Friseur wichtiger als Bundeswehr?Ministerium äußert sich zu Vorwürfen gegen Lambrecht
Berlin – Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) muss sich nach der Aufregung um einen Hubschrauberflug ihres Sohns weitere Vorwürfe gefallen lassen. Unter anderem gebe es Verwunderung über die Arbeitsmoral der SPD-Politikerin, wichtige internationale Bündnispartner soll sie verärgert haben. Das geht aus einer Recherche des „Spiegel“ hervor.
Das Magazin beruft sich aus Quellen aus dem Verteidigungsministerium, die die Vorwürfe gegen die 56-Jährige bestätigen. So soll Lambrecht von den Mitarbeitern im Bendlerblock ein ähnliches Einführungsprogramm wie ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgeschlagen bekommen haben.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte das noch nicht unabhängig verifizieren. Auf einen Fragenkatalog dieser Zeitung reagierte das Verteidigungsministerium am Dienstag und dementierte die Vorwürfe gegen die SPD-Politikerin.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht soll „Deep Dive“-Programm abgesagt haben
Zwei Wochen lang sollte Lambrecht in sogenannten Deep Dives über die Probleme und wichtigen Projekte der Bundeswehr informiert werden. Im Gegensatz zu Kramp-Karrenbauer, die zum Zeitpunkt der Amtseinführung noch CDU-Vorsitzende war, hatte Lambrecht angesichts der nicht vorhandenen Doppelbelastung ein wenig mehr Zeit, sich zu orientieren.
Die Ministerin, so berichten es laut „Spiegel“ interne Quellen, habe allerdings keine Lust auf das Einführungsprogramm gehabt, sodass dieses abgesagt wurde. Das Ministerium widerspricht diesem Bericht und sagt, Lambrecht sei zu Beginn ihrer Amtszeit „strukturiert über wesentliche Inhalte und Aufgabenbereiche [...] unterrichtet“ worden, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein entsprechender Plan werde jeweils den aktuellen Begebenheiten angepasst,
Eie Weihnachtsreise zu einem der Auslandseinsätze der Bundeswehr – für bisherige Verteidigungsministerinnen und -minister eigentlich ein Pflichttermin, habe Lambrecht laut „Spiegel“ vorgezogen. Lambrecht besuchte vor Weihnachten die deutschen Truppen in Litauen, verabschiedete sich dann in den Weihnachtsurlaub nach Bad Ischgl.
Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte die Reise am 19. Dezember. Lambrecht liegt damit im Zeitrahmen ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Vorjahr zum gleichen Zeitpunkt auf Zypern war.
Christine Lambrecht: Telefonate wegen Friseurtermine verschoben?
Laut „Spiegel“ habe Lambrecht außerdem erst einen der sechs Inspekteure des Militärischen Führungsrats der Bundeswehr für Einzelgespräche getroffen, die anderen fünf warten demnach noch auf einen Termin. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dementiert das nicht direkt. In einer Antwort heißt es: „Mit der Leitung der militärischen und zivilen Organisationsbereiche steht die Verteidigungsministerin in regelmäßigem Kontakt und persönlichem Austausch.“
Am 14. Dezember, also in der Woche nach Lambrechts Amtseinführung habe es erstmals ein gemeinsames Treffen zwischen der SPD-Politikerin und den sechs Inspekteuren der Teilstreitkräfte und militärischer Organisationsbereiche gegeben. Einzelgespräche bestätigte das Ministerium allerdings nicht.
Auf persönliche Termine müssen offenbar nicht nur Teile der Bundeswehr warten: Mehrere Quellen erzählen dem „Spiegel“, Lambrecht habe ein Kennenlerntelefonat mit ihrem britischen Amtskollegen wegen eines Friseurtermins verschoben. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg musste sich bis zum Januar gedulden, bis Lambrecht sich bei ihm meldete.
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Das Verteidigungsministerium antwortet nur dünn auf eine Nachfrage, ob Lambrecht die Telefonate tatsächlich verschoben habe: „Verteidigungsministerin Lambrecht steht seit Beginn ihrer Amtszeit in engem Austausch mit ihren internationalen Amtskollegen.“
Ebenfalls in der Kritik steht die Arbeitsmoral der Bundesverteidigungsministerin: So soll sie meistens erst gegen 9 Uhr im Ministerium erscheinen, nachmittags sei sie meistens schon wieder aus dem Haus. Auch die von ihren Vorgängerinnen und Vorgängern bekannten Truppenbesuche meide Lambrecht.
Auch einen Besuch bei der Münchner Sicherheitskonferenz wollte Lambrecht zunächst absagen. Das Verteidigungsministerium dementiert das.
Bundeswehr schüttelt den Kopf über eigenwillige Christine Lambrecht
Hinzu käme, dass Lambrecht häufig Zahlen durcheinanderwerfe und die Hinweise ihres Ministeriums in ihren Reden ignoriere. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ nannte sie als Ziel für ihre Amtszeit, dass die erste Frau zur Generalin ernannt wird. Allerdings ist das aufgrund der Laufbahnregeln der Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich.
Zudem habe Lambrecht zahlreiche Posten in ihrem Ministerium mit Sozialdemokraten und alten Bekannten besetzt. Aber selbst in der eigenen Partei regen sich erste Gegenstimmen. Lambrecht habe inhaltlich in ihren ersten sechs Monaten wenig geleistet, nur der linke Parteiflügel hält weiter komplett zu ihr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) legte ihr nach ihrer Befragung im Bundestag symbolisch die Hand auf die Schulter.
Wird Christine Lambrecht von Lars Klingbeil abgelöst?
Und dennoch ranken sich schon Gerüchte um eine mögliche Nachfolge der Verteidigungsministerin, die bis zur Bekanntgabe davon ausging, dass sie eigentlich neue Innenministerin werden sollte. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wäre aufgrund seiner Nähe zur Bundeswehr eine ideale Wahl, würde allerdings die Parität das Kabinetts durcheinanderbringen. Eine Alternative wäre die Wehrbeauftragte Eva Högl.
Noch ist Christine Lambrecht im Amt, bei der SPD wird sich bis zum Wahlsonntag in Nordrhein-Westfalen auch nichts ändern. Sollte die SPD dort verlieren, dürfte es auch für Lambrecht ungemütlich werden. (shh)