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Nach der WahlDas Bündnis Sahra Wagenknecht bangt um seine Existenz

Lesezeit 4 Minuten
Sitzt künftig nicht mehr im Bundestag: Sahra Wagenknecht. Thomas Trutschel

Sitzt künftig nicht mehr im Bundestag: Sahra Wagenknecht. 

Nach dem Scheitern des BSW bei der Bundestagswahl geht es nun um die Frage, ob die Partei eine Zukunft hat.

Sahra Wagenknecht war nach der Wahlniederlage alles andere als amüsiert. Am Sonntagabend verzichtete die Vorsitzende des gleichnamigen Bündnisses auf einen Fernsehauftritt und schickte Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali vor. Am Montagmorgen reagierte die 55-Jährige auf die Schlappe noch immer hörbar missmutig und machte für das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde Medien und Umfrageinstitute verantwortlich. Tatsache ist freilich, dass sie bei Talkshow-Auftritten im vorigen Jahr auf Platz sechs der eingeladenen Gäste lag. Demoskopen wiederum vermeldeten seinerzeit über Wochen, wie das BSW von Umfrage-Hoch zu Umfrage-Hoch eilte.

Mit der Schuldzuweisung war es nicht genug. Wagenknechts Gefolgsmann, der Europaabgeordnete Fabio De Masi, ließ bei X verlauten: „Ich fürchte, diese Wahl wird noch Karlsruhe beschäftigen.“ Damit stellte er eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Aussicht. Dem BSW, das bei 4,972 Prozent der abgegebenen Stimmen landete, fehlten Wagenknecht zufolge nur 13.400 Stimmen. Die, so die These, hätten unter anderem zusammenkommen können, wenn von den 230.000 registrierten Wahlberechtigten im Ausland mehr hätten abstimmen können – und Wähler das BSW nicht mit der Partei Bündnis Deutschland (BD) verwechselt hätten. Experten bezweifeln indes die Erfolgsaussichten einer Klage.

„Egomanisch veranlagt“

Zwar wollte die Parteigründerin, die ihre persönliche Zukunft vor dem Urnengang an einen Wahlerfolg geknüpft hatte, von einem Rückzug am Montag nichts mehr wissen. Sie ließ die Frage, wie es mit ihr weiter geht, offen. Klar ist jedoch, dass das BSW vor gravierenden Problemen steht.

Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Ich sehe die Partei eher auf einem absteigenden Ast. Viel hängt jetzt jedenfalls davon ab, wie sich die Linke bewährt. Wenn sie sich bewährt, wird es schwierig.“ Er fügte hinzu: „Das BSW müsste davon runterkommen, so stark auf eine Person konzentriert zu sein. Wagenknecht müsste also Publizität abgeben. Das ist ihr aber schon mit der thüringischen BSW-Vorsitzenden Katja Wolf schwergefallen. Überhaupt gibt es keine Politikerin, die egomanischer veranlagt ist als Wagenknecht. Wenn es mal nicht so läuft, wie sie sich das vorstellt, dann ist sie nicht sehr ausdauernd. Das hat Wagenknecht mit ihrem Mann Oskar Lafontaine gemeinsam.“

Wenig Mitglieder, wenig Geld

Auch sonst sind die Herausforderungen nach einer kurzen Erfolgsphase plötzlich enorm – und lassen sich nicht so ohne weiteres bewältigen. Dazu zählt die Struktur. Das BSW hatte bis zuletzt nur rund 1.000 Mitglieder, weil Frauen und Männer anders als in andere Parteien nicht einfach so eintreten können, sondern allein nach intensiver Prüfung durch den Bundesvorstand, der die volle Kontrolle behalten will. Das schwächt den Parteiaufbau und die Kampagnenfähigkeit.

Welche Potenziale in einer lebendigen Partei freigesetzt werden können, zeigte ausgerechnet die Linke, der Wagenknecht jahrelang selbst angehörte. Die Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek wurde binnen weniger Monate zum Shooting-Star. Parteichef Jan van Aken machte durch freches Auftreten ebenfalls von sich reden. Die „Silberlocken“ Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und Bodo Ramelow gingen auf Tour. All das wäre im BSW unter den jetzigen Bedingungen undenkbar. Hier soll nur eine glänzen.

Sahra Wagenknecht mit Blick nach unten in der Bundespressekonferenz.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird nur noch von den Landesverbänden im Osten getragen.

Daneben hat die Partei finanzielle Probleme. Laut Recherchen von t-online hat das BSW durch die erfolgreichen Landtags- und Europawahlen und Parteigroßspenden zwar gut acht Millionen Euro eingenommen. Das Geld wurde demnach aber für die vorherigen Wahlkämpfe eingesetzt. Für die Bundestagswahl standen lediglich 6,5 Millionen Euro zur Verfügung. Nun geht die Bundestagsverwaltung Hinweisen nach, wonach das BSW regelwidrig Fraktionsgelder für Wahlwerbung eingesetzt haben könnte.

Schließlich hat durch die Regierungsbeteiligungen in Brandenburg und Thüringen das Image des BSW als Protestpartei gelitten. Doch weil die Partei jetzt in den Landesparlamenten von Brandenburg, Sachsen und Thüringen präsent ist, im Bundestag hingegen nicht mehr, kehren sich die Machtverhältnisse um. Lange schien es, als liefen die Landesverbände am Gängelband der Bundespartei. Neuerdings halten die Landesverbände die Bundespartei öffentlich über Wasser.

Perspektive: Ostpartei

In die Hamburger Bürgerschaft dürfte das BSW am Sonntag nicht gewählt werden. Dort läuft die Partei in den Umfragen mit drei Prozent unter „Sonstige“. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah es zuletzt viel besser aus. Wenn das BSW also auf absehbare Zeit eine Perspektive hat, dann wohl als Ostpartei.

Thüringens BSW-Chefin Wolf, mit der sich Wagenknecht im Herbst gestritten hatte, sagte dem RND denn auch: „Für uns in Thüringen ist klar, dass es das BSW weiter braucht. Denn wir haben eine besondere Verantwortung.“ Und sie fuhr fort: „Wir werden die Bundespartei mit unserem speziellen Thüringer Blick inhaltlich und organisatorisch bei der Weiterentwicklung und beim Wachsen unterstützen.“ Der machtbewussten Sahra Wagenknecht dürfte es bei derlei Großzügigkeit in den Ohren klingeln.