Der Parteitag der Demokraten wird kurzfristig ganz auf die neue Kandidatin Kamala Harris zugeschnitten. In einer riesigen Arena sollen unter anderem Barack Obama und Hollywood-Stars für beste Stimmung sorgen.
Beyoncé statt Fleetwood MacSo sieht der Parteitag der Demokraten nach Harris' Nominierung aus
Der Präsident hatte überraschend seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur angekündigt. Sein Stellvertreter sollte ihm nachfolgen. Also versammelten sich die Demokraten im August in Chicago zu ihrem Parteitag. Doch mehrere Gegenkandidaturen sorgten in der Halle für chaotische Szenen, während draußen regelrechte Straßenschlachten mit Schlagstöcken und Tränengas tobten. Von den Bildern sollte sich die Partei nicht erholen: Zweieinhalb Monate später gewann der republikanische Kandidat die amerikanische Präsidentschaftswahl.
Zwar liegen diese Ereignisse eine Weile zurück: 1968 war das, in der politisch aufgewühlten Zeit nach dem tödlichen Attentat auf den Bürgerrechtler Martin Luther King und während des Vietnamkrieges. Der abdankende Präsident hieß Lyndon B. Johnson, sein Vize Hubert Humphrey - und der lachende Dritte Richard Nixon. Doch zu naheliegend sind die Parallelen, zu ähnlich die Ausgangslage, als dass führenden Demokraten-Politiker das traumatische Erlebnis nicht als Mahnung präsent wäre.
US-Wahlkampf: Harris als TikTok-Heldin gefeiert
Wenn die 4000 Delegierten und die rund 45.000 Gäste, Unterstützer und Journalisten an diesem Montag zur diesjährigen viertägigen Versammung der Partei im geschichtsträchtigen Chicago eintreffen, soll deshalb alles anders sein. Die im Juli in politischen Zirkeln heiß diskutierte Idee einer „open convention“ mit mehreren konkurrierenden Bewerbern wurde rasch verworfen.
Schon 24 Stunden nach dem Rückzug von Joe Biden vor vier Wochen versammelte sich die Partei geschlossen hinter Kamala Harris. Ihre offizielle Nominierung zur neuen Präsidentschaftskandidatin ist reine Formsache: Der Parteitag wird eine gewaltige, für Millionen Fernsehzuschauer perfekt choreographierte Krönungsmesse werden.
An Enthusiasmus und Begeisterung mangelt es nicht. Seit der Personalrochade an der Spitze wird Harris von einer gewaltigen Welle der Euphorie getragen. Bei öffentlichen Auftritten wird die 59-Jährige von Sprechchören bejubelt, im Netz ist sie zu einer coolen Heldin der TikTok-Generation geworden, und bei Umfragen treibt sie plötzlich die Umfragewerte der Demokraten nach oben. Das Rennen ums Weiße Haus, das nach dem Attentat auf den republikanischen Bewerber Donald Trump und einem triumphalen Parteitag dessen Partei vor fünf Wochen schon gelaufen schien, ist plötzlich wieder komplett offen.
Der unerwartete Wechsel von Biden zu Harris lange nach dem Abschluss der parteiinternen Vorwahlen stellt die Organisatoren der Convention freilich vor einige Herausforderungen. Der Druck neuer Winkelemente mit dem Logo der Harris-Walz-Kampagne dürfte die kleinste sein. Immerhin ist der 81-jährige Joe Biden noch im Amt und hat vier Jahre lang die Politik des Landes bestimmt. Seine beachtlichen Verdienste sollen nicht unter den Tisch fallen.
Der Auftaktabend am Montag wird deshalb ganz seiner Würdigung gewidmet sein. Neben dem Präsidenten soll auch First Lady Jill Biden in der riesigen United-Arena reden. Zugleich aber muss der Fokus der Veranstaltung nach vorne gerichtet sein. Das zeigt sich selbst in Kleinigkeiten: Wie die Nachrichtenseite „Politico“ berichtet, sollen nun statt der Musik aus der Fleetwood Mac-Ära mehr Beyoncé und andere zeitgenössische Künstler gespielt werden.
Wenig Inhalte erwartet: Regierungsprogramm scheint noch nicht ausgereift
Als Vizepräsidentin ist Kamala Harris eher unauffällig geblieben. Ihr Vize-Kandidat, der hemdsärmelige Gouverneur Tim Walz aus Minnesota, ist für die breite amerikanische Öffentlichkeit ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Mit eingespielten Videos und Auftritten von persönlichen Freunden und Familienangehörigen sollen die Kandidaten deshalb dem Publikum als Menschen nähergebracht werden.
Inhaltliche Aussagen erwarten Beobachter eher weniger. Kurz vor dem Parteitag hat Harris einige wirtschaftspolitische Vorhaben vom Verbot des Preiswuchers bei Lebensmitteln über die Anhebung des Kinderfreibetrags bis zu einer Prämie für Hauskäufer vorgestellt. So richtig ausgereift scheint das Regierungsprogramm in der Kürze der Zeit noch nicht zu sein. Ohnehin sind Parteitage in den USA - anders als in Deutschland - kein Ort zum Streit über Spiegelstriche, sondern eine gewaltige Mobilisierungsparty. Eine freudige, optimistische Aufbruchstimmung soll nach dem Willen der Planer in der Halle herrschen.
Dazu dürfte in Chicago mächtig Prominenz auflaufen: Die beiden Ex-Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton werden am Dienstag und Mittwoch ans Rednerpult treten. Über Auftritte diverser Hollywood-Stars wird heiß spekuliert.
Doch nicht alle Bilder können von den Organisatoren gesteuert werden. Draußen vor der abgeriegelten Veranstaltungsarena haben 150 Organisationen Proteste angemeldet - vor allem gegen die amerikanische Unterstützung für Israel im Gaza-Krieg. Bis zu 40.000 Teilnehmer werden erwartet. Für viele pro-palästinensischen Aktivisten ist vor allem Joe Biden, den sie als „Genocide Joe“ beschimpfen, ein rotes Tuch. Doch ob die Demonstrationen und denkbare Störungen des Parteitags nach dem Wechsel zu Kamala Harris und ihrem israelkritischen „running mate“ Tim Walz weniger heftig ausfallen, kann niemand voraussagen.