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„Rebelliert und kämpft!“Stecken russische Nazis hinter dem mysteriösen Angriff in Russland?

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Denis Kapustin, alias Denis Nikitin (links) in Ljubetschanje.

Denis Kapustin, alias Denis Nikitin (links) wohl im Ort Ljubetschanje.

Ein rätselhafter Angriff in der russischen Grenzregion Brjansk wirft weiter Fragen auf. Ein russischer Rechtsradikaler soll die Gruppe anführen, die der Kreml für den „Terror“ verantwortlich macht.

Alarm im Kreml: Nur einen Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, soll es zu schweren Gefechten gekommen sein, meldeten am Donnerstag die russischen Behörden. Ein Autofahrer soll von Angreifern erschossen worden sein, als er versuchte, seinen Wagen vor einem Sperrposten zu wenden. Bei dem Beschuss sei auch eine weitere Person sowie ein zehnjähriger Junge verletzt worden, hieß es.

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Donnerstag den Fall als „Terroranschlag“ bezeichnet und ihn der Führung in Kiew angelastet. „Ukrainische Saboteure“ seien für die Aktion verantwortlich. Diese wies eine Beteiligung zurück und sprach von einer „Desinformationskampagne“. Der rätselhafte Angriff in der Grenzregion Brjansk wirft weiter Fragen auf.

Kreml macht die Gruppe „Russischer Freiwilligenkorps“ für Angriff verantwortlich

Inzwischen hat der Kreml seine offizielle Darstellung jedoch geändert: Statt von „ukrainischen Saboteuren“ zu sprechen, macht der Kreml laut Staatsmedien die Gruppe „Russischer Freiwilligenkorps“ für den Angriff verantwortlich.

Er hat eine Aktion in der Region Brjansk auf Telegram bestätigt. Laut dem russischen Außenministerium hätten sie Hilfe aus dem Westen gehabt. „Die Morde im Gebiet Brjansk wurden aus Nato-Waffen verübt“, erklärte das Ministerium am Freitag. Die Länder seien „Sponsoren des Terrors“ und „Mittäter“, so der Vorwurf.

Wolodymyr Selenskyj: Werden das russische System vor Gericht bringen

Auf Telegram hatte der bekannte russische Rechtsextremist Denis Kapustin (auch bekannt als Nikitin und White Rex) erklärt, er sei Anführer des „Russischen Freiwilligenkorps“ und wolle den bewaffneten Kampf gegen das Putin-Regime aufnehmen. „Das Korps besteht aus Russen, die auf Seite der Ukraine kämpfen und weitere russische Staatsbürger für ihre Sache gewinnen wollen“, erklärt der Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Gegenüber dem ukrainischen Sender Suspilne sagte einer der Kämpfer: „Es ist an der Zeit, dass die einfachen russischen Bürger erkennen, dass sie keine Sklaven sind. Rebelliert und kämpft!“. Die Gruppe hat sich offenbar erst im August 2022 gebildet und ist eine paramilitärische Einheit ethnischer Russen, die seit 2014 an der Seite der ukrainischen Streitkräfte kämpft. „Wir können davon ausgehen, dass solche Aktionen mit der ukrainischen Armee abgesprochen sind.“

Gruppe der Russischen Freiwilligenkorps strebt ethnisch reines Russland an

Sollte der Anschlag wirklich vom Russischen Freiwilligenkorps verübt worden sein, wäre dies die erste große und bekannte Aktion dieser Gruppe, meint Mangott. „Es handelt sich um russische Nazis“, erklärt er und verweist auf Kapustin, der immer wieder mit rechtsradikalen und nationalsozialistischen Aussagen in Russland und im Ausland aufgefallen war.

Er strebt demnach ein ethnisch reines Russland an. 2001 soll er als 17-Jähriger nach Deutschland gereist sein und sich der rechtsextremen Hooliganszene in Köln angeschlossen haben. Mit Kampfsport machte er sich in Deutschland einen Namen, ehe er 2019 ausgewiesen wurde. In Kiew soll er den Kampfclub Reconquista eröffnet haben, ein beliebter Treffpunkt für rechtsextreme Kampfsportler. In einer Telegram-Gruppe von Kapustin mit mehreren Tausend Abonnenten, die das RND einsehen konnte, wird er als „Held der weißen Rasse“ gelobt.

Experten sehen den ganzen Fall als „sehr mysteriös“ an

Experten, wie der Innsbrucker Politologe Mangott, sehen noch viele Fragen offen und den ganze Fall als „sehr mysteriös“ an. Da wäre als Erstes die Frage, warum der Angriff von Putin-Gegner Kapustin und seiner Gruppe ausgerechnet einem Zivilfahrzeug gelten sollte. „Es passt nicht ins Bild, dass der Freiwilligenkorps ein ziviles Fahrzeug angreifen soll, denn Polizeistationen, Kasernen oder FSB-Büros wären viel plausiblere Ziele“, gibt Russland-Experte Mangott zu bedenken.

„Der Angriff auf das Fahrzeug könnte inszeniert sein, um das Freiwilligenkorps in den Augen der russischen Bevölkerung zu diskreditieren.“ Da Putin die Tat bereits als Terrorangriff bezeichnet hat, könne er mit dieser Aussage der Bevölkerung signalisieren, dass von dieser Gruppe eine Gefahr ausgehen würde.

Video von dem angeblichen Angriff wird Ungereimtheiten auf

Unklar ist auch, ob das Russische Freiwilligenkorps auf Telegram wirklich diese Tat bestätigt. Mangott hält es für möglich, dass eine andere Aktion gemeint war und der Kreml den Angriff auf das Zivilfahrzeug erfunden hat.

Ungereimtheiten wirft auch ein Video von dem angeblichen Angriff auf, das Russlands Geheimdienst FSB produziert hat und die Tat zeigen soll. Denn die gezeigten Szenen stimmen nicht mit den bisher von den Behörden veröffentlichten Berichten überein. Zwar zeigt das Video einen toten Mann am Steuer des Lada Niva, doch von außen weist das Fahrzeug keine Einschussspuren auf.

Infrastruktur des betroffenen Ortes sei schwer beschädigt

Zudem steht das angeblich am Tatort gefilmte Auto in einer Szene halb im Straßengraben, in einer anderen Szene auf der Fahrbahn. Der FSB bringt nun auch noch ein weiteres Auto ins Spiel, bei dem ein zweiter toter Zivilist am Steuer sitzen soll. Dieses Auto ist völlig zerschossen. Doch bisher war nie von zwei Fahrzeugen die Rede.

Überhaupt stellt sich die Frage, wie Bewaffnete stundenlang auf russischem Gebiet Angriffe verüben konnten und warum es keine Augenzeugen für die vom FSB berichteten Gefechte zur Vertreibung der Angreifer gibt. Russische Medien berichten, die Infrastruktur des betroffenen Ortes sei schwer beschädigt, es gebe kein Gas, Strom und Internet. „Wir haben die Bewohner dieses Dorfes gesehen, sie haben Angst“, berichtet ein Reporter. „Bisher dürfen wir nicht zu ihnen gehen und sprechen, weil Ermittlungen im Gange sind.“ (rnd)