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Kommentar

Alle Probleme zugekleistert
Bundeskanzler Olaf Scholz demonstriert Entschlossenheit und Zuversicht

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Lesezeit 3 Minuten
24.07.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlässt nach seiner Sommer-Pressekonferenz, auf der er sich zu aktuellen Themen der Innen- und Außenpolitik geäußert hat, die Bundespressekonferenz.

Wenn es in den Umfragen nicht noch gelingen sollte, Wasser in Wein zu verwandeln, dann werden die Ampelparteien im September ein böses Erwachen erleben, kommentiert Eva Quadbeck.

Bundeskanzler Olaf Scholz zeichnet aus, dass seine zutage getragene Stimmung besser und seine Zuversicht größer sind, als sich die aktuelle Lage darstellt. Zur traditionellen Kanzler-Sommerpresskonferenz erschien er aufgeräumt und vermittelte den Eindruck, dass sich eine Reihe von innenpolitischen Problemen zeitnah lösen werden: die hohe irreguläre Migration, die miesen Wirtschaftsdaten, die unzureichend funktionierende Infrastruktur, die steigenden Sozialversicherungsbeiträge und natürlich auch die schlechten Umfragewerte der SPD. Das Problem ist nur, dass der Kanzler seit Amtsantritt in diesem Futur-II-Stil (Es wird gelungen sein) kommuniziert – aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger die Probleme aber mehr und nicht weniger werden.

Nun kann man den Krieg, die Energiekrise und die Inflation als sehr schwierige äußere Umstände für eine Bundesregierung anführen. Wenn man Scholz zuhört, beschleicht einen aber immer wieder der Verdacht, dass er den Schuss nicht gehört hat. Vielleicht würde ein bisschen mehr Ehrlichkeit beim Betrachten der Probleme helfen. Ein Kanzler sollte sein Volk nicht in Panik versetzen, wenn er aber offensichtliche Missstände schönredet und auf seinen Glauben an eine bessere Zukunft verweist, dann wirkt das am Ende des dritten Regierungsjahres unglaubwürdig.

Signal an die Öffentlichkeit: Die Koalition steht geschlossen zusammen

Scholz wollte offensichtlich für die Öffentlichkeit nach außen und für die Koalition nach innen das Signal setzen, dass eine geschlossene Koalition planvoll in ihr letztes Regierungsjahr steuert. Doch die Koalition ist nicht geschlossen. Der Streit um Haushalt, Wehretat, Bürgergeld und die geplante Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen wird gerade nur gedämpft geführt, weil die Hälfte des Kabinetts im Urlaub ist und der Bundestag Sommerpause hat. Der im Kabinett verabschiedete Bundeshaushalt ist längst noch nicht geeint in der Koalition – und es fehlen immer noch mindestens acht Milliarden Euro. So gesehen ist der Sommer gnädig zur Politik.

Im September steht den Ampelparteien ein böses Erwachen bevor. Wenn es in den Umfragen nicht noch gelingen sollte, Wasser in Wein zu verwandeln, dann werden SPD, Grünen und Liberale bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg existenziell bedrohliche Niederlagen einfahren. Die Zusammenarbeit in der Koalition und die Verabschiedung des Haushalts dürfte das erneut erschweren.

Scholz größte Stärke ist seine Beharrlichkeit

Scholz Schwäche in der Innenpolitik erweist sich als Stärke in der Außenpolitik: seine Beharrlichkeit. Auch das wurde bei seinen Ausführungen am Mittwoch noch einmal deutlich. Seit dem Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine sichert der Kanzler dem angegriffenen Land Unterstützung zu und liefert. Seiner Linie der Solidarität mit der Ukraine, ohne Deutschland zur Kriegspartei werden zu lassen, ist er treu geblieben. Alle Entscheidungen sind in enger Abstimmung in der Nato gefallen. Nach dem gleichen Muster argumentiert er nun für die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in Deutschland. Die Abschreckung hat im Kalten Krieg funktioniert. Ob dieses Prinzip auch in einer Zeit das richtige Mittel ist, in der auf dem europäischen Kontinent ein heißer Krieg herrscht, bleibt abzuwarten. Klar aber ist: Ohne Abschreckung wird sich das freie Europa den russischen Diktator Putin auch nicht vom Leib halten können.

Scholz hat sich auch zuversichtlich gezeigt, dass er nach der nächsten Bundestagswahl wieder Kanzler wird – hat ja schließlich schon einmal geklappt, seine SPD aus dem Umfragetief ins Kanzleramt zu hieven. Damals allerdings kämpften die Sozialdemokraten gegen eine müde, regierte und tief zerrissene Union. Das sieht aktuell ganz anders aus. (rnd)