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Wahlkampf der AfDAlice Weidel will in der Mitte fischen – und vor allem Merz frontal attackieren

Lesezeit 5 Minuten
Steht vor einem schwierigen Wahlkampf: Alice Weidel, Bundesvorsitzende der AfD.

Steht vor einem schwierigen Wahlkampf: Alice Weidel, Bundesvorsitzende der AfD.

Erstmals zieht Weidel für die AfD als alleinige Spitzen­kandidatin in einen Bundestags­wahlkampf. Es könnte der schwerste Wahlkampf für die Rechtspartei werden.

Es kommt äußerst selten vor, dass AfD-Chefin Alice Weidel den politischen Gegner zum Lachen bringt. Im Bundestag aber mussten Friedrich Merz und Olaf Scholz kürzlich beide über einen Begriff ihrer Gegnerin von rechtsaußen schmunzeln. „Mit Ihnen als ‚Ersatz-Scholz‘ kommt Deutschland nicht voran“, hatte Weidel im Bundestag in die Richtung des CDU-Chefs gestichelt, mitten in einer ihrer berüchtigt scharfen, schrillen Reden. Mit „Ersatz-Scholz“ hatte Weidel unfreiwillig einen Gag gelandet.

Die Szene ist von großer Symbolkraft, Egal, wie laut und extrem die AfD auftritt, die demokratischen Kräfte haben sich notgedrungen an die Rechtsaußenpartei gewöhnt. Und: Frontale Angriffe auf den Umfragen-Spitzenreiter Merz allein bringen Weidel keine besondere Aufmerksamkeit. Schließlich wird der CDU-Kandidat zurzeit von allen Seiten attackiert.

2025 ist ein Zwischenschritt für die AfD

Vom Ampel-Aus konnte die Partei in den Umfragen bisher kaum profitieren. Sie liegt immer noch unter ihrem Hoch von bundesweit 20 Prozent, das sie vergangenes Jahr feierte, aber seit den Berichten über das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen, AfD- und CDU-Mitgliedern nicht mehr erreichen konnte. Die Wahlerfolge im Osten im Herbst waren eingepreist. Eine reale Machtoption nach der Bundestagswahl hat die Partei nicht.

2025 ist ein Zwischenschritt. So sehen das die AfD-Strategen. Sie blicken bereits vier Jahre nach vorne: Mit der Chiffre „Projekt 2029″ wird der Plan bezeichnet, erst in einem oder mehreren ostdeutschen Bundesländern und schließlich im Bund mit der Hilfe einer mürbe gemachten Union an die Macht zu kommen.

„Kanzlerkandidatin“ ohne Machtoption

Dazu passt auch, dass Weidel nun erstmals, quasi als Probelauf, allein an der Spitze des Wahlkampfs stehen wird, in den sie mit dem Label „Kanzlerkandidatin“ zieht. Die Kampagne, die Plakate, der Fokus auf die Themen Wirtschaft und Migration, all das wird erstmals ausschließlich auf die 45-jährige Ökonomin zugeschnitten. Die Kampagne wird federführend von der Agentur Republic Relations gestaltet, die bereits 2021 den AfD-Slogan „Deutschland. Aber normal“ ersann.

Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) wird die Partei große Teile des Winterwahlkampfs in die sozialen Medien verlegen und dort auch mit Material arbeiten, das von Künstlicher Intelligenz (KI) generiert wird. Für diese KI-generierten Spots und Bilder soll die AfD die Leipziger Agentur Tannwald Media beauftragt haben. Allerdings sei diese nur für die technische Umsetzung und nicht für die Inhalte zuständig, verlautet aus dem Bundesvorstand.

Die Macher des „Abschiebesongs“ sollen KI-Wahlkampf führen

Tannwald-Gründer und Geschäftsführer Alexander Kleine war jahrelang führendes Mitglied der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Und Kleine und seine Agentur stehen auch hinter dem ebenfalls KI-generierten „Abschiebesong“, der im Sommer durch rechtsextreme Kanäle geisterte und zu dem Parteivertreter auf der Brandenburger Landtagswahlparty feierten.

Am kommenden Wochenende (7. Dezember) soll Weidel von Bundes- und Landesvorständen offiziell gekürt, auf dem Parteitag am 11./12. Januar im sächsischen Riesa soll sie dann von den Delegierten offiziell bestätigt werden.

Alice Weidel ist in der AfD als Partei- und Fraktionschefin unangefochten.

Alice Weidel ist in der AfD als Partei- und Fraktionschefin unangefochten.

