Schon jetzt ist abzusehen, dass die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl schwierig werden könnten. Wie läuft dann die Kanzlerwahl ab? Und was passiert, wenn es keine Einigung gibt?
Bundestagswahl 2025Was passiert, wenn nach der Wahl keine rasche Koalition zustande kommt?
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Wer mit wem nach der Wahl? Fragen und Antworten zu möglichen Koalitionen.
Copyright: Hendrik Schmidt/dpa
Nach der Bundestagswahl ist vor der Regierungsbildung. Doch das geht nicht immer so schnell wie erhofft. Auch unter weniger aufgewühlten Bedingungen als derzeit zieht sich der Prozess von Sondierungen zwischen den gewählten Parteien und anschließenden Koalitionsverhandlungen manchmal Monate hin. In dieser Übergangsphase kommt dem Bundespräsidenten eine maßgebliche Rolle zu. Seine Macht wächst in der Krisensituation deutlich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema rund um Kanzlerwahl und Regierungsbildung.
Wie funktioniert eine Regierungsbildung idealerweise?
Spätestens 30 Tage nach der Wahl, in diesem Fall also am 25. März, muss sich der neue Bundestag konstituieren und der Bundestagspräsident wird gewählt. Das ist im Grundgesetz so festgelegt. Die Fraktionen bilden sich und es werden, falls keine Partei die absolute Mehrheit erreicht, erste Sondierungsgespräche geführt.
Koalitionsgespräche schließen sich an, die dann in einen Koalitionsvertrag münden. Diesem Vertrag, in dem Regierungsziele und auch die Ressortverteilungen festgelegt werden, müssen alle beteiligten Parteien zustimmen. Während dieser Übergangszeit bleibt die alte Regierung geschäftsführend im Amt.
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Wie läuft die Wahl des Bundeskanzlers ab?
Nach Gesprächen mit den Fraktionen schlägt der Bundespräsident dem Bundestag einen Kandidaten oder eine Kandidatin zur Wahl vor. Er oder sie muss dann mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten, der sogenannten Kanzlermehrheit, gewählt werden. Da die Wahl geheim ist, gibt es manchmal auch „Abweichler“, die nicht für den eigenen Kandidaten stimmen.
Gelingt die Wahl im ersten Durchgang nicht, schließt sich eine zweite Wahlphase an: Der Bundestag hat nun 14 Tage Zeit, jemand anderen zum Kanzler zu wählen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt, doch auch jetzt ist die absolute Mehrheit notwendig. Schlägt auch das fehl, kommt es zur dritten Wahlphase, die sich „unverzüglich“ anschließen muss: Hier reicht die relative Mehrheit – gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.
Bislang konnte jeder Bundeskanzler die erforderliche Kanzlermehrheit – wenn teilweise auch nur sehr knapp – in der ersten Wahlphase erlangen.
Welche Macht hat dabei der Bundespräsident?
Der Bundespräsident muss diejenige Person, die sich in der ersten oder zweiten Wahlphase durchsetzt, innerhalb von sieben Tagen zum Kanzler ernennen. Bei jemanden, der nur mit relativer Mehrheit gewinnt, kann er das tun und damit eine Minderheitsregierung ermöglichen. Er muss es aber nicht tun, sondern kann stattdessen auch das Parlament auflösen. Dann müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen erfolgen. Dies ist eine der stärksten Befugnisse des Bundespräsidenten. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es den Fall allerdings noch nie.
Was sieht das Grundgesetz vor, wenn keine Koalition gebildet werden kann?
Falls keine stabile Koalition zustande kommt, gibt es außer Neuwahlen zwei weitere Optionen: zum einen die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Dabei stellt eine Partei oder eine kleine Koalition den Kanzler, aber muss für jedes Gesetz ihre Mehrheiten suchen. Dies gab es auf Bundesebene noch nie, aber in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt.
Daneben ist auch ein Tolerierungsmodell möglich. Hierbei regiert eine Partei ohne feste Koalition, aber mit der Unterstützung einzelner Fraktionen, etwa durch Duldung mittels Stimmenenthaltung.
Wie lange kann eine geschäftsführende Regierung im Amt bleiben?
Solange keine neue Regierung mit Kanzler und Ministern eingesetzt ist, bleibt die alte Bundesregierung geschäftsführend im Amt. Sie hat formal dieselben Befugnisse wie eine reguläre Regierung, aber es gilt das Prinzip von Kontinuität und Zurückhaltung: Die geschäftsführende Regierung führt nur das Notwendige weiter, um die Stabilität des Staates zu gewährleisten.
Die längste Regierungsbildung gab es hierzulande nach der Bundestagswahl 2017. Sie dauerte fast sechs Monate. Damals scheiterte die Jamaika-Koalition (Union, FDP, Grüne) an der FDP, die SPD wollte zunächst nicht mehr mitregieren und änderte dann ihre Haltung. Während der gesamten Zeit blieb Angela Merkel geschäftsführend im Amt.
Welche Auswirkungen hat eine Regierungsbildungskrise auf Wirtschaft und Gesetzgebung?
Eine geschäftsführende Regierung wird in allen Bereichen nur zurückhaltend handeln: Sie wird keine weitreichenden politischen Entscheidungen treffen, wie sie etwa in der Außenpolitik derzeit anstehen. Zudem ist kommissarische Haushaltsführung angesagt, sodass keine umfangreichen Investitionen angeschoben werden, etwa in große Infrastrukturprojekte und Konjunkturprogramme. Auch in Gesetzgebungsprozesse wird sie sich nicht einbringen, um der neugewählten Regierung nicht vorzugreifen.
Scheiden Minister aus dem Amt, werden die Posten nicht neu besetzt, sondern von Mitgliedern der geschäftsführenden Regierung übernommen.
Gab es in Deutschland schon Situationen ohne klare Regierungsmehrheit?
Das war in der Geschichte der Bundesrepublik schon mehrfach der Fall:
1972 verlor Kanzler Willy Brandt (SPD) nach dem Übertritt von Abgeordneten die Mehrheit. Ein konstruktives Misstrauensvotum der Union überstand Brandt knapp und löste die Krise, indem er den Bundestag auflösen ließ. Die Neuwahlen brachten ihm dann eine klare Mehrheit.1982 zerbrach die sozialliberale Koalition von Helmut Schmidt (SPD), weil die FDP die Koalition verließ. Union und FDP brachten Helmut Kohl (CDU) daraufhin durch ein konstruktives Misstrauensvotum an die Macht. Für kurze Zeit regierte er mit einer unsicheren Mehrheit und ließ schließlich den Bundestag auflösen, um Neuwahlen zu erzwingen.2005 gab es nach der Bundestagswahl keine klaren Mehrheiten für Angela Merkel (CDU) oder Gerhard Schröder (SPD) mit ihren Wunschpartnern, den Grünen bzw. der FDP. Nach wochenlangen Verhandlungen kam es schließlich zur Bildung der Großen Koalition unter Führung der Union als stärkste Fraktion.