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Trumps tödliche FehlerWie der US-Präsident versucht, die Geschichte umzuschreiben

Lesezeit 7 Minuten
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Donald Trump und Vizepräsident Mike Pence im Hintergrund

  1. Die USA sind von der Wucht der Corona-Krise überrannt worden.
  2. Viele Faktoren erschwere die Eindämmung des Virus in den USA.
  3. US-Präsident Trump versucht im Wahljahr mit aller Macht, die Geschichte umzuschreiben – und stößt in seinem Land auf fruchtbaren Boden.

Washington

„Es ist so schlimm, wie jeder sagt. Unsere Notaufnahme ist voll belegt mit Covid-19-Patienten. Wir raten den Leuten, nicht mehr ins Krankenhaus zu kommen, denn wenn sie kein Covid-19 haben, können sie sich hier anstecken“ sagt Demetrio Muñoz, 46, er ist Assistenzarzt in der Notaufnahme des NYP/Weill Cornell Medical Centers in Manhattan.

US-Präsident Donald Trump twitterte in der vergangenen Woche: „Licht am Ende des Tunnels.“ Doch in New York herrschte weiter Düsternis. Zu der Zeit gab es in den USA mehr als 430 000 Infektionsfälle gezählt wurden, darunter mehr als 14 800 Todesfälle.

Die nächste Schuldzuweisung Trumps

Trump ist besonders schnell darin, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Das hatte er schon zu Beginn des Ausbruchs der Pandemie bewiesen, als er China und Europäern die Schuld gab und behauptete, die Demokraten hätten das Virus erfunden, um ihn zu schaden.

Nun folgte die nächste Schuldzuweisung: Trump hat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Umgang mit dem Coronavirus Versagen und übermäßige China-Hörigkeit vorgeworfen. Die Organisation habe es „wirklich vermasselt“, schrieb Trump auf Twitter.

Weltgesundheitsorganisation in der Kritik

Obwohl die USA einen großen Teil des WHO-Budgets zahlten, sei die Organisation zu sehr auf China ausgerichtet. „Wir werden uns das gut ansehen“, schrieb er weiter. Die Empfehlung der WHO, die Grenzen nicht für Reisende aus China zu schließen, sei „falsch“ gewesen. „Wieso gaben sie uns so eine falsche Empfehlung?“, fragte Trump. Auch der Trump hörige Fernsehsender Fox News feuerte in diese Richtung. Die WHO sei viel zu sehr von China abhängig.

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Allerdings sind dies nicht die einzigen kritischen Stimmen. Seit Beginn der Coronavirus-Krise Anfang Jahr steht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Zentrum der Aufmerksamkeit – und unter Beobachtung. So wurde sie dafür kritisiert, dass sie erst Mitte März eine Pandemie ausrief, als das Virus bereits in mehr als 100 Ländern aufgetreten war. Für Stirnrunzeln sorgte auch das wiederholte Lob für das Vorgehen der chinesischen Behörden, zu einer Zeit, als sich die überwiegende Zahl der Erkrankten noch in China befand.

Keine Kritik er WHO an China

Obwohl bekannt ist, dass die chinesischen Behörden den Ausbruch des neuen Coronavirus im Dezember mehrere Wochen zu vertuschen versuchten, kam bis heute aus der WHO-Zentrale in Genf keinerlei Kritik. Seither steht die Organisation in dem Verdacht, vor Peking zu kuschen.

Für viele war es auch überraschend, wie sehr die WHO China lobte. Dabei hält man sich sonst gegenüber Mitgliedsstaaten zurück. Allerdings sehen die Kritiker auch eine Entschuldigung für die WHO: Sie sei auf die Kooperation Chinas angewiesen gewesen, um an wichtige Informationen wie die Genomsequenz des Virus zu gelangen. Zudem lässt sich einwenden, dass die WHO sich ebenso damit zurückhält, andere Länder an den Pranger zu stellen; etwa als diese – entgegen den Empfehlungen aus Genf – Reisebeschränkungen erließen.

Eine große Nähe zu China beruht auch nicht auf den Geldzuwendungen des Reiches der Mitte. Die Vereinigten Staaten standen bei den Mitgliedsbeiträgen mit über 30 Prozent mit Abstand an der Spitze, vor Großbritannien, Deutschland und Japan.

Die Krise hat Amerika in vollem Umfang erfasst

Wie auch immer. In den USA ist die Schlacht um die Schuldfrage voll entbrannt. Das Coronavirus werde wie durch ein Wunder wieder verschwinden, behauptete der amerikanische Präsident erst vor wenigen Wochen. Vielleicht schon im April, wenn es wärmer werde. Überhaupt sei die „Corona-Grippe“ vergleichbar mit der saisonalen Grippe, erklärte Donald Trump da.

Die von der WHO geschätzte Todesrate sei falsch, er habe da so eine „Ahnung“. Inzwischen hat die Krise Amerika in vollem Umfang erfasst. Kein Land der Welt hat höhere Infektions- und Todesraten als die Vereinigten Staaten. Aus Sorge um die Wirtschaftslage und seine Wiederwahl im Herbst spielte Trump das Problem zu lange herunter. Das Land habe deshalb viel schlechter reagiert als alle anderen größeren Länder, sagt etwa der Direktor des Global Health Institute der Universität Harvard.

Viele Faktoren erschweren die Eindämmung in den USA

Es gibt einige objektive Gründe, welche der letzten verbliebenen Supermacht die Eindämmung des Virus erschweren. Über 100 Millionen Amerikaner haben keine Krankenversicherung oder nur eine mit Selbstbehalten in der Höhe von Tausenden von Dollar. Sie werden nur einen Arzt aufsuchen, wenn es unausweichlich ist.

Zudem hat knapp ein Viertel der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie können es sich nicht leisten, bei schwachen Symptomen zu Hause zu bleiben. All das fördert die epidemische Ausbreitung des Coronavirus. Es ist deshalb kein Wunder, dass verbreitet Panik herrscht und die Aktienmärkte zunächst ins Bodenlose stürzten.

Trump lobte, wo es nichts zu loben gab

Nun zeigt sich wie unter einem Vergrößerungsglas, wieviel Qualität die Politik von Trump hat. Jeder kleine Fehler wird in Krisen einer solchen Dimension bestraft. Und Fehler hat Trump gemacht, viele große, wie Experten meinen. Er sei aufgetreten, als lebe er in einem Paralleluniversum, sagten Politik-Beobachter. Er lobte, wo es nichts zu loben gab. „Ich glaube, wir machen einen tollen Job“, sagte er unlängst. Wenn er sich und sein Team benoten müsste, würde er „zehn von zehn Punkten“ verteilen.

Er pries der Präsident die Leistungen seiner Administration, während die Gesundheitsbehörde CDC fehlerhafte Tests verbreitete. Als das aufflog, behauptete er, dass sei die Regierung von Barack Obama schuld. „Die Original-Tests, die, die wir geerbt haben … waren kaputt, sie waren veraltet, das waren keine guten Tests“, sagte Trump.

Trumps Rhetorik fällt auf fruchtbaren Boden

Er redete über das Virus wie er über illegal Eingewanderte spricht und sprach von einem „ausländischen Virus“ und behauptete, die Krankenversicherungen übernähmen alle Kosten im Zusammenhang mit der Behandlung von Covid-19. Was völliger Unsinn ist. Virologen sagen, es kann jetzt nur ein Ziel geben: Die Ausbreitung zu verlangsamen. Damit das Krankenhaussystem nicht kollabiert unter der Last vieler neuer Fälle. Damit nicht Menschen sterben müssen, weil es kein Bett für sie gibt.

Wer aber glaubt, dass nun alle Amerikaner gegen Trump wären, sieht sich getäuscht. Doch im politisch tief polarisierten Land fällt Trumps Rhetorik auf fruchtbaren Boden. Bestärkt von den konservativen Medien, glauben zwei Drittel der Republikaner, die Gefahr des Virus werde übertrieben.

Die Realität wird Amerika einholen und den Wahlkampf überschatten

Er präsentiert sich der Nation als „Kriegspräsident“, der gegen einen „unsichtbaren Feind“ zu Felde zieht und dabei praktisch alles richtig macht. Fehler, Versäumnisse werden dementiert und Kritiker attackiert. Die Realität wird Amerika einholen und den Wahlkampf überschatten. Das Coronavirus ist Trumps härtester Gegner, und es lässt sich weder leugnen noch mit Spitznamen auf Twitter bekämpfen.

Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht auch hierauf eine Antwort hätte. Er beginnt einfach, die Geschichte umzuschreiben. Obwohl er die Gefahr zu Beginn völlig falsch eingeschätzt hatte, behauptet er nun, er habe die Pandemie lange kommen sehen. Trump betreibe offenkundig „Revisionismus“, schreibt etwa die „New York Times“. Nun sagt er in seinen Pressebriefings: „Ich habe geahnt, dass das eine Pandemie werden würde, lange bevor es so genannt wurde. Ich habe das immer sehr ernst genommen.“ Und zu neuen Medikamenten meinte er: „Es zeigt einige sehr gute Ergebnisse. Ich hoffe das, es wäre eine phänomenale Sache“, erklärte Trump. Das war Anfang April.

Jared Kushner soll entscheidende Rolle spielen

Seine Politik ist ein einziges Desaster. Afroamerikaner und Latinos sind am stärksten betroffen, es sind die Ärmsten, die ohnehin immer am massivsten getroffen werden. Wie ein wärmesuchendes Geschoss zielt dieses Virus auf die Verwundbarsten der Gesellschaft. Das Problem, Afroamerikaner leiden in höherem Maße als Weiße an chronischen und anderen Krankheiten. Die rassistische US-Geschichte macht Afroamerikaner bis heute misstrauisch gegenüber offizieller Medizin, weshalb sie die jetzigen Ratschläge der Ärzte und Immunologen oft ignorieren.

Übrigens gibt es Neuigkeiten: Jared Kushner, Ehemann von Trumps Tochter Ivanka, soll eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Coronavirus in den USA spielen. Auch das ist vermutlich keine gute Idee. „Jared Kushner sorgt dafür, dass wir alle getötet werden“, schrieb die „New York Times“-Kolumnistin Michelle Goldberg. Trump hat sich jedoch entschieden. Sein Schwiegersohn soll eine zentrale Rolle einnehmen.

Entmachtung von Mike Pence

Es ist zugleich eine Entmachtung von Vizepräsident Mike Pence als Beauftragter für den Kampf gegen das Virus. Allerdings war es Kushner, der Trump anfangs in der Auffassung bestärkte, dass die Medien die Auswirkungen des Virus übertrieben. Und als die ersten Hilferufe der Gouverneure aus den US-Bundesstaaten ertönten, ließ ihn das zunächst kalt. Und als Experten erklärten, New York werde auf dem Höhepunkt der Krise 30 000 Beatmungsgeräte brauchen, soll Kushner das intern als alarmistisch bezeichnet haben.

Nun ist besonders die Stadt, die niemals schläft, zum weltweiten Hotspot der Coronavirus-Krise geworden. Viel Arbeit für Jared Kushner. (mit dpa, afp)