Da sitzen sie, die russischen Herren, staatsmännisch, wie es sich gehört. Rechts Präsidentenberater Wladimir Medinskij, neben ihm der Staatsduma-Abgeordnete Leonid Slutski. Anzug und Krawatte sitzen fusselfrei, die Blicke sind ernst. Fast könnte man meinen, man erhalte hier Einblick in eine seriöse politische Veranstaltung. Wäre da nicht noch die andere Seite des Tisches. Die Seite, an der eine Reihe Männer so wirkt, als wüsste sie nicht so ganz, wo – und vor allem wie – sie hier eigentlich gelandet ist.
Rechts am Tisch sitzen unter anderem Dawyd Arakhamia, Mitglied der ukrainischen Partei des Präsidenten, daneben Verteidigungsminister Oleksij Reznikow und der Berater des Chefs des ukrainischen Präsidialamtes Mykhailo Podoliyak. Weiße Hemden, Krawatte? Fehlanzeige. Im Krieg trägt man keine Anzüge. Dafür aber Augenringe.
Im Krieg trägt man den Pulli von gestern
Arakhamia, Reznikow, Podoiyak: Sie kommen nicht frisch aus ihren Penthouse-Wohnungen oder Villen. Sie haben die vergangenen Tage in der Ukraine verbracht. Im Krieg. Sie haben in den Straßen Kiews Videos aufgenommen, um dem Volk Mut zu machen, während um sie herum Bomben fielen. Sie fürchten seit Tagen um ihr Leben.
Erst am Sonntag hatte Reznikow ein Foto auf Twitter gepostet. Es zeigt ihn gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dazu die Botschaft: „85 Stunden Verteidigung. (...) Es ist unmöglich, Kiew dazu zu bringen die Waffen niederzulegen.“ Auf dem Foto trägt der Verteidigungsminister denselben grünen Pullover, den er auch bei den Friedensverhandlungen trägt.
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Wie muss es sich anfühlen, nach vier Tagen Krieg plötzlich an einem Tisch zu sitzen mit Männern in Anzügen, die einem Mann folgen, der einem den Tod wünscht? In einem vermeintlich neutralem Gebiet, aus dem noch während der Verhandlungen Raketen in Richtung der eigenen Heimat geschickt werden? Wie muss es sich anfühlen, nach Tagen ohne viel Schlaf Gespräche zu führen, von denen die meisten Experten glauben, dass sie ohnehin eine Farce sind? Wie muss es sich anfühlen, nicht zu wissen, ob man nach der Wasserflasche auf dem Tisch greifen kann, ohne um sein Leben fürchten zu müssen. Und sollte man eigentlich lächeln, wenn man für ein Foto der staatstreuen Medien des Feindes posiert?
Oder wie ein Nutzer auf Twitter es ausdrückt: „Ich verstehe nicht, warum die nicht einfach per Skype verhandeln können.“