Köln – Glück, auch das werden wir brauchen. Während die G20-Chefs in Rom vor hunderten Kameras Geldmünzen in den Trevi-Brunnen werfen, startete am Sonntag der zweiwöchige UN-Klimagipfel in Glasgow. Die Auswirkungen des Klimawandels zeigten sich zuletzt im Sommer bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Wie radikal muss die Klimapolitik aussehen? Und kann eine Klimapolitik bezahlbar bleiben, ohne Verzicht für alle zu fordern? Diese Fragen diskutierte Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen in der Sendung „Hart aber fair“.
Mit dabei: Peter Wohlleben, Buchautor und Förster. Er besitzt einen Wald in der Eifel, nicht weit von der Ortschaft Schuld entfernt, die bei der Flutkatastrophe im Sommer von den Wassermassen zerstört wurde. Auch „Fridays for Future“-Aktivistin Carla Reemtsma nahm in Plasbergs Studio Platz, neben Rheinland-Pfalz‘ Klimaschutzministerin Anne Spiegel (Grüne), Wirtschaftsjournalistin Dorothea Siems („Die Welt“) und Sebastian Lachmann, der im Braunkohletagebau in der Lausitz arbeitet.
Dagmar Hoffmann ist auf ihr Auto angewiesen
„Man denkt, man ist im falschen Film“, sagt Dagmar Hoffmann im Einspieler. Sie steht in den Trümmern des Ortes Schuld und beschreibt die Nacht, in der das Wasser in ihr Erdgeschoss stürzte und verwüstet hinterließ. Sie will in Schuld bleiben, die Schäden an dem Haus beseitigen.
Auf ihr Dach passt jedoch keine Solaranlage, sagt Hoffmann, als sich der kurze Film der Klimakrise zuwendet. Zu ihrer Arbeit nach Köln wird sie auch weiterhin mit dem Auto pendeln - über die öffentlichen Verkehrsmittel kommt sie gar nicht raus aus der Eifel. Wenn die Spritpreise zugunsten des Nahverkehrs teurer werden, sagt Hoffmann, dann haben die Leute auf dem Dorf ein echtes Problem.
Es überrascht kaum, dass Plasberg sich dabei schnell zu Carla Reemtsma wendet: Ja, was sollen die Menschen machen, die weiterhin mit dem klimaschädlichen Verbrenner nach Köln fahren?
„Wir können die Lösung nicht auf ein paar Menschen schieben“
Reemtsma scheint eine solche Frage erwartet zu haben, denn sie antwortet ebenso schnell: Es sei absurd, von einer Einzelperson wie Frau Hoffmann zu erwarten, die Klimakrise einzudämmen. „Wir können die Lösung nicht auf einzelne Menschen schieben“, sagt die Klimaaktivistin. „Wir brauchen politische Weichenstellungen.“ Zum Beispiel: einen früheren Kohleausstieg.
Peter Wohlleben konnte von seinem Wald aus zusehen, wie das Regenwasser seines auf dem Berg gelegenen Waldes hinunter floss ins Ahrtal. Ein solches Unwetter, sagt er, habe er noch nie erlebt.
Für ihn spielt der Wald eine zentrale Rolle in der Bekämpfung des Klimawandels: Ein alter Wald kühlt, er speichert Kohlenstoff und lässt Wasser versickern. Wohlleben plädiert dafür, Wälder stärker zu schützen und mit dem Rohstoff Holz sparsamer umzugehen. „Probieren Sie es mal aus“, sagt Wohlleben. „Setzen Sie sich an einem heißen Sommertag erst unter einen Sonnenschirm und dann unter einen Baum.“ Ein Wald könne die Luft um bis zu 10 Grad herunterkühlen.
Lachmann wünscht sich schnellere Transformation
Eines der Stichwörter, bei denen die Kamera immer wieder auf Sebastian Lachmann schwenkt, ist der Kohleausstieg. Der Industriekaufmann spricht ruhig: „Wenn wir die Kohle abschalten wollen, dann könnten wir das theoretisch auch heute machen“, sagt er. „Dann würde diese Sendung aber nicht stattfinden. Wir sind noch nicht so weit.“
Lachmann will weg vom Emotionalen: Er weicht Plasbergs Fragen nach seinen Kumpeln im Tagebau und dem Haus seiner Oma, das der Braunkohle zum Opfer fiel, aus. Seine Zukunftsperspektive lautet Transformation: Eine neue Infrastruktur muss her, eine Entscheidung, ob man übergangsweise auf Gas oder doch direkt auf Wasserstoff setze. „Wir stehen in der Lausitz in den Startlöchern, wir wollen loslegen“, sagt er.
Anne Spiegel, Klimaschutzministerin von Rheinland-Pfalz, spricht derweil von einer „Aufbruchstimmung“: Die letzte Bundesregierung habe in Sachen Klimaschutz kaum etwas angestoßen. „Die nächste Bundesregierung will eine Klimaregierung sein“, sagt Spiegel. Sie sei überzeugt, dass eine massive Investition in erneuerbare Energien nicht nur dem Klima, sondern auch der Wirtschaft und Gesellschaft helfe.
Carla Reemtsma und Dorothea Siems diskutieren über Kohlestrom aus dem Ausland
Am meisten fielen sich Carla Reemtsma und die Wirtschaftsjournalistin Dorothea Siems ins Wort: Reemtsma hält es für möglich, den Strombedarf in Deutschland komplett über erneuerbare Energien zu decken – ohne Importe von Kohlestrom aus dem Ausland. Dabei stützt sie sich auf eine Studie der Bundesnetzagentur. Siems widerspricht: „Wir sind verlogen, wenn wir sagen: Wir sind raus aus der Kohle und kaufen gleichzeitig Kohlestrom aus dem Ausland ein.“
Letztendlich glich die Gesprächsrunde sehr der Diskussionen in der Politik: Mehr Klimaschutz, da scheinen sich alle einig zu sein. Bei den längst bekannten Fragen des „wie“ jedoch heben einige Gäste ihre Stimme um ein paar Dezibel an.