätten es also mit anderthalb Heiligen zu tun. Und das Rätsel um den halben Kölner Schutzheiligen bliebe weiter offen.
Die neue Folge von True Crime Köln über den Kölner Schutzheiligen ohne Kopf kann man über die Homepage des Kölner Stadt-Anzeiger und überall da, wo es Podcasts gibt hören.