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Bankmanager gründete Klima-NGO„In mir brodelte eine konstruktive Wut“

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Der Verein hat mittlerweile in 30 Ländern 15 Millionen Bäume gepflanzt.

  1. Vor dreißig Jahren wollte der Bankmanager Karl Peter Hasenkamp die CO2-Orgien stoppen.
  2. Er gründete den Umweltschutzverein Primaklima, der heute seinen Sitz in Bergisch Gladbach hat.
  3. Bis heute haben er und seine Mitstreiter 15 Millionen Bäume gepflanzt. Die ersten im Rhein-Erft-Kreis.

Bergisch GladbachHerr Hasenkamp, die Klimakonferenz in Glasgow ist vor kurzem zu Ende gegangen. China und Indien waren nicht dazu bereit, sich aus der fossilen Energiegewinnung zu verabschieden. Trotzdem sprechen manche von Erfolg, andere von Schande. Wie sehen Sie es?

Karl Peter Hasenkamp: Die Richtung der Beschlüsse von Glasgow ist schon ok. Aber alles 20 Jahre zu spät. Und: Die Diskussionen kreisen noch immer nur um jetzige und künftige Emissionen. Aber der Auslöser der Klimaveränderungen, die sich schon jetzt zeigen, ist doch die Anhäufung der Treibhausgase der letzten 100 bis 150 Jahre. Das wird nicht angegangen. Das ist unverständlich.

Sie feiern in diesem Jahr ein Jubiläum. Vor 30 Jahren haben Sie entschieden, sich für den Umweltschutz einzusetzen, und gründeten den Verein Primaklima. Und das als Bankmanager. Warum?

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Karl Peter Hasenkamp engagiert sich seit 30 Jahren fürs Klima.

Ich wollte meinen Teil Wiedergutmachung leisten für die angerichteten Schäden. Die Menschheit hat eine mittlerweile 150-jährige CO2-Orgie gefeiert und die Konsequenzen kollektiv verdrängt. Das ist eine zivilisatorische Ungeheuerlichkeit. Spätestens jetzt ist allen klar, dass die Emissionen zu einer Klimaerwärmung führen. Damals aber hat es noch fast niemanden interessiert, was da eigentlich alles in den Himmel dampft, obwohl Experten längst gewarnt hatten. In mir brodelte eine konstruktive Wut. Also beschloss ich, etwas zu tun. Aber es ist schon richtig, in der Wirtschaft generell und in meiner Branche kam das nicht überall gut an.

Was haben die Kollegen denn gesagt?

Da möchte ich nicht ins Detail gehen. Ich habe ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut und Banken können bei der Umsetzung von Interessen auch hilfreich sein. Geld ist immer auch ein Steuerungsmittel. Nur so viel: Nach meiner 15-jährigen Tätigkeit bei der WestLB und fünf Jahren bei einem Bankenverband habe ich mich 1987 als Berater selbstständig gemacht. Das Thema zu platzieren, war nicht so ganz einfach. So mancher Vorstand dachte sich ‚oh der Hasenkamp, da machen wir besser einen großen Bogen‘. Auch bei den Kunden war der ökologische Ansatz zumindest anfangs eher ein Schrecken - daher das seinerzeitige Zögern der Banken-Branche.

Zur Person

Karl Peter Hasenkamp,78, hat vor 30 Jahren die Klimaschutzorganisation Primaklima gegründet, nach eigenen Angaben die älteste gemeinnützige Organisation in Deutschland, die ausschließlich Waldprojekte für den Klimaschutz verwirklicht. Der Verein ermöglicht Baumspenden für deutsche und internationale Projekte. Unternehmen und Privatpersonen können zudem ihre Emissionen über Primaklima kompensieren. Sitz ist seit 2014 in Bergisch Gladbach. Zwischen 1991 und 2015 war Hasenkamp ehrenamtlicher Vorsitzender, seitdem ist er Ehrenvorsitzender. Er kommt aus Mettmann.

Der Ansatz von Primaklima ist das Bäume-Pflanzen. Warum dieser Weg?

Ich habe mich gefragt: Wie kann man die Menschen am einfachsten erreichen? Walderhalt und Waldvermehrung erschienen mir sinnvoll. Der Wald ist die stärkste Vegetationsform. Er schlägt alles, wenn man ihn lässt. Ich bin in die USA gereist und habe dort in „American Forests“, der landesweit ältesten Organisation für Walderhalt, einen starken Kooperationspartner gefunden. Baumpflanzungen sind greifbare biotische Maßnahmen, die Photosynthese ist die Umkehrung von Verbrennung. Je mehr Bäume da sind, desto mehr CO2 wird gebunden. Das versteht eigentlich jeder. Wichtig war, dass die ersten Aktionen von Primaklima auch in nahen Regionen stattgefunden haben und nicht nur in weiten Fernen.

