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Empörung nach Bürgergeld-Behauptung„Sie wissen, wer bei so einem Post die Krimsekt-Korken knallen lässt?“

Lesezeit 4 Minuten
Geflüchtete aus der Ukraine stehen vor der Anlaufstelle für Geflüchtete der Stadt Köln am Hauptbahnhof. Die CDU will Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine das Bürgergeld streichen. (Archivbild)

Geflüchtete aus der Ukraine stehen vor der Anlaufstelle für Geflüchtete der Stadt Köln am Hauptbahnhof. Die CDU will Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine das Bürgergeld streichen. (Archivbild)

Die CDU forciert eine Debatte über Bürgergeld-Zahlungen für geflüchtete Ukrainer. Eine Wortmeldung löst eine Welle der Empörung aus.

Die Forderung von CDU-Politikern, die Zahlung von Bürgergeld an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu beenden, sorgt für scharfe Kritik der politischen Konkurrenz. Der Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (CDU) erntete im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) am Dienstag unzählige erboste Reaktionen, zuvor hatte der CDU-Politiker behauptet: „Insbesondere wegen des Bürgergelds sind so viele Ukrainer bei uns“ und von einer „Ampel-Fehlentscheidung“ gesprochen, ohne die es „weniger Konkurrenz um Arzttermine, Betreuungsplätze und Wohnungen“ geben würde.

Bilger hatte mit seiner Wortmeldung auf Kritik des Ökonomen Marcel Fratzscher reagiert, der Forderungen nach Beschränkungen des Bürgergeldes für Geflüchtete als „blanken Populismus“ bezeichnet hatte. „Niemand wird es besser gehen, niemand wird auch nur einen Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt“, hatte Fratscher die aufkeimende Debatte, die von CDU-Politikern derzeit forciert wird, kritisiert.

Bürgergeld-Behauptung über Ukrainer sorgt für breite Empörung

Bilgers Wortmeldung erinnert inhaltlich an eine Aussage von CDU-Parteichef Friedrich Merz, der im Vorjahr behauptet hatte, abgelehnte Asylbewerber ließen sich in Deutschland die Zähne machen und nähmen so Deutschen beim Zahnarzt die Termine weg. Für die Äußerungen musste Merz sich harsche Kritik gefallen lassen. So erging es nun auch seinem Parteikollegen.

Grünen-Parteichefin Ricarda Lang reagierte auf Bilgers Beitrag. „Oder vielleicht weil Putin einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt?“, schrieb Lang – und verwies damit auf die tatsächlichen Fluchtgründe von Ukrainern in Deutschland. Noch deutlicher wurde die Grünen-Abgeordnete Christina-Johanne Schröder. „Ich hoffe, Sie werden nicht von Putin finanziert, sondern plappern einfach so die russische Propaganda nach“, schrieb sie an Bilger gerichtet.

Harte Kritik an CDU-Politiker: „Ich hoffe, Sie werden nicht von Putin finanziert“

Auch aus der FDP gab es harte Worte für den CDU-Politiker. „Sind Sie eigentlich noch bei Sinnen? Sie wissen, wer bei so einem Post die Krimsektkorken knallen lässt?“, fragte der Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier in Richtung von Bilger. Die Antwort gab Stockmeier prompt selbst: „Putin und seine Entourage“.

Auch FDP-Politiker Nils Gründer wandte sich an den CDU-Politiker. „Geschätzter Kollege Steffen Bilger – Die Ukrainer sind bei uns, weil in ihrem Land ein fürchterlicher Krieg herrscht“, so Gründer. Dennoch könnte man sich über Anpassungen beim Bürgergeld natürlich unterhalten.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Behauptung ist „dreist und infam“

Ähnlich äußerte sich auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Zu behaupten, die Ukrainer würden nicht wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und der mordenden, brandschatzenden und vergewaltigenden russischen Streitkräfte fliehen, sondern wegen des Bürgergeldes, ist dreist und infam“, erklärte die nunmehrige Europaabgeordnete.

Bilger reagierte schließlich auf die Welle der Empörung, die sein Beitrag ausgelöst hatte. „Natürlich fliehen die Ukrainer vor dem Krieg und nicht wegen Bürgergeld“, erklärte der CDU-Politiker. Es sei ihm um die „Verteilung innerhalb der EU“ von Geflüchteten gegangen, da sei das Bürgergeld ein wesentlicher Faktor, so Bilger.

CDU-Politiker reagiert auf Kritik – und bekommt sofort neue: „Union verrennt sich mal wieder“

Auch für die vermeintliche Klarstellung bekam Bilger allerdings erneut scharfe Kritik. „Es wird nicht besser. Die Union verrennt sich mal wieder ohne Faktengrundlage, um das Bürgergeld zu diffamieren“, schrieb der Grünen-Politiker Erik Marquardt. „Acht EU-Länder haben im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl deutlich mehr ukrainische Geflüchtete aufgenommen, obwohl es dort weniger Sozialleistungen gibt“, führte Marquardt aus und verwies dabei auf eine Erhebung aus dem März.

Innerhalb seiner Partei steht Bilger derweil jedoch nicht alleine da. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl forderte am Dienstag einen Kurswechsel der Bundesregierung. Zuletzt hatten auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen, und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) das Bürgergeld-Angebot für Ukrainer kritisiert. Aus Sicht von Strobl könnte das Bürgergeld bei Menschen aus der Ukraine der Grund sein, Deutschland als Ziel für ihre Flucht zu wählen.

„Möglicherweise haben wir auch deswegen besonders viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland im Unterschied zu unserem Nachbarland Frankreich beispielsweise, weil es hier diese hohen sozialen Leistungen gibt, die es nirgendwo sonst in Europa gibt“, sagte Strobl und sprang Bilger damit inhaltlich zur Seite. Vor allem mit Blick auf die wehrpflichtigen Männer sei das Bürgergeld eine schlechte Wahl: „Wenn wir es ernst nehmen, dass wir den Verteidigungskampf der Ukrainer stärken, dann müssen wir überall unsere Beiträge dazu leisten.“

Die Bundesregierung weist Forderungen nach geringeren staatlichen Leistungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge allerdings weiterhin zurück. Es gebe keine entsprechenden Pläne. Die rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die sich in Deutschland aufhalten, wurden gemäß der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie aufgenommen und mussten daher keinen Asylantrag stellen. (mit dpa)