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Kommentar

Viele Gründe
Warum die Zeit nicht reif für ein AfD- Verbotsverfahren ist

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Lesezeit 3 Minuten
Teilnehmer einer linken Demonstration gehen mit Transparent mit der Aufschrift «AfD- Verbot jetzt!» eine Straße entlang.

Mehrere hundert Menschen protestieren gegen das Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen. (Archivbild)

Wer die Demokratie schützen will, muss ihre Regeln selbst sauber einhalten. Das ist ein mühsames Geschäft.

Ein Verbot der AfD zu fordern, ist leicht. Einfach verbieten und mit einem Fingerschnipsen ist die von der AfD ausgehende Gefährdung der Demokratie weggezaubert? Schön wär’s. Doch so einfach läuft es nicht.

Aktuell gelten die AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die AfD-Jugendorganisation JA als erwiesen rechtsextremistisch. Dass diese Definition insbesondere für die Partei in Thüringen zu Recht erfolgt ist, haben die AfD-Abgeordneten dort mit ihrem verfassungswidrigen Verhalten und ihrer Totalblockade des Landtags gerade bewiesen.

Die Nazis verboten die SPD

Bundesweit hat der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch bislang nicht vorgenommen. Eben diese aber wäre eine wichtige Grundlage für den Erfolg eines Verbots in ganz Deutschland. Bislang gilt die Partei nur als Verdachtsfall – und das immerhin gerichtsfest. Der Vorteil für die Verfassungsschützer: Als Verdachtsfall steht die AfD unter Beobachtung und es kann Material gesammelt werden, das die von dieser Partei ausgehende Demokratiegefährdung belegt. Aus diesem systematischen Vorgehen kann die Einstufung weiterer Landesverbände und des Bundesverbandes als extremistisch folgen.

Es ist ein mühsames Geschäft. Doch wer die Demokratie schützen will, muss ihre Regeln selbst sauber einhalten. Dass es in Deutschland so schwierig ist, Parteien zu verbieten, war eine Lehre aus der Weimarer Republik. Die hohen Hürden für ein Verbot sollen die Demokratie schützen und stabilisieren. 1933, kurz nach der Machtergreifung, verboten die Nazis die SPD.

Die Zeit für ein AfD-Verbotsverfahren ist nicht reif

Die Zeit ist nicht reif, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu starten. Aktuell würde dieser Schuss nach hinten losgehen. Denn in dem Moment, in dem das Bundesverfassungsgericht ein Verfahren einleitet, müssen sämtliche V-Leute abgezogen werden. Das Sammeln von Beweisen könnte erschwert werden. Es wäre langwierig und der Ausgang offen.

Neben diesen formalen Aspekten wäre es politisch nicht zielführend, das schärfste Schwert zu erheben gegen eine Partei, die in Ostdeutschland zwischen 20 und 30 Prozent Zustimmungswerte erreicht und im Westen auch zweistellig liegt. Die AfD ist Weltmeisterin in der Disziplin, sich zum Opfer des Systems zu erklären. Ein Verbotsverfahren wäre also erst einmal Wasser auf diese Mühlen. Zudem ist es aus demokratischem Selbstverständnis heraus schwierig, eine Partei zu verbieten, die von einer so großen Wählerschaft unterstützt wird.

Die Demokratie muss sich als wehrhaft erweisen

Es muss anders gehen. Wichtiger als eine Debatte über ein AfD-Verbot wäre, dass die Demokraten ihre Parlamente auf Bundes- und Landesebene wetterfest gegen eine Blockade oder Übernahme durch Extremisten machen. Gleiches gilt für die Justiz. Die Demokratie muss sich als wehrhaft gegen ihre Feinde erweisen. Eine Partei, die über so viel Zustimmung verfügt wie die AfD, wird man aber nicht handstreichartig los. Ihr Gedankengut, ihre Anhängerschaft und ihren Einfluss auf das gesellschaftliche Klima schon mal gar nicht.

Und dann – das ist eine politische Binsenweisheit – müssen sich die Demokraten als fähig erweisen, Probleme zu lösen, Nöte der Bürgerinnen und Bürger zu lindern und die Zukunft zu gestalten. Je mehr eine Regierung in diesen Disziplinen versagt, umso leichteres Spiel haben die Parteien mit den vermeintlich leichten Antworten. Der AfD kann das Handwerk am besten mit überzeugenden und wirksamen politischen Entscheidungen gelegt werden. Das ist natürlich leichter aufgeschrieben als umgesetzt.

Die Demokraten aber sind dazu verdammt, den mühsamen Weg zu gehen. Die Forderung nach einem AfD-Verbot ist nur eine vermeintlich einfache Antwort auf die größte Herausforderung, die sich der bundesrepublikanischen Demokratie seit ihrer Gründung stellt.