AboAbonnieren

Schlägertrupp von Dresden„Ich habe noch nie so viel Angst gehabt wie in diesen drei Minuten“

Lesezeit 4 Minuten
Ein Demonstrant hält bei einer Solidaritätskundgebung in Berlin ein Plakat mit der Aufschrift „Dresden Schläger – Höckes willige Helfer“. Sowohl in der Hauptstadt als auch in Dresden versammelten sich am Sonntag Menschen aus Solidarität mit dem angegriffenen SPD-Politiker Matthias Ecke und einem Wahlhelfer.

Ein Demonstrant hält bei einer Solidaritätskundgebung in Berlin ein Plakat mit der Aufschrift „Dresden Schläger – Höckes willige Helfer“. Sowohl in der Hauptstadt als auch in Dresden versammelten sich am Sonntag Menschen aus Solidarität mit dem angegriffenen SPD-Politiker Matthias Ecke und einem Wahlhelfer.

Drei weitere Tatverdächtige wurden nach dem Angriff auf Matthias Ecke ermittelt. Eine Grünen-Wahlhelferin schildert derweil die Attacke.

Drei weitere Tatverdächtige sind nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke ermittelt worden, die Wohnungen der Beschuldigten im Alter von 17 und 18 Jahren seien am Sonntag durchsucht worden, teilte das Landeskriminalamt am Montag in Dresden mit. Zuvor hatte sich in der Nacht auf Sonntag bereits ein 17-Jähriger der Polizei gestellt.

Der in Dresden zusammengeschlagene SPD-Politiker Matthias Ecke erlitt bei dem Angriff nach Angaben seiner Partei einen Jochbeinbruch, einen Bruch der Augenhöhle sowie Schnittverletzungen und Hämatome im Gesicht, wie der sächsische SPD-Vorsitzende Henning Homann am Sonntag erklärte. Ecke sei am Wochenende erfolgreich operiert worden, hieß es weiter.

Angriffe auf SPD-Politiker und Grünen-Wahlhelfer: „SA-Methoden“ und „Schlägertrupps“

Bei einer Solidaritätskundgebung in Dresden wurde laut „Spiegel“ auch eine Botschaft von Ecke aus dem Krankenhaus übermittelt. Er wünsche sich, dass es nicht nur um ihn gehe, sondern um all jene, die sich für die Demokratie einsetzen, ließ der SPD-Politiker übermitteln. Der Angriff gelte auch jenen, die „im Gegensatz zu ihm keine Posten“ hätten und das alles aus Leidenschaft täten.

Ein Wahlplakat des sächsischen SPD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Matthias Ecke hängt an der Schandauer Straße im Stadtteil Striesen an einem Laternenmast.

Ein Wahlplakat des sächsischen SPD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Matthias Ecke hängt an der Schandauer Straße im Dresdner Stadtteil Striesen an einem Laternenmast.

Die SPD Sachsen geht unterdessen davon aus, dass Ecke seinen Wahlkampf nach seiner Genesung fortsetzen wird. Die Attacke auf Ecke und einen Wahlhelfer der Grünen hatte für viel Entsetzen gesorgt. In der Politik war am Wochenende oftmals von „SA-Methoden“ und „Schlägertrupps“ die Rede.

Grünen-Aktivistin schildert Angriff: „In den Bauch und die Rippen“ getreten

Auch zu dem Angriff auf einen Wahlhelfer der Grünen, der sich kurz vor der Prügelattacke auf Ecke ereignet hatte und mutmaßlich von derselben Tätergruppe begangen worden sein soll, wurden unterdessen weitere Details bekannt. Nach Schilderung seiner Begleiterin wurde der 28-jährige Wahlhelfer mehrfach von den Angreifern geschlagen und am Boden in den Bauch und die Rippen getreten. „Er hat Blessuren davongetragen, vor allem Prellungen“, berichtete die Grünen-Aktivistin Anne-Katrin Haubold am Sonntag im „Spiegel“.

Sie war nach eigenen Angaben am Freitagabend kurz nach 22 Uhr im gutbürgerlichen Stadtteil Striesen mit ihm unterwegs gewesen, um Wahlplakate aufzuhängen. Die Polizei geht davon aus, dass die gleichen Täter auch für den Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke wenig später verantwortlich sind.

Hintergrund unklar: Polizei spricht von Hinweisen auf rechtes Spektrum

Die vier Männer seien ihnen schon zuvor aufgefallen, weil sie „unangenehm laut waren“, sagte Haubold nun dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Einer habe sich direkt vor ihrem Begleiter aufgebaut. „Zwischen den beiden Nasen waren nur fünf Zentimeter. Er fragte: Was habt ihr gemacht? Mein Parteifreund antwortete: 'Wir haben ein Plakat für die Grünen aufgehängt'. Dann kam aus der Gruppe: ‚Scheiß Grüne!‘ Und der Angreifer verpasste meinem Kollegen einen Faustschlag ins Gesicht“, erzählte sie.

Der Täter habe dann noch einmal zugeschlagen und ein drittes Mal ausgeholt und den Grünen-Plakatierer zu Boden gebracht, wo dann zwei der Männer ihm „in den Bauch und die Rippen“ getreten hätten. Sie habe ihren Mitstreiter hochziehen können und ihm zugerufen, wegzulaufen. Die Angreifer seien dann in die andere Richtung gerannt.

„In ihrer Stimme lag so viel Hass“

Die Angreifer hätten hochgeschlossene Jacken getragen und tief ins Gesicht gezogene Basecaps. „Sie waren zwar nicht komplett vermummt. Aber sie wollten offenbar nicht erkennbar sein“, sagte sie. Haubold wollte die Täter nicht klar dem rechten Spektrum zuordnen, auch wenn das naheliegend sei. „Ich weiß nicht, wer es am Ende war“, sagte sie.

„In ihrer Stimme lag so viel Hass. Wenn man in Dresden wohnt, kennt man das aus dem rechten Spektrum. Natürlich könnten es auch welche von ganz links sein, klar. Aber das ergibt nicht so viel Sinn.“ Zuvor hatte ein Sprecher der Polizei Dresden von einem Hinweis gesprochen, wonach die Tätergruppe dem rechten Spektrum zuzuordnen sei. Dementsprechende Erkennungsmerkmale habe sie in der Dunkelheit jedoch nicht wahrnehmen können, erklärte Haubold. „So schnell, wie es passierte, war es auch wieder vorbei. Aber ich habe noch nie so viel Angst gehabt wie in diesen drei Minuten“, sagte Haubold.

„Wir werden weiterhin auch Plakate aufhängen“

Am Wahlkampf ihrer Partei solle sich nach dem Angriff grundsätzlich aber nichts ändern, sagte Haubold. „Wir werden weiterhin mit Ständen am Wochenmarkt präsent sein und auch Plakate aufhängen. Allerdings nur noch tagsüber und nur noch in größeren Teams.“

Zu dem bei dem späteren Überfall am Freitagabend schwer verletzten SPD-Politiker Ecke habe sie derzeit keinen Kontakt, erklärte Haubold zudem. „Er muss ja jetzt erst mal gesund werden.“ An der Solidaritätskundgebung am Sonntag in Dresden nahm Haubold eigenen Angaben zufolge teil. „Wir müssen die Zivilgesellschaft aufrütteln“, forderte die Grünen-Wahlhelferin. „Solche Vorfälle sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, nicht nur eines von Wahlhelfern aus dem linken Parteienspektrum.“ (mit dpa)