Eine Ihrer ersten Pflanzungen war im Rhein-Erft-Kreis…

… richtig. Wir haben dort auf acht Hektar 24.000 Bäume gepflanzt. Inzwischen haben wir weltweit etwa 15 Millionen Bäume gepflanzt. Rechnet man die waldbezogenen CO2-Zertifikate mit ein, die wir ebenfalls finanzieren, stecken hinter all unseren Aktivitäten sogar mehr als 20 Millionen Bäume. Und der Trend ging in den letzten Jahren nach oben. Auch in diesem Jahr läuft es gut.

Wie erklären Sie sich das?

Die Menschen tragen ein schlechtes Klima-Gewissen mit sich herum. Die steigende Spendenbereitschaft ist bedauerlicherweise nicht hauptsächlich auf die Kraft der guten Argumente oder die gute Arbeit von Primaklima zurückzuführen, sondern auf den Greta-Thunberg-Effekt. Greta hat mit einem Pappschild in der Hand viele Menschen wachgerüttelt und wurde zu einer säkularen Johanna von Orléans, zu einer Art Spiegel eines eher versteckten kollektiven Wollens. Das ist schon erstaunlich.

Haben Sie Greta Thunberg schon mal getroffen?

Nein, das muss ich vielleicht auch nicht. Wenn ich sie treffen würde, dann nur, um sie zu bestärken weiterzumachen. Sie vertritt in Teilen auch meine Auffassung. Mir sagte man damals, ich müsse in die Schulen gehen und die Kinder überzeugen. Meine ethische Überzeugung war jedoch, zu denen zu gehen, die den Schaden angerichtet haben. Das waren und sind nicht die Kinder, das sind die Erwachsenen.

Sie sprechen von schlechtem Klimagewissen. Ihres wog so schwer, dass sie schon 1989 ein öffentliches Geständnis ablegten. Wie kam es dazu?

Soweit ich weiß, war ich wohl der Erste in Deutschland, der öffentlich gemacht hat, wie viel CO2 er persönlich beruflich und als Familie emittiert. „Bekenntnisse eines Öko-Flagellanten“ habe ich den zweiteiligen Aufsatz genannt. Ein Schuldbekenntnis, aber auch eine Auflistung von mir realisierten - also für jeden anderen auch möglichen - Maßnahmen, die man zur Kompensation der Klimabelastung ergreifen kann. Die Resonanz war aber eher mäßig.

Dann haben Sie andere dazu ermahnt, doch bitte auch ein schlechtes Gewissen zu haben – und etwas dagegen zu tun.

Wir haben Hunderte Schreiben im Lauf der Zeit verfasst. Zum Beispiel einen achtseitigen Brief an die Bundestagsabgeordneten darüber, wie viel CO2 jeder von ihnen durchschnittlich mutmaßlich emittiert. Das war im Dezember 1991. Wir haben für jeden Abgeordneten ein Exemplar individuell ausgedruckt und das 20 Kilogramm schwere Papier-Paket der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth feierlich in ihren Büroräumen übergeben. Sie ließ die Briefe verteilen. Von zwei oder drei Parlamentariern gab es eine zustimmende Reaktion. Ähnlich war es bei den Kirchen, die ja immer von Schöpfungsbewahrung sprechen. Bis auf ein paar Gemeinden hat sich niemand für das Thema realer Klimaschutz interessiert, auch nicht die Spitzen der evangelischen und katholischen Kirche.

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Sie sind jetzt 78 Jahre alt, seit 2007 Träger des Bundesverdienstkreuzes. Was haben Sie in Sachen Umweltschutz erreicht, mit welchem Gefühl blicken Sie zurück?

Ich habe das, was mir persönlich möglich war, auf das Thema verwendet. Wir haben in etwa 30 Ländern Bäume gepflanzt. Das ist mehr als nichts. Aber ich habe auch gelernt, dass sich das Verhalten der Menschen nicht so schnell ändert wie ökologisch geboten. Daher erreichen wir die Klimaziele nur über Technik und Innovation und das Pflanzen vieler, vieler Bäume In einer libertären Gesellschaft ist der kollektive Verzicht nicht durchsetzbar. Die Mehrheit der Menschen unterwirft sich keinem Kommando. In spätestens 100, vielleicht schon 50 Jahren werden wir mehr wissen. Dann wird es für die Menschheit entweder noch relativ gut ausgegangen sein, weil wir uns vergleichsweise artig benommen haben. Oder es wird erheblich danebengegangen sein, mit schwerwiegenden Folgen. Dann wäre dies eine Schande für den angeblich allen anderen Lebewesen doch so überlegenen Menschen.