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Ermittlungen wegen Volksverhetzung„Einfach nur widerlich“ – Empörung über von der AfD verteilte „Abschiebetickets“

Lesezeit 4 Minuten
Alice Weidel ist seit letztem Samstag die Kanzlerkandidatin der AfD. Nun sorgt ein Kreisverband ihrer Partei mit einer Flyeraktion für scharfe Kritik. (Archivbild)

Alice Weidel ist seit letztem Samstag die Kanzlerkandidatin der AfD. Nun sorgt ein Kreisverband ihrer Partei mit einer Flyeraktion für scharfe Kritik. (Archivbild)

Ein AfD-Kreisverband sorgt mit einer Flyeraktion für Ärger. Auch von den Grünen in NRW kommt scharfe Kritik.

Flyer der AfD, die im Raum Karlsruhe verteilt wurden, sorgen bundesweit für Aufregung und Empörung: In Briefkästen waren zuvor „Abschiebetickets“ der Partei aufgetaucht. Die optisch an Flugtickets angelehnten Flyer richten sich an „illegale Einwanderer“. Das Abflugdatum ist auf den Tag der Bundestagswahl am 23. Februar datiert für die Reise: „Von: Deutschland – Nach: Sicheres Herkunftsland“.

Dabei handele es sich um eine Wahlkampfaktion des Kreisverbandes Karlsruhe, teilte ein Sprecher des AfD-Landesverbands mit. Ein Sprecher der Bundespartei sagte auf Anfrage: „Es handelt sich nicht um Werbematerial des AfD-Bundesverbandes.“ Daher könne er dazu keine Auskunft geben. Die Linkspartei kündigte an, die AfD Karlsruhe anzuzeigen – wegen Bedrohung und Volksverhetzung.

AfD hat 30.000 „Abschiebetickets“ gedruckt – Linke erstattet Anzeige

Die „Abschiebetickets“ wurden der Linken zufolge in Briefkästen von Menschen mit Migrationshintergrund verteilt. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Anne Bünger bezeichnete die Aktion auf der Plattform X als „ekelhaft“.

„Die AfD ist eine durch und durch rechtsextreme und faschistische Partei“, schrieb derweil der Stuttgarter Linken-Politiker Luigi Pantisano. „Jetzt verteilen sie unverhohlen solch ein Abschiebeticket an Migrant*innen und Geflüchtete. Diese Partei muss verboten werden!“ In den sozialen Netzwerken veröffentlichten Betroffene derweil Aufnahmen des Flyers. Auch in anderen Parteien wurde scharfe Kritik an der AfD-Aktion laut.

Scharfe Kritik aus NRW: „Jedes Mal aufs Neue angewidert“

„Man hat sich leider an vieles von rechts außen gewöhnt – und doch bleibt man jedes Mal aufs Neue angewidert von so viel Menschenhass und Rassismus“, schrieb Tim Achtermeyer, Landesvorsitzender der Grünen in NRW, bei X. Es handele sich um „Tickets zur massenhaften Deportation von Menschen mit Einwanderungsgeschichte, samt Nazi Codes (08–18)“, schrieb Achtermeyer weiter und fügte an: „Einfach nur widerlich.“

Der Grünen-Politiker nahm damit Bezug auf die auf dem Flyer angegeben Abflugzeiten. Die Zahl 18 wird in rechtsextremen Kreisen oftmals als Code für „Adolf Hitler“ verwendet. Achtermeyers Parteikollegin Sara Nanni wandte sich derweil an „alle, die so ein rassistisches Abschiebeticket“ der AfD im Briefkasten gehabt haben: „Wir stehen zusammen! Wir werden dafür sorgen, dass diese Faschos nie das Ruder übernehmen!“

SPD-Politiker: AfD vor der Bundestagswahl „völlig enthemmt“

Die AfD scheine kurz vor der Bundestagswahl „völlig enthemmt“, kritisierte unterdessen der baden-württembergische SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoğlu die Aktion. „Dass zugewanderte Bürgerinnen und Bürger Deutschlands einen solchen Wisch in ihrem Briefkasten entdecken, der ihnen suggeriert, sie seien illegal in unserem Land und würden ab dem 23. Februar aus dem Land gejagt werden, ist gewollte Hetze, keine politische Informationsarbeit oder Wahlwerbung“, zitierte das RedaktionsNetzwerk Deutschland den SPD-Politiker.

Der AfD-Landesverband betonte hingegen, der Flyer richte sich an alle Wahlberechtigten, ein Großteil werde noch in Karlsruhe verteilt. Die Rede war von etwa 30.000 Exemplaren. Die Druckvorlage werde auf Anfrage auch an andere Kreisverbände weitergegeben. Die Landesvorsitzende der Linken Baden-Württemberg, Sahra Mirow, sagte derweil, die AfD zeige mit Aktionen wie dieser ihr wahres Gesicht. „Sie spaltet unsere Gesellschaft und verbreitet Hass und Hetze.“ Der Anzeige gegen die Aktion wolle sie sich anschließen, erklärte Mirow.

Ermittlungen wegen Verdachts der Volksverhetzung gegen AfD-Spitze

Die Polizei teilte am Dienstag schließlich mit, dass nach Hinweisen aus der Bevölkerung Ermittlungen gegen die AfD-Verantwortlichen in Karlsruhe aufgenommen worden seien. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt, sagte ein Polizeisprecher gegenüber Nachrichtenagenturen. Es würden derzeit alle Informationen gesammelt und diese dann an die Staatsanwaltschaft übermittelt, hieß es weiter.

In wie vielen Briefkästen der umstrittene Flyer landete, ist unklar. Die AfD Karlsruhe hat die Vor- und Rückseite der Flyer zusammen mit einer Stellungnahme auf ihrer Webseite abgebildet. Die Idee ist nicht neu: Eine „Freifahrtkarte“ für Juden nach Jerusalem gab es bereits 1933. Und auch die damalige NPD – heute „Die Heimat“– verteilte 2013 One-Way-Tickets für „Rückflug-Airlines“. Einen Zusammenhang weist die AfD Karlsruhe von sich.

Am Samstag hat die AfD auf Bundesebene unterdessen Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin gekürt. Die Parteichefin hatte zuvor mit Äußerungen über Adolf Hitler in einem Gespräch mit Tech-Milliardär Elon Musk für Entsetzen gesorgt. Auch ihren Auftritt beim Parteitag in Riesa nutzt Weidel für radikale Töne. In den jüngsten Wahlumfragen ist die AfD mit 20 bis 22 Prozentpunkten die zweitstärkste Kraft, lediglich CDU/CSU liegen in den Umfragen vor den Rechtspopulisten. (mit dpa)