In den seriösen Politiker-Rankings ist Weidel abgeschlagen: In einer Forsa-Umfrage bekommt sie auf die Fragen „Bei wem ist das Land in guten Händen?“ nur 15 von 100 Punkten. Sahra Wagenknecht liegt mit 17 Punkten knapp vor ihr. Friedrich Merz führt mit 39 Punkten vor Robert Habeck mit 34 und Olaf Scholz mit 30 Punkten. Bei der Forschungsgruppe Wahlen ist die Reihenfolge vergleichbar.

In der AfD aber ist die Partei- und Fraktionschefin unangefochten. Alleine führen will sie dennoch nicht, sondern bekennt sich zur Doppelspitze in Partei und Fraktion mit ihrem Co-Chef Tino Chrupalla. Die beiden haben auch den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke aus Berlin ferngehalten. Höcke liebäugelte wieder einmal mit einer Bundestagskandidatur, bekam aber die Ansage, dass er sich in Berlin einzureihen habe. Höcke bleibt vorerst in Erfurt.

Das bedeutet aber nicht, dass die AfD unter ihrer Kanzlerkandidatin zur Ruhe gekommen wäre.

Weichgespültes Wahlprogramm sorgt für Kritik

Der 85-seitige Leitantrag der Bundesprogrammkommission zum Wahlprogramm, das in Riesa beschlossen werden soll, löst heftige Diskussionen aus. Um auch jenseits der Stammwählerschaft punkten zu können, sind führende Parteivertreter bereit, Kernforderungen der AfD auszublenden oder weichzuspülen.

Während im Grundsatzprogramm noch die „traditionelle Familie als Leitbild“ genannt wird, steht die Familie im Wahlprogramm ganz allgemein „für Geborgenheit, Vertrauen, gegenseitige Fürsorge, Schutz und Rückhalt“. Alleinerziehende, Stief- und Patchworkfamilien werden explizit genannt.

„Wir sollten nicht die Partei sein, die die Frau hinter dem Herd haben will“, sagte kürzlich ein Mitglied des Bundesvorstands. Mit Weidel als Gesicht des Wahlkampfs, die gerade ihrer Frau auf offener Bühne eine emotionale Liebeserklärung machte, wäre das auch schwer vereinbar. Das rechtsextreme Vorfeld schäumt dennoch ob des neuen „linken“ Familienbildes.

Alice Weidel steht zur Wehrpflicht

Auch die AfD-Kernforderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht sei kein „Gewinnerthema“ – im Wahlprogramm soll sie nicht mehr auftauchen. Für Chrupalla und die Mehrheit der Programmkommission passte das nicht zu der Angst vor einem neuen großen Krieg in Europa, mit der die AfD gerade im Osten Stimmen fängt. „Meine Söhne, unsere Söhne, kriegt ihr nicht“, hatte Höcke im Thüringen-Wahlkampf von den Bühnen gerufen.

Weidel widerspricht: „Wir stehen zur Wehrpflicht und wollen die Truppe in der Bevölkerung verankern. Ich bin grundsätzlich eine Verfechterin der Wehrpflicht“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Dann würde es so eine fahrlässige und verantwortungslose Diskussion wie über die Lieferung der Taurus-Raketen an die Ukraine nicht geben.“

In ihrer ersten Kolumne für die rechtspopulistische Schweizer Wochenzeitung „Weltwoche“ schreibt die AfD-Chefin über „Schlafwandler im Taurus-Blindflug“ und beklagt, dass die „Eliten Deutschland der Fähigkeit und der Bereitschaft zur Selbstverteidigung durch eine einsatzfähige und über die Wehrpflicht fest im Volk verankerte Armee beraubt haben“.

Auch von „Remigration“ ist im Wahlprogramm – im Gegensatz zum Programm für die Europawahl – nicht mehr die Rede. Dass der bayerische Landesverband gerade eine „Resolution zur Remigration“ beschlossen hat und „Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit in ihre Heimat rückführen“ will, hat in dieser heiklen Wahlkampfphase im Bundesvorstand Entsetzen ausgelöst.

Denn Weidel will mehr in der Mitte fischen: „Unser Ziel muss es sein, CDU-Wähler anzusprechen“, sagt sie dem RND. „Wir müssen herausstellen, dass sich auch unter einer CDU-Regierung weder wirtschafts- noch migrationspolitisch etwas ändern wird in Deutschland. Friedrich Merz ist unser Hauptgegner. Ich habe ihn mit Bedacht als ‚Ersatz-Scholz‘ bezeichnet.“