Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist stark gestiegen. Wie werden Migranten hier und anderswo in der EU versorgt?
AsylsuchendeWelche Sozialleistungen Migranten in Europa bekommen
Mit harten Aussagen über abgelehnte Asylbewerber, die sich hierzulande „die Zähne neu machen lassen“, hat CDU-Chef Friedrich Merz eine Diskussion über Sozialleistungen für Migranten losgetreten. Er vertritt die umstrittene These, Deutschland sei auch deshalb ein Magnet für irregulär einreisende Migranten, weil sie besser als anderswo in Europa versorgt werden. Dazu Hintergründe und Vergleichszahlen:
Viele kommen nach Europa - und die meisten nach Deutschland
Im EU-Vergleich sind hierzulande im ersten Halbjahr mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt worden. Es waren nach Daten der Europäischen Asyl-Agentur 30 Prozent aller Anträge - und damit fast doppelt so viel wie in den nächstplatzierten großen EU-Staaten Spanien (17 Prozent) und Frankreich (16 Prozent). Erst dahinter rangieren Österreich und Italien. Und auch im Verhältnis zur Bevölkerung liegt Deutschland vor Italien, Frankreich und Spanien: So wurden von Januar bis Juni die meisten Asylanträge pro tausend Einwohner in folgenden Ländern gestellt: Zypern (4,5), Österreich (2,5), Estland (2), Deutschland (1,9), Luxemburg (1,8).
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist stark gestiegen. Von Januar bis August stellten mehr als 204 000 Menschen erstmals einen Antrag - 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kommen inzwischen mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen.
Welche Leistungen Migranten bekommen
Die Sozialleistungen für Asylbewerber in Europa klaffen deutlich auseinander, wie eine Untersuchung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von März zeigt. So können Drittstaatler in laufenden Asylverfahren in Österreich und Deutschland mehr als 400 Euro pro Monat erhalten. In Großbritannien gibt es demnach umgerechnet etwa 210 Euro, in Schweden 180, in Griechenland 150 und in Ungarn nur 60 Euro.
Zu bedenken ist dabei, dass sich Kaufkraft, Durchschnittseinkommen und Lebenshaltungskosten von Land zu Land stark unterscheiden. So ist etwa der in Deutschland verdiente Euro in Bulgarien doppelt so viel wert. Und in Dänemark ist der Bruttomonatsverdienst doppelt so hoch wie in Spanien. Auch in dem Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags heißt es daher einschränkend, es sei „schwierig, international vergleichbare Daten zu erheben und zu interpretieren“.
Beispiele für die Versorgung von Migranten
In GRIECHENLAND erhält ein Asylbewerber monatlich 150 Euro. Die Menschen leben dann entweder in Auffanglagern oder ihre Wohn- und Heizkosten werden übernommen. Außerdem haben sie Anspruch auf medizinische Versorgung. Schwangere und Menschen mit Behinderungen werden zusätzlich finanziell unterstützt. Zum Vergleich: Griechen und EU-Bürger, die in Griechenland leben und Anspruch auf Sozialhilfe haben, erhalten 200 Euro im Monat.
Werden Asylgesuche abgelehnt, müssen die Antragsteller theoretisch bis zu ihrer Abschiebung in Auffanglagern bleiben. Dort gibt es auch Anspruch auf ärztliche Versorgung. Praktisch aber ist die Unterbringung kaum möglich. Daher leben viele abgelehnte Asylsuchende ohne Papiere, Arbeitsgenehmigung oder staatliche Unterstützung in Griechenland. Anspruch auf medizinische Versorgung und finanzielle Unterstützung haben sie in diesem Fall nicht - außer wenn ihr Leben bedroht ist.
Der Vergleich zu Zahlungen an Asylsuchende in anderen Ländern bleibt schwierig: So liegt zum Beispiel der durchschnittliche Bruttolohn in Griechenland bei rund 1200 Euro, in Deutschland waren es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 rund 4100 Euro.
Quasi keine Asylbewerber in Ungarn
In UNGARN gibt es wegen der restriktiven Flüchtlingspolitik quasi keine Asylbewerber. Asyl kann nur bei den ungarischen Botschaften in Kiew und Belgrad beantragt werden. Nach Angaben des Statistikamts gab es 2022 insgesamt 46 Asylanträge, von denen 10 akzeptiert wurden. 20 Menschen haben eine Art Duldung mit Recht auf Arbeit bekommen.
Nicht in der Statistik tauchen die Tausenden Flüchtlinge aus der Ukraine auf, weil sie in der Regel keinen Asylantrag stellen. Die meisten sind auch nur durchgereist. Speziell für Ukraine-Flüchtlinge gibt es eine Ausnahmeverordnung. Viele dieser Flüchtlinge sind ethnische Ungarn aus der Grenzregion, manche Doppel-Staatsbürger. Sie haben ein Recht auf kostenlose ärztliche Versorgung, dürfen gratis öffentliche Verkehrsmittel benutzen und bekommen eine Beihilfe.
Ausnahmeregeln für Geflüchtete aus der Ukraine
Hierbei liegt der minimale Satz für einen kinderlosen Flüchtling bei 22 800 Forint (58,4 Euro) pro Monat. Das ist etwas weniger als der minimale Sozialhilfesatz in Ungarn. Diese Beihilfe kann gestrichen werden, wenn der Flüchtling ihm angebotene Jobs ablehnt. Zusätzlich gibt es Beihilfen für Familien mit Kindern, je nach Zahl und Gesundheitszustand. Maximal sind das 25 900 Forint (66,3 Euro) zusätzlich - die bekommt ein(e) Alleinerziehende(r) mit einem chronisch kranken Kind.
In SPANIEN erhalten erwachsene Asylbewerber, die während der ersten sechsmonatigen Phase in Gemeinschaftsunterkünften mit Verpflegung untergebracht sind, ein Taschengeld von 51,60 Euro pro Monat. Eltern bekommen darüber hinaus monatlich 19,06 Euro für jedes minderjährige Kind. Erstattet werden zudem gegen Quittung unter anderem Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr, für Übersetzungsgebühren, Sprachkurse und so weiter. Asylbewerber dürfen außerdem in der Sammelunterkunft einem Job nachgehen und damit bis zu 185 Euro pro Monat dazuverdienen.
In der zweiten Phase, die ebenfalls in der Regel sechs Monate dauert, leben die Asylbewerber im Prinzip alle in Privatunterkünften. Sie bekommen dann einen Zuschuss für die Lebenshaltung in Höhe von 347,60 Euro (für eine Person, und bis zu knapp 800 Euro für einen mindestens fünfköpfigen Haushalt) sowie eine Mietbeihilfe zwischen 376 (für eine Person) und 717 Euro (für Familien mit fünf und mehr Mitgliedern).
Deutschland: Asylbewerber dürfen nach drei Monaten arbeiten
In der dritten Phase können Asylbewerber arbeiten und bekommen nur noch in eher seltenen Härtefällen finanzielle Unterstützung vom Staat. Ausländer mit Wohnsitz in Spanien haben aber das Recht, unter den gleichen Bedingungen wie die Spanier Leistungen und Dienste der sozialen Sicherheit in Anspruch zu nehmen. Das Gesundheitssystem steht Flüchtlingen, Asylbewerbern oder auch nicht ansässigen Ausländern unabhängig von ihrem rechtlichen Status zur Verfügung.
In DEUTSCHLAND haben Asylbewerber und unter anderem Menschen mit einer befristeten Duldung Anspruch auf ein Dach über dem Kopf sowie Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern. Statt solcher Sachleistungen sind teils auch Wertgutscheine oder Geldleistungen vorgesehen.
Die Sätze liegen dabei zwischen 278 Euro für Kinder bis 5 Jahren und 410 Euro für erwachsende Alleinstehende oder Alleinerziehende. Nach 18 Monaten steigen die Sätze ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe. Arbeiten dürfen Asylsuchende in der Regel nach drei Monaten, wenn sie minderjährige Kinder haben, schon nach sechs Monaten. Wenn sie verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sind es neun Monate.
Medizinische Versorgung: Für abgelehnte Asylbewerber nur eingeschränkte Leistungen
Während der ersten 18 Monate ihres Aufenthalts haben Asylbewerber nur eingeschränkt Anspruch auf medizinische Versorgung. Sie können bei akuter Erkrankung und bei Schmerzen zum Arzt gehen. Zahnersatz gibt es nur, wenn dieser im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Nach 18 Monaten werden Asylbewerber und Geduldete von einer gesetzlichen Krankenkasse betreut und erhalten ähnliche Leistungen wie gesetzlich Versicherte.
Wer ausreisepflichtig ist, also zum Beispiel, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde, bekommt nur noch eingeschränkte Leistungen. Bis zu Ausreise oder Abschiebung sollen er oder sie normalerweise nur noch Unterkunft und Nahrung sowie Leistungen zur Gesundheits- und Körperpflege erhalten.
Frankreich: Nach drei Monaten Anspruch auf Versorgung durch reguläre Gesundheitssystem
In FRANKREICH haben Asylbewerber Anspruch auf eine Unterbringung in einer Flüchtlingsunterkunft oder einem vergleichbaren Quartier. Asylbewerber erhalten für die Dauer des Asylverfahrens eine Finanzhilfe, diese beträgt für eine Einzelperson 210,80 Euro pro Monat, eine vierköpfige Familie erhält 527 Euro. Ab sechs Monate nach der Ankunft in Frankreich dürfen Asylbewerber auch eine Arbeit annehmen. Bei ihrer Ankunft haben Asylbewerber zunächst Anspruch auf medizinische Notversorgung, nach drei Monaten Aufenthalt dann auf eine reguläre Versorgung durch das Gesundheitssystem.
Asylbewerber, deren Antrag in Frankreich abgelehnt wird, müssen ihre Unterkunft binnen eines Monats verlassen. Sie erhalten außerdem ab dann keine Finanzhilfe mehr. Der Anspruch auf Gesundheitsversorgung kann unter bestimmten Voraussetzungen um sechs Monate verlängert werden. Davon unabhängig können abgelehnte Asylbewerber, die sich mindestens drei Monate in Frankreich aufgehalten haben, eine Karte zur Übernahme der Gesundheitskosten beantragen, die jährlich verlängerbar ist. Voraussetzung ist, dass sie nur über geringe Einkünfte verfügen.
In ÖSTERREICH leben nach Angaben des Innenministeriums aktuell 17 500 Asylbewerber in Unterkünften des Bundes oder Länder. Für diese Gruppe umfasst die sogenannte Grundversorgung die Unterkunft, drei Mahlzeiten am Tag sowie 40 Euro Taschengeld pro Monat. Außerdem sind die Menschen krankenversichert und es steht ihnen Kleidung im Wert von 150 Euro pro Jahr zu. Manche Bundesländer erlauben den Geflüchteten, sich ein privates Quartier zu suchen.
In diesen Fällen wird für Erwachsene ein Mietzuschuss von 165 Euro pro Monat und Person gezahlt. Der Zuschuss für Verpflegung beträgt 260 Euro pro Person und Monat. Laut Innenministerium leben aktuell in Österreich rund 2500 Asylbewerber in privaten Unterkünften. Die beschriebene Unterstützung erhalten auch alle abgelehnten Asylbewerber bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise. „Die Grundversorgung deckt nur elementare Grundbedürfnisse ab, um unter anderem prekären Lebenssituationen und Obdachlosigkeit vorzubeugen und unterscheidet sich daher grundlegend von Sozialleistungen“, so das Ministerium. (dpa)