Rheinländer war im Kabul-Einsatz„Ich bereue keinen Tag, an dem ich helfen konnte“
Köln/Kabul – Fast zwei Jahre waren sie ein Team, konnten sich aufeinander verlassen, haben gefährliche Situationen gemeinsam überstanden. Eine Partnerschaft, die die Männer bis heute verbindet. Heinz K., der zwei Jahre bei der europäischen Mission EUPOL zum Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in Afghanistan im Einsatz war, und sein Dolmetscher Abdul halten auch in diesen dramatischen Tagen Kontakt.
„Abdul hält sich in einer Botschaft versteckt, wo genau, will er nicht sagen“, berichtet K. „Man weiß ja nie genau, wer die E-Mail alles mitliest. Es wäre lebensgefährlich für Abdul, wenn er von den Taliban erwischt werden würde.“
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Heinz K. stammt aus Stommeln bei Pulheim. Der promovierte Völkerrechtler gehörte als Spezialist für die internationale Strafgerichtsbarkeit zu einem Pool deutscher Experten für internationale Friedensmissionen. Nach Einsätzen auf dem Balkan wechselte er 2008 nach Afghanistan und nahm dort an der EUPOL Mission im Hauptquartier in Kabul teil.
„Meine Aufgabe war es, die Generalstaatsanwaltschaft und die Gerichte bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Der Schwerpunkt lag auf der Korruptionsbekämpfung“, sagt der 51-Jährige. „Wir waren beratend tätig, hatten kein exekutives Mandat. Am Ende trafen die afghanischen Partner die Entscheidungen.“
Schutzweste war Pflicht
Ein Einsatz, der dennoch mit großen Gefahren verbunden war. Der Einsatzort lag an der Jalalabad Road, damals vermutlich der gefährlichsten Straße der Welt. „Wir konnten das Hauptquartier nur mit Schutzweste in gepanzerten Fahrzeugen mit bewaffneten Begleitern verlassen“, berichtet K.. Das habe den Aufbau von Vertrauen bei den afghanischen Partnern erschwert, sei aber notwendig gewesen.
Mehrfach gerieten er und sein Dolmetscher unter Beschuss. „In den frühen Morgenstunden, wenn die Taliban Raketen auf Kabul abfeuerten, kam man schon ins Grübeln, ob sich der Einsatz lohnt“, sagt der Vater. Er war jedoch von seiner Aufgabe und den Zielen überzeugt. Was ihn zum Bleiben motiviert hat? „Jeden Morgen konnte ich sehen, wie die Kinder zur Schule gingen, meist in Schichten, weil es nicht soviele Gebäude gab.“
Frauen profitierten vom militärischen Schutz
Auch die Frauen haben von der durch das Militär gewährleisteten Sicherheit profitiert. „Sie konnten arbeiten gehen oder studieren, wurden zu Krankschwestern oder Ärztinnen ausgebildet. Das war unter den Taliban nicht möglich“, sagt der Jurist, der in Bonn studiert hat.
„Durch das internationale Engagement wurde der Zugang zu Bildung ermöglicht und den Menschen eine Perspektive aufgezeigt. Ich bereue keinen Tag, an dem ich dort helfen konnte. Einige Projekte, die ich angestoßen habe, sind gut angelaufen. Bei der Korruptionsbekämpfung waren erste Erfolge sichtbar. Wir haben damit begonnen, mit elektronischer Aktenführung zu arbeiten. Die hat es unmöglich gemacht, Akten einfach gegen ein Bestechungsgeld verschwinden zu lassen. “
Bedienstete erhielten unregelmäßig Geld
Die Bilder vom Umsturz in Afghanistan haben auch K. erschüttert. War nun der ganze Einsatz für die Katz? „Nein", sagt K.. Aber wie kann es sein, dass Polizei und Armee sich kampflos ihrem Schicksal ergeben haben?
Der Völkerrechtler hat eine Erklärung. „Viele Staatsbedienstete mussten oft Monate auf ihren Lohn warten und einen Teil des Geldes an ihre korrupten Vorgesetzten abgeben. Der afghanische Regierungsapparat galt als korrupt und genoss in der Bevölkerung kein hohes Ansehen. Die Taliban dagegen haben ihre Söldner gut bezahlt. Ein gemäßigtes Taliban-Regime war da anfangs vielen lieber. Und möglicherweise sahen zuletzt immer noch viel zu wenige einen Sinn darin, im Kampf ihr Leben zu riskieren.“
Taliban müssen mit Widerstand rechnen
Der Völkerrechtler setzt drauf, dass es den Taliban nicht gelingt, ein Regime nach altem Muster aufzubauen. „Ich hoffe darauf, dass der Widerstand in der Bevölkerung zu groß sein wird. Die afghanische Gesellschaft hat sich unter dem Schutz der internationalen Gemeinschaft, aber auch in Zusammenarbeit mit ihren Vertretern in Missionen wie EUPOL, weiterentwickelt. Sie haben Träume, die sich nicht so leicht aufgeben werden. Die Menschen lassen sich nicht mehr einfach in die Steinzeit zurückversetzten. “
Der Jurist arbeitet mittlerweile in Berlin. Er hofft, dass es seinem früheren Übersetzer gelingt, einen Weg aus dem Land zu finden. „Viele Ortskräfte haben schon damals ihr Leben riskiert, wenn sie mit uns zusammengearbeitet haben. Wir dürfen sie auch jetzt nicht im Stich lassen.“