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Kommentar

Kommentar zu Schwangerschaftsabbrüchen
Wer abtreibt, darf sich damit auch gut fühlen

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Aktivistinnen halten während eines Flashmobs des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung unter dem Motto „Legal, einfach, fair - Für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland!“ ein Band mit einem durchgestrichenen Kleiderbügel und dem Schriftzug „weg mit dem ß218 StGB“.

Aktivistinnen halten während eines Flashmobs des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung unter dem Motto „Legal, einfach, fair - Für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland!“ ein Band mit einem durchgestrichenen Kleiderbügel und dem Schriftzug „weg mit dem ß218 StGB“.

Wer Selbstbestimmung will, muss aushalten, dass nicht allen Schwangeren die Entscheidung zum Abbruch schwerfällt. Ein Kommentar

Schwangerschaftsabbrüche sind in der Bundesrepublik illegal - und dennoch ein Eingriff, zu dem sich mehr als 100.000 Frauen im Jahr entscheiden. Das können sie ohne Angst vor Strafverfolgung tun, nach geltendem Recht zumindest in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft. Die Expertenkommission, die im Auftrag der Bundesregierung Empfehlungen für eine Reform des Strafrechts erarbeitet hat, hat nun dafür plädiert, auch das formale Verbot aufzuheben. Das ist nur konsequent und deshalb mehr als überfällig.

Um ungewollt Schwangeren aber wirklich zu helfen, muss sich in Deutschland mehr ändern als ein Gesetzesparagraph. Denn bislang muss neben der Dreimonatsfrist noch ein weiterer Faktor erfüllt sein, damit ein Abbruch gesellschaftlich akzeptiert wird: Die Frau muss sich schlecht fühlen, weil sie abtreibt. Natürlich steht das nicht in den Paragraphen des Strafgesetzbuches, die das Abtreibungsrecht in Deutschland regeln. Doch es schwingt in den allermeisten Debatten um Schwangerschaftsabbrüche mit. „Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht“, heißt es dann oft. Oder, dass der Entschluss für einen Abbruch der Schwerste im Leben sei, der Gang zur Abtreibungspraxis eine Tortur. Die Aussage ist immer die Gleiche: Abtreibung bedeute automatisch einen moralischen Konflikt für die schwangere Person.

Gesellschaftliches Stigma belastet die Frauen weiterhin

Nicht selten wird diese Annahme auch in vermeintlich progressiven Diskursen genutzt, um für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu argumentieren. Nach dem Motto: Wer sich mit der Entscheidung zu einem Abbruch quält, ist auch reif genug, diese Entscheidung selbst zu treffen. Wer so argumentiert, schadet den Betroffenen jedoch, anstatt ihnen zu helfen. Denn auch er spricht den Frauen das Recht ab, frei über ihren Körper zu bestimmen. Nur deutlich subtiler, als es die selbsternannten Lebensschützer tun.

Natürlich gibt es Frauen, denen es nach einem Schwangerschaftsabbruch nicht gut geht. Vielleicht ist ihnen die Entscheidung schwer gefallen, vielleicht hätten sie unter anderen Umständen gerne ein Kind bekommen, vielleicht leiden sie unter den körperlichen Auswirkungen des Eingriffs. Genauso könnte es aber auch sein, dass sie das gesellschaftliche Stigma belastet, das noch immer mit dem Abbruch einhergeht. Zu dem Ergebnis kommt die kürzlich erschienene ELSA-Studie, die die Situation ungewollt Schwangerer untersucht hat. Eigentlich nicht überraschend: Wem permanent suggeriert wird, dass er sich schlecht fühlen muss, könnte auf die Idee kommen, etwas Falsches getan zu haben.

Vereinte Nationen fordern Entkriminalisierung von Abtreibungen

Gleiches gilt für den verpflichtenden Besuch der Schwangerschaftskonfliktberatung für Frauen, die abtreiben wollen. Es gibt Schwangere, denen der Weg dorthin schwer fällt, weil sie mit der Entscheidung zu einem Abbruch hadern. Doch ebenso gibt es Frauen, die die Beratung belastet, weil sie sie als bevormundend empfinden – und weil ihnen auferlegt wird, nach dem Beratungstermin noch drei Tage zu warten, bis sie die für sich getroffene Entscheidung umsetzen dürfen. Ein Ausschuss der Vereinten Nationen, der die Beseitigung von Diskriminierung gegen Frauen prüft, forderte die deutsche Regierung jüngst dazu auf, die Beratungs- und Fristenregelung abzuschaffen und Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren.

Zudem gibt es viel zu wenige Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Laut ELSA-Studie sind 85 Landkreise in Deutschland unterversorgt. Die Suche nach einem Arzt, der ungewollt Schwangeren hilft, und eine lange An- und Abfahrt können zermürben. Und dann wäre da noch der Kostenpunkt: 350 bis 600 Euro kostet der Eingriff laut der Beratungsstelle Pro Familia. Die Sorge, ob sie sich einen Abbruch überhaupt leisten können, kommt für einkommensschwache Frauen noch hinzu.

Die Entscheidung zum Abbruch darf auch leicht fallen

Wer eine Abtreibung erwägt, ist mit einer Vielzahl belastender Faktoren konfrontiert. An den meisten davon könnte der Gesetzgeber etwas ändern. Den Empfehlungen der Expertenkommission zum Paragraf 218 zu folgen, wäre ein richtiger erster Schritt, um die Rechte der Betroffenen zu stärken. Wer es aber ernst meint mit der Entscheidungsfreiheit Schwangerer, muss neben dem Strafrechtsparagraphen auch den moralisierend erhobenen Zeigefinger fallen lassen. Er muss aushalten, dass nicht jeder Frau die Entscheidung zum Abbruch schwerfällt. Sie darf sogar leicht fallen.

Denn: Frauen müssen nicht Mutter werden wollen. Sie dürfen von Anfang an wissen, dass sie eine ungewollte Schwangerschaft nicht zu Ende führen wollen, und sich freuen, dass sie in Deutschland die Möglichkeit haben, sie zu beenden. Und sie dürfen danach erleichtert sein und glücklich werden. In dem Lebensentwurf, den sie sich ausgesucht haben. Frei über den eigenen Körper bestimmen zu können, bedeutet: ohne der Gesellschaft moralische Zweifel zu schulden.