Schon wieder eine Amoktat, wieder kam ein Auto zum Einsatz. Oft sind es Messer. Manchmal Täter mit Migrationshintergrund. Doch das Problem ist ein anderes.
Messer, München, MannheimDas Problem sind psychisch kranke Männer

Kerzen und Blumen liegen in der Nähe des Paradeplatzes an einer Straßenbahn-Haltestelle. Am 3. März war ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Der mutmaßliche Täter ist nach neuen Erkenntnissen offenbar psychisch krank. Die Fälle häufen sich, doch die Politik schaut zu.
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Mannheim, München, Aschaffenburg: Die Amokfahrt von Rosenmontag in der baden-württembergischen Großstadt scheint fortzuführen, woran sich Bevölkerung, Medien und Politik in den ersten drei Monaten dieses Jahres gezwungen waren zu gewöhnen. An aufsehenerregende Gewalttaten mit Todesopfern und vielen Verletzten. Mit einer Ausnahme: bei dem Tatverdächtigen von Mannheim handelt es sich um Alexander S., einen deutschen Staatsbürger also, der keinen Migrationshintergrund aufweist.
Was die Täter eint, ist jedoch weder ihre Herkunft, noch ihr Motiv. Aber: Sie alle waren Männer. Und viele von ihnen hatten sich radikalisiert, waren rechtsextrem oder islamistisch. Oft einhergehend mit physischen Erkrankungen. Denn zur Wahrheit gehört auch: Es gibt nicht entweder den einen oder den anderen Grund. Psychische Erkrankungen und rechtsextremistische oder islamistisch motivierte Taten schließen sich keineswegs aus. Auch auf Alexander S. trifft offenbar beides zu. Psychisch auffällig sei er gewesen und früher wohl Mitglied einer rechtsextremen Gruppe.Gegen S., der bei der Amokfahrt nicht selbst ums Leben kam, wurde mittlerweile Haftbefehl erlassen.
Attentate in Deutschland: Das Problem sind psychisch kranke Männer
Dass der Täter psychisch krank sei, heißt es immer wieder nach Amokläufen. Und tatsächlich belegen Studien, dass eine psychische Erkrankung die Wahrscheinlichkeit steigt, Gewalttaten zu begehen. Von Vandalismus über leichte Körperverletzung bis hin zu schweren Gewalttaten und Mord. Je gravierender die Tat, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass diese mit seelischen Krankheiten erklärbar ist.
Jeder dritte Amoktäter leidet etwa an einer Psychose – aber nicht jede Person, die an einer Psychose leidet, hegt Amokfantasien.
Die Politik weiß Bescheid – und folgt den falschen Ideen
Die Politik weiß um die Problematik, politische Vertreterinnen und Vertreter äußern sich regelmäßig dazu. Zuletzt hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mit der Forderung nach einem „Register für psychisch kranke Gewalttäter“ für bundesweite Empörung gesorgt. Diese würden keinen Mehrwert für die Innere Sicherheit bieten, sondern ein Stigma für Betroffene von psychischen Krankheiten darstellen, so der Vorwurf. Die Forderung ist vom Tisch, das Problem besteht weiter.
Insbesondere wenn es sich bei den Gewalttätern um Menschen mit Migrationshintergrund handelt, wie etwa bei der Amokfahrt in Magdeburg im Dezember 2024, oder wenige Wochen später, als ein Afghane in Aschaffenburg zwei Menschen mit einem Messer getötet und drei weitere schwer verletzt hat, konzentrieren sich teile von Politik, Medien und Gesellschaft auf die Herkunft oder Staatsangehörigkeit der mutmaßlichen Täter. Sind diese bereits vor der Tat straffällig in Erscheinung getreten, ist der Aufschrei besonders groß.
Mutmaßlicher Amokfahrer von Mannheim war polizeibekannt
Auch der Ludwigshafener Alexander S. ist bereits vor der Tat am Rosenmontag polizeilich bekannt gewesen. Wegen einer Körperverletzung hatte Alexander S. vor Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßen müssen, S. fiel in der Vergangenheit auch durch Trunkenheit am Steuer und Propagandadelikte im Netz auf. Dort gibt es auch Bilder von ihm mit Waffen zu sehen, auf Vk.com, dem russischen Facebook, inszenierte sich S. als starker Mann. Nach bisherigem Ermittlungsstand war er alleinstehend und kinderlos.
Attentate sind nur theoretisch zu verhindern
Ein Attentat als Ergebnis einer psychischen Erkrankung ist ein extremes und seltenes Ereignis, auch wenn es gerade in den ersten Monaten des Jahres anders erscheinen mag. Dem vorzubeugen, ist nahezu unmöglich. Denn um bei einem Gericht die Unterbringung in eine Klinik erwirken zu können, muss schon im Vorfeld erkennbar sein, dass die betroffene Person in der Zukunft Körperverletzungen oder schwerwiegendere Delikte begehen wird.
Der australische Psychiater Matthew Large hat sich mit der Frage beschäftigt, was es bedeuten würde, präventiv psychisch Erkrankte zur Verhinderung von Straftaten in einer Klinik unterzubringen. Sein Ergebnis: 35.000 Patienten mit Schizophrenie, bei denen ein erhöhtes Gewaltrisiko festgestellt worden ist, müssten zur Verhinderung eines einzigen Tötungsdelikts, vorsorglich in eine Klinik eingewiesen werden.
Psychotherapien können Risiko von Straftaten reduzieren
Was jedoch Straftaten verhindern kann, ist eine Psychotherapie. Denn befinden sich Erkrankte in psychiatrischer Behandlung, sinkt das Gewaltrisiko deutlich.
„Das beste Mittel der Gewaltprävention ist die frühzeitige, koordinierte und intensive Behandlung von Menschen mit solchen psychischen Erkrankungen, die unbehandelt ein Risiko für Gewalttaten darstellen“, sagt dazu die DGPPN-Präsidentin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“.