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Kommentar

AfD gefährlich wie nie
Alice Weidel öffnet die Büchse der Pandora

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Lesezeit 3 Minuten
Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende, wartet am Rande des Bundesparteitags ihrer Partei vor einem Scheinwerfer auf den Beginn eines TV-Interviews.

Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende, wartet am Rande des Bundesparteitags ihrer Partei vor einem Scheinwerfer auf den Beginn eines TV-Interviews.

Alice Weidel, in Riesa zum alleinigen Star der AfD geworden, hat sich im Programm den Extremen angepasst. Immer lauter, immer härter, immer düsterer.

Björn Höcke spielte nur noch eine Nebenrolle beim AfD-Parteitag in Riesa. Die Partei hat nur noch einen Star, und der heißt Alice Weidel. Dennoch war Höcke rundum zufrieden. Denn die 45-jährige Parteichefin schwimmt neuerdings ganz auf seiner Linie. Ihre Rhetorik hat stetig an Schärfe zugenommen. Kurz nachdem Weidel von den Delegierten per Akklamation einstimmig zur ersten Kanzlerkandidatin der Rechtspartei gekürt wurde, dankte sie es Höcke mit einer zentralen Passage in ihrer Dankesrede. Sie forderte „Rückführungen in großem Stil“ und rief: „Wenn es Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“

Weidel hatte den Begriff immer vermieden. Durch die Berichterstattung über das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen mit AfD- und CDU-Politikern vor einem Jahr und den folgenden wochenlangen Massendemonstrationen galt „Remigration“ bei den nach bürgerlichen Wählern schielenden AfD-Granden als verbrannt.

Rechtsextremer Martin Sellner bejubelt Alice Weidel

Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner hatte in Potsdam seine Pläne zur „Remigration“ vorgestellt. Für ihn und seinesgleichen geht es dabei nicht nur um die Abschiebung von Straftätern oder die Rückkehr von Kriegsflüchtlingen nach Entfall des Fluchtgrunds, wie es jetzt im AfD-Wahlprogramm steht. Für die völkischen Extremisten geht es auch um Ausbürgerung von Deutschen mit Migrationshintergrund. Und auch die bayerische AfD beschloss im November 2024 ganz allgemein, „Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit mittels obligatorischer Rückkehrprogramme in ihre Heimat“ zurückführen zu wollen.

Auch die extremsten Kräfte können nun darauf verweisen, dass die Forderung nach „Remigration“ in der AfD zum Mainstream geworden ist.

Weidel hat auf dem Parteitag bewusst die Büchse der Pandora geöffnet. Zwischen sie und die Rechtsextremen passt nun auch rhetorisch kein Blatt mehr. „Dies war ein guter Tag“, schrieb der Österreicher Sellner nach Weidels Rede. Es sei eine Entscheidung für die „Seele der Partei“ gewesen.

Düstere AfD-Seele lässt sich von schriller Alice Weidel massieren

Diese düstere AfD-Seele lässt sich von einer immer schrilleren Weidel massieren. Eine, die mit dem völlig irren Begriff „Windmühlen der Schande“ den Abriss aller Windenergieanlagen in Deutschland fordert. Würde ihre Gefolgschaft darüber auch nur einen Moment nachdenken, wäre ihnen klar, dass solch ein massiver Eingriff ins Privateigentum nicht zu einer Partei passen kann, die Weidel im Gespräch mit Elon Musk als „libertär-konservativ“ bezeichnet hat.

Aber die AfD-Weltsicht kümmert sich nicht mehr um Widersprüche. Diese Partei kann sich von Musks Aufmerksamkeit gebauchpinselt fühlen und zugleich dem Anti-Amerikanismus frönen. Auf Höckes Wunsch stellte der Parteitag fest, dass Deutschland „Objekt fremder Interessen“ sei. Erst vor wenigen Tagen hatte auch Weidel die Deutschen als „besiegtes Volk“ bezeichnet.

Alice Weidel geht es um Kontrolle

Dass sich der Parteitag von der als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Skandal-Jugendorganisation „Junge Alternative“ trennt und eine neue Parteijugend aufbauen will, hat mit Mäßigung nur ganz am Rande zu tun. Es geht Weidel um Kontrolle. Die hat sie jetzt bekommen, in diesem Fall auch gegen Höckes Willen.

„Alice für Deutschland“ skandierten einige Delegierte, mit „Alice für Deutschland“ gratulierte auch Höcke in den sozialen Netzwerken. Das ist nur drei Buchstaben entfernt von dem SA-Slogan, für den der Thüringer vom Landgericht Halle verurteilt wurde.

Es gibt nur noch einen Kurs in der AfD, zu dem die wummernde Musik des Wahlwerbespots perfekt passt, der in Riesa nach Weidels Wahl eingespielt wurde: Immer lauter, immer härter, immer düsterer.