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Verhaltener JubelRechtspopulisten verdoppeln Ergebnis – für AfD aber nur ein Zwischenziel

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Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, stehen bei der Wahlparty der AFD in der AfD Bundesgeschäftsstelle auf der Bühne.

Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, stehen bei der Wahlparty der AFD in der AfD Bundesgeschäftsstelle auf der Bühne.

Die AfD kann ihr Ergebnis von 2021 verdoppeln. Im Verständnis der Partei ist dies aber nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zur Macht.

Der Jubel um 18 Uhr war verhaltener als erwartet. Die Erwartungen der AfD waren so hoch, dass die Realität nicht ganz Schritt halten. Alice Weidel und Tino Chrupalla nennen das Ergebnis dennoch „historisch“, die AfD habe sich „bundesweit als Volkspartei etabliert.“ Die AfD-Chefs machten zugleich deutlich: Das Ergebnis soll nur eine Zwischenetappe sein. Gegenüber 2021 hat sich die Partei zugleich professionalisiert und weiter radikalisiert, in derselben Zeit hat sie ihre Zustimmung bundesweit verdoppelt: 10,3 Prozent waren es bei der vorigen Bundestagswahl, 15,9 Prozent bei der Europawahl 2024.

Die AfD profitierte vom globalen Rechtsruck, sie ritt auf einer Welle internationaler Zustimmung. In einem Video für die sozialen Netzwerke zeigte Weidel am Freitagabend noch einmal, wer sich aus dem Ausland alles für ihre nationalistische Mannschaft aussprach: US-Milliardär und Trump-Einflüsterer Elon Musk, Trumps Vizepräsident J.D. Vance, Österreichs Fast-Bundeskanzler Herbert Kickl von der FPÖ, Ungarns Langzeit-Premier Viktor Orban, der Weidel zehn Tage vor der Wahl in Budapest wie einen Staatsgast empfing.

Die Skandal-Aussagen kamen diesmal aus dem Ausland

Chrupalla lud zu seinem Wahlkampfabschluss in Sachsen unter anderem den bulgarischen Rechtsextremen Kostadin Kostadinov, der mit der AfD im Europaparlament in einer Fraktion sitzt. Er forderte die AfD auf, „Deutschland wieder groß“ zu machen. Deutschland solle „seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt“ einnehmen.

Die AfD selbst hat sich in diesem Wahlkampf zurückgehalten. Die extremsten Sätze hat sie sozusagen an die alten und neuen internationalen Verbündeten ausgelagert. US-Milliardär und Präsidentenberater Elon Musk wurde zur größten Wahlkampfveranstaltung in Halle (Saale) zugeschaltet und sinnierte dort über das, was im deutschen rechtsextremen Jargon „Schuldkult“ heißt - einem Jargon, dessen sich auch AfD-Funktionäre immer wieder bedienen. Musk forderte die AfD-Anhänger auf, „stolz“ darauf zu sein, „Deutsche zu sein“. Er sagte: „Ehrlich gesagt, ist der Fokus zu sehr auf die Schuld der Vergangenheit gerichtet, und das müssen wir hinter uns lassen.“

Die Führung einer größeren Fraktion wird für Weidel und Chrupalla nicht einfacher

Noch nicht einmal Maximilian Krah schlug erkennbar über die Stränge. Der skandalbehaftete Spitzenkandidat für die Europawahl im vergangenen Jahr will Brüssel schon wieder verlassen. Er trat als aussichtsreicher Direktkandidat im Erzgebirge an, mit einer gnadenlos personalisierten Kampagne, die außer „Krah wählen“ auf fast alle Inhalte verzichtete. In Nordrhein-Westfalen stand Matthias Helferich auf dem aussichtsreichen sechsten Listenplatz - ein Mann, der 2021 nicht in die AfD-Bundestagsfraktion aufgenommen wurde, weil er sich in internen Chats als „das freundliche Gesicht des NS [Nationalsozialismus]“ bezeichnete.

Beide bisher fraktionslosen Abgeordneten – auch Krah wurde in Brüssel nicht in die AfD-Delegation aufgenommen - werden mit hoher Wahrscheinlichkeit der nächsten, weit größeren AfD-Fraktion angehören. Für Weidel und Chrupalla, die Fraktionsvorsitzende bleiben wollen, wird die Arbeit nicht einfacher.

Im Wahlkampf hat sich die Partei, zum ersten Mal in einem Wahlkampf, erstaunlich geschlossen gezeigt. Niemand wollte dafür verantwortlich sein, die Erfolgswelle zu brechen. Und auch Alice Weidel tat alles, um sich beim extremen Flügel der Partei um den Thüringer Landeschef Björn Höcke anzubiedern. Am Wahlabend stand Höcke direkt neben Weidel und Chrupalla.

Weidel biedert sich an Höcke an

Der rechtsextreme Kampfbegriff „Remigration“ wurde auf dem Bundesparteitag in Riesa Mitte Januar mit großer Mehrheit ins Wahlprogramm aufgenommen – zur Freude von Höcke. Auch Weidel stellte sich in ihrer Rede erstmals hinter den Begriff: Sie forderte „Rückführungen in großem Stil“ und rief: „Wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“ Weidel betonte in ihrer Rede mit der ihr eigenen Schärfe jede einzelne Silbe.

Auf der Wahlparty der AfD in der Bundesgeschäftsstelle im Berliner Norden brutzeln Steaks auf dem Grill, bereits lange vor Bekanntgabe der ersten Prognosen werden etliche Biere gezapft und Sektkelche gereicht. Eine kleine Gegendemo im Vorortviertel wird von der Polizei auf Abstand gehalten.

Noch nie hat in der Bundesrepublik eine stramm rechte Partei 20 Prozent geholt. Weder die Verbotsdebatte noch die Einstufung mehrerer Landesverbände als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ durch den Verfassungsschutz hat der AfD geschadet. Und dennoch ist diese Wahl nur ein Zwischenziel. Auch als zweitstärkste Partei hat die AfD keine Machtoption.

Weidel muss nun nicht nur die Fraktion zusammenhalten, sondern auch darauf hoffen, dass sich die nächste Bundesregierung unter Friedrich Merz ähnlich zerstritten präsentiert wie die Ampelregierung von Olaf Scholz. Ihr Ziel wird sein, die Union zu zermürben und bei der nächsten Wahl weiter zuzulegen. Und diese Wahl, prophezeit Weidel, „werde früher kommen als man denkt